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Der Ohrwurm „All I Want For Christmas Is You“ von Mariah Carey ist laut Geselschaft für Konsumforschung auch in diesem Jahr wieder der beliebteste Weihnachtssong in den Single-Charts.

© Foto: Michael Loccisano/ AFP

Jingle Sells: Weihnachtslieder lassen die Kassen klingeln

Weihnachtslieder laufen auch in diesem Jahr wieder rauf und runter. Davon profitieren die Musiker – aber auch Streaming-Dienste wie Spotify.

In der Weihnachtszeit, so viel ist sicher, klingeln nicht nur die Glöckchen, sondern auch die Kassen vieler Musiker. Und zwar kräftig. Dass man spätestens im Dezember kaum das Radio einschalten oder durch ein Kaufhaus laufen kann, ohne von George Michael oder Mariah Carey beschallt zu werden, ist jedenfalls weitaus wahrscheinlicher als eine weiße Weihnacht in Berlin.

„All I Want For Christmas Is You“ von Mariah Carey ist laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) schon jetzt der beliebteste Weihnachtssong des Jahres in den Single-Charts. „In der Weihnachtszeit steigt Mariah Carey mit ihrem Song immer mit als erster Weihnachtssong ein und bleibt auch in der Zeit meist der höchstplatzierte. Nur ’Last Christmas’ macht ihr Konkurrenz“, sagt Cynthia Seyfarth, Head of Department Music bei Media Control. Der Dauerbrenner von George Michael ist mit 127 Wochen in den Charts die ungeschlagene Nummer eins.

Die besinnlichen Klänge füllen nicht nur die Playlisten der Radiostationen, sondern beleben ebenso das Streaming-Geschäft. Der Dezember 2016 war der bis dahin streamingstärkste Monat überhaupt, allein Mariah Carey wurde 1,17 Millionen Mal aufgerufen. Mit 160 Millionen Streams war Heiligabend in Deutschland der Tag mit den meisten Streams aller Zeiten. Dass die Bestmarken von 2016 in diesem Jahr noch einmal überboten werden, ist wahrscheinlich. „Das Musikstreaming entwickelt sich weiterhin sehr dynamisch, zur Jahresmitte 2017 mit einem erneuten deutlichen Wachstumsplus von mehr als 40 Prozent“, teilt Florian Drücke mit, der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Musikindustrie (BVMI). Die GfK rechnet zu den Festtagen ebenfalls mit neuen Rekorden, da der Streamingmarkt insgesamt wachse und das dritte Quartal traditionell das umsatzstärkste für die Musikindustrie sei.

Nicht jedes Weihnachtslied ist Kunst

Das Repertoire an Weihnachtsklassikern ist scheinbar unerschöpflich. Immer wieder versuchen Interpreten, durch Cover-Versionen oder Bearbeitungen der Originale einen Stück vom Kuchen abzubekommen. Allein „Last Christmas“ wurde laut einer Datenbank der Musikrechte-Plattform Music Reports fast 18000 Mal aufgenommen, steht damit aber immer noch weit hinter „White Christmas“ mit fast 130000 Aufnahmen und der Nummer Eins „Silent Night“, die es auf 137315 Aufnahmen bringt.

Dass sich Neuinterpretationen lohnen, zeigt beispielsweise die Weihnachtscompilation zur Vox-Sendung „Sing meinen Song“. Das Album ist in diesem Jahr bereits in der vierten Ausgabe erschienen und steht auf Platz vier der Album-Charts. Unter den deutschen Künstlern kann da lediglich Helene Fischer mithalten, die bereits seit Anfang November wieder mit ihrem Weihnachtsalbum in den Bestenlisten vertreten ist.

Doch nicht alles, was im Advent auf den Musikmarkt drängt, ist auch große Kunst. „In diesem Jahr hat die Neuseeländerin Sia ein gutes Album veröffentlicht, genau wie Gwen Stefani“, meint Konrad Kuhnt, Chef von Radio Berlin 88.8. Das Gros der Neuerscheinungen speziell in Deutschland schaffe es aber nicht ins Programm. „Die meisten deutschen Weihnachtslieder haben nicht diese Lockerheit wie die aus den USA, das macht den Amerikanern so leicht keiner nach“, sagt er. Im Profil des Senders liegt das Verhältnis zwischen Klassikern und neuen Weihnachtsliedern deshalb bei deutlichen 90:10.

Die Musikredaktionen müssten allerdings aufpassen, es mit den Evergreens nicht zu übertreiben. „Feliz Navidad und Last Christmas sind gefährliche Titel, die spielen wir nicht öfter als zwei Mal am Tag“, sagt Kuhnt. Und auch darüber hinaus folgt das Programm einer klaren Struktur. Als Faustregel gelte: In der ersten Adventswoche werden ein bis zwei Weihnachtstitel pro Stunde gespielt, in der zweiten zwei bis drei, in der dritten drei bis vier. „Und ab der vierten Adventswoche geht es rund“, sagt Kuhnt.

Plattenfirmen halten sich mit Erlösen bedeckt

Das lohnt sich dann auch finanziell für die Urheber. Zwar schweigen die Plattenfirmen eisern zu konkreten Zahlen einzelner Künstler, doch vermitteln die Daten der Verwertungsgesellschaft Gema, die die Urheberrechte der Künstler wahrt, einen Eindruck von den Dimensionen.

Liefe bei Radio Berlin 88.8 „Last Christmas“ etwa 100 Mal, käme George Michael als alleiniger Urheber damit auf etwa 400 Sendeminuten. Nach einem komplizierten Schlüssel, der verschiedene Faktoren wie etwa Reichweite des Senders gewichtet, wären dafür am Ende 629,94 Euro an George Michael ausgeschüttet worden. Da Michael im vergangenen Jahr aber ausgerechnet am ersten Weihnachtstag starb, ginge das Geld an seine Erben. Denn das Urheberrecht bleibt bis 70 Jahre nach dem Tod aufrechterhalten.

Zur Einordnung: Allein in Deutschland wurden in diesem Jahr laut Statistischem Bundesamt 413 Radiosender registriert. Anders berechnet sich der Erlös bei Streaming-Diensten, zum Beispiel bei Spotify: Für je 1500 Aufrufe im Abo-Bereich, also bei Spotify Premium, erhält der Urheber fünf Euro Tantiemen. Im werbefinanzierten Bereich, der ohne Abo zugänglich ist, sind dafür 8000 Zugriffe nötig. Insgesamt wurde George Michaels Band Wham im Dezember 2016 950000 Mal gestreamt.

Unterm Strich ist der Onlinebereich die kleinste der vier Säulen, auf denen die Gema ihre Erlöse aufbaut. 81 Millionen Euro kamen hier laut Geschäftsbericht 2016 zusammen. An dritter Stelle stehen mit 104 Millionen Euro die Vervielfältigungsrechte, also Tonträgerverkäufe und Downloads. Noch vor 20 Jahren war dieser Bereich der wichtigste Faktor, wurde aber längst abgelöst durch das Senderecht mit 286 Millionen Euro, also den Erträgen aus Radio und Fernsehen. Wichtigster Faktor für die Urheber bei der Gema ist der Livebereich geworden, der mit 370 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Würde man das auf eine Summe von 100 Euro für den Urheber herunterbrechen, wären das statistisch 37 Euro aus Konzerten, 29 Euro aus dem Rundfunk, zehn Euro für CDs, acht Euro aus Streams und 16 Euro aus anderen Bereichen.

Das mag auf den ersten Blick nach nicht viel Geld klingen, doch dabei darf man eines nicht vergessen: „Last Christmas“ läuft seit 1984 zu Weihnachten rauf und runter. Alle Jahre wieder.

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