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Wirtschaft: Jüngste Aussagen beweisen: Die These von den Altlasten ist nicht mehr zu halten

An einem verschneiten Abend im November erklärte der deutsche Kanzler Gerhard Schröder, dass er das Bauunternehmen Philipp Holzmann vor dem Konkurs gerettet hätte. Wir "wollten etwas unter ihren Tannenbaum legen", rief der Kanzler den Arbeitern zu, während er auf der Treppe der Unternehmenszentrale stand.

An einem verschneiten Abend im November erklärte der deutsche Kanzler Gerhard Schröder, dass er das Bauunternehmen Philipp Holzmann vor dem Konkurs gerettet hätte. Wir "wollten etwas unter ihren Tannenbaum legen", rief der Kanzler den Arbeitern zu, während er auf der Treppe der Unternehmenszentrale stand. Und die jubelten: "Ger-hard, Ger-hard, Ger-hard!". Die Sache schien ein glückliches Ende zu nehmen. Aber sie ist noch nicht vorbei.

Wichtige Fragen sind noch zu beantworten: Erst vor zwei Jahren hatte die Deutsche Bank - größter Gläubiger und zweitgrößter Aktionär von Holzmann - eine Restrukturierung eingeleitet. Wie konnte das Unternehmen so bald darauf in eine neue Krise geraten? Wie erklärt sich, dass das Unternehmen nur drei Monate nach dem Versprechen, erstmals seit 1996 schwarze Zahlen zu schreiben, an den Rand eines Konkurses geriet? Und seit welchem Zeitpunkt wusste der Deutsche-Bank-Aufseher bei Holzmann, wie schlecht es wirklich um das Bauunternehmen stand? Die offizielle Antwort des Unternehmens: Holzmann habe erst vor kurzem "kriminelle Machenschaften" früherer Manager entdeckt, unter anderem Konten auf einer Schweizer Bank. Und habe daher unerwartet 2,4 Milliarden Mark abschreiben müssen, wie es am 15. November bekannt gab. Dies erklärten übereinstimmend Carl von Boehm-Bezing, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und Aufsichtsratschef bei Holzmann, sowie der Vorstandschef des Bauunternehmens, Heinrich Binder.

Doch ein gänzlich anderes Bild ergibt sich, wenn man Aktionäre, Wirtschaftsprüfer und jetzige sowie ehemalige Holzmann-Manager befragt oder Sondergutachten von Wirtschaftsprüfern und interne Aufsichtsrats-Protokolle liest. Die liefern folgende Anhaltspunkte

Ein Sondergutachten, das im April 1999 fertig gestellt, aber dem Aufsichtsrat erst Anfang Dezember vorgelegt wurde, widerspricht der Behauptung der Unternehmensspitze, dass "ein Großteil" der 2,4 Milliarden Mark von Missetaten des früheren Managements herrühre.

Holzmanns Schwierigkeiten sind nicht nur aus früheren Geschäftsaktivitäten erwachsen. Auch in diesem Jahr wurden verlustreiche Geschäfte gemacht.

Mitte 1998 hat das Unternehmen trotz Kritik seiner Wirtschaftsprüfer Spielräume des deutschen Bilanzrechts ausgenutzt. Holzmann wollte die bestmöglichen Zahlen präsentieren, bevor das Unternehmen in jenem Herbst mit der Emission neuer Aktien 700 Millionen Mark einzunehmen gedachte.

Die Deutsche Bank hatte großes Interesse daran, Holzmann über Wasser zu halten, weil das Kreditinstitut bei einem Konkurs den Hauptteil seiner gut 2,2 Milliarden Mark an Krediten und Beteiligung an Holzmann hätte abschreiben müssen.

In Schwierigkeiten geriet das Unternehmen zu Beginn der 90er Jahre, als es den Immobilienmarkt in Ostdeutschland überschätzte. 1997 leitete die Deutsche Bank eine Restrukturierung bei Holzmann ein und ernannte einen neuen Vorstandschef: den erfahrenen Manager Binder, der allerdings keinerlei Erfahrung in der Baubranche hatte. Obwohl das Unternehmen 1998 noch in Schwierigkeiten steckte, machte es gute Miene zum bösen Spiel, um potenzielle Aktionäre zu überzeugen, mehr Geld in Holzmann zu stecken. Etwa mit einer Bilanzverschönerung: 1997 habe das Unternehmen knapp 1,5 Milliarden Mark Verluste eingefahren, teilte der damalige Finanzvorstand Rainer Klee auf einem Aufsichtsratstreffen am 1. Juli 1998 mit, wie aus dem Protokoll hervorgeht. Nach einer solchen Nachricht hätte Holzmann wohl kaum mit der Ausgabe neuer Aktien und Wandelanleihen 700 Millionen Mark einnehmen können, wie es das Unternehmen für den Herbst vorhatte. Doch Klee machte einen Vorschlag, wie das Loch zu stopfen sei: Grundstücke verkaufen und Reserven vom profitablen US-amerikanischen Geschäft abziehen. Mit einem Verkauf von Grundstücken könnte Holzmann rasch einen Gewinn verbuchen und würde später die Grundstücke zurückleasen. Als Ergebnis wies Holzmann für 1997 dann "nur" 789 Millionen Mark Verluste aus - die Hälfte des von Klee genannten Betrages. Damals stimmte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG der Bilanz zu, riet aber von dem Buchhaltungstrick ab. "Das ist am Rande des gesetzlich Zulässigen", erklärte KPMG laut Protokoll eines Aufsichtsratstreffens vom 1. Juli 1998.

Von außen gesehen schien das Unternehmen Anfang 1999 das Gröbste hinter sich zu haben. Im März 1999 kündigte Holzmann in einer Pressemitteilung an: "Wende erreicht. Positives Ergebnis für das laufende Jahr." Doch hinter den Kulissen war das Bild alles andere als schön: Seit Anfang 1999 wies ein leitender Angestellter im Rechnungswesen, Heinz Rauch, Binder wiederholt auf steigende Verluste hin und darauf, dass das Unternehmen 1999 ein Minus von 700 Millionen Mark machen könnte. Doch vergebens.

Zugleich ging das Management nur langsam daran, dem Wunsch der Hauptversammlung 1998 nach einem Sondergutachten von Wirtschaftsprüfern nachzukommen, um die Verluste des vergangenen Jahres zu prüfen. Erst im Februar 1999 beauftragte es die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young und die Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei Gleiss Lutz Hootz Hirsch. Das Gutachten von Gleiss Lutz, das am 29. April fertig gestellt wurde, legte Unregelmäßigkeiten des früheren Managements offen - vor allem aber einen Kontrollmangel. "Gravierender als individuelle Pflichtversäumnisse scheint uns die Schlussfolgerung, dass es bedeutende strukturelle Mängel im Unternehmen gab", heißt es im Bericht. Obwohl das Gutachten vorlag, verteilten Boehm-Bezing und Binder es nicht auf einem Aufsichtsratstreffen am 5. Mai. Nach weiteren Sonderprüfungen erklärten beide, mit den Ergebnissen unzufrieden zu sein. "Die Schlussfolgerungen sind nicht plausibel", sagte Binder dem Aufsichtsrat am 17. November. Am 23. November beantragte das Unternehmen ein Insolvenzverfahren.

Binder trat am 9. Dezember zurück. Auch Boehm-Bezing solle seinen Hut nehmen, fordert André Leysen, Chef der belgischen Finanzholding Gevaert NV, die vor einem Jahr 30 Prozent der Holzmann-Aktien gekauft hat. Aber nicht, bevor der Aufsichtsratsvorsitzende auf der außerordentlichen Hauptversammlung am 30. Dezember den Aktionären Rede und Antwort gestanden habe.Übersetzt und redigiert von Maira Meyer (Greenpeace, Holzmann), Birte Heitmann (Monsanto) und Svenja Rothley (Schröder).

Christopher Rhoads

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