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© dpa

Kampf um Nokia in Bochum: ''So geht man in Europa nicht miteinander um''

Anstandslos, hinterfotzig, profitgeil: Die Liste der Schmähungen für Nokia ist lang. Doch bislang ist der Handy-Hersteller nicht von der geplanten Werksschließung in Bochum abgerückt. 15.000 Menschen wollten das heute ändern.

Eine Woche nach Bekanntwerden der Schließungspläne für das Bochumer Nokia-Werk haben mindestens 15.000 Menschen für den Erhalt des bedrohten Standorts demonstriert. Um Punkt fünf vor zwölf setzte sich ein Protestzug vor dem Bochumer Werk in Bewegung, an dessen Spitze Teilnehmer einen Sarg mit der Aufschrift "Nokia" trugen. Während des Demonstrationszugs und einer anschließenden Großkundgebung ruhte die Arbeit in dem Handy-Werk. Auch rund 2000 Beschäftigte der drei Bochumer Opel-Werke legten aus Solidarität die Arbeit nieder und schlossen sich dem Protestzug an. Die bei Opel ausgefallene Produktion soll jedoch nach Angaben eines Unternehmenssprechers in den kommenden Tagen nachgeholt werden.

Während die Polizei die Teilnehmer an der Protestveranstaltung auf rund 15.000 bezifferte, sprachen die Organisatoren von "deutlich mehr" Demonstranten, ohne eine konkrete Zahl zu nennen. Im Vorfeld der Großdemonstration waren rund 20.000 Menschen erwartet worden.

Hartmut  Schauerte,  Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, kritisierte, die Nokia-Spitze habe die Entscheidung zur Schließung des Bochumer Werks über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg  getroffen: "So geht man in Deutschland und in Europa nicht  miteinander um, das sollten auch die Finnen verstehen." Schauerte  bekräftigte bei der Kundgebung zudem, Deutschland sei ein wettbewerbsfähiges Land. "Das lassen wir uns von niemandem zerreden und kaputtmachen."

"Ungezügelte Profitgier"

IG-Metall-Chef Berthold Huber bezeichnete die Schließungspläne des finnischen Nokia-Managements als "Kampfansage an die gesamte IG Metall". Nicht wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit solle Bochum geschlossen werden, sondern wegen der "ungezügelten Gier nach maßlosen Profiten", sagte er.

Nokia habe sich zum Ziel gesetzt, das Vermögen seiner Anleger alle fünf Jahre zu verdoppeln. Das sei "aberwitzig" und untergrabe das wirtschaftliche Fundament und das soziale Gefüge jeder Gesellschaft, sagte Huber. Das Konzept, zu niedrigen Löhnen und niedrigen Steuern in Osteuropa zu produzieren, aber zu höchsten Preisen und höchsten Gewinnmargen im Westen zu verkaufen, gehe auf Dauer nicht auf. Der IG-Metall-Chef forderte den Konzernvorstand auf, die Schließungspläne zurückzunehmen und den Beschäftigten ein Zukunftskonzept vorzulegen.

Sozialplan-Verhandlungen vor dem Start

Nach einem Gespräch von Bundeskanzlerin Angela Merkel(CDU) mit Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo kündigte das finnische Unternehmen an, "so schnell wie möglich" Sozialplan-Verhandlungen zu beginnen. Man wolle eine sozial verantwortliche und für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung finden und erwäge "zusätzliche Maßnahmen" als Unterstützung für die betroffenen Beschäftigten und den Standort Bochum, sagte eine Sprecherin.

Merkel hatte zuvor die Kommunikationsstrategie des finnischen Unternehmens als "unverständlich" kritisiert. Es gebe aber Gespräche zwischen dem Wirtschaftsministerium und Nokia. Darüber sei Stillschweigen vereinbart worden, sagte sie dem Radiosender NDR Info. Merkel zeigte sich skeptisch, ob die Firma ihre Schließungspläne revidiert. Die Regierung werde aber alles tun, um den von Entlassung bedrohten Beschäftigten zu helfen.

Arroganter Tonfall gegenüber Rumänien?

Am Montagabend hatte ein erstes Gespräch zwischen der Nokia-Führung und Arbeitnehmervertretern des Bochumer Werks zu keinem Ergebnis geführt. "Wir sehen das Gespräch als Auftakt zu einer Reihe weiterer Gespräche", sagte die IG-Metall-Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm.

Derweil kritisierte der finnische Botschafter in Deutschland Subventionen wie bei Nokia im hessischen Radiosender hr-info als "veraltete Industriepolitik". "Ich glaube nicht, dass sie ausschlaggebend sind für das Schließen oder Halten des Werks", sagte René Nyberg.

Der sozialistische Oppositionsführer Rumäniens, Mircea Geoana, beklagte, deutsche Politiker hätten bei der Debatte um die Werksschließung in "diskriminierendem und arrogantem Ton" über die Qualität rumänischer Arbeiter gesprochen. Es sei der Verdienst des rumänischen Ausbildungswesens, dass Rumänien Investoren anziehe, sagte Geoana bei einer Parteiversammlung im siebenbürgischen Cluj (Klausenburg). Nokia will am 11. Februar in Jucu bei Cluj mit der Produktion von Mobiltelefonen beginnen. (ho/AFP/dpa)

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