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Versteht sich prima mit dem deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: Chrystia Freeland, Außenhandelsministerin von Kanada.

© Reuters

Kanadas Außenhandelsministerin im Interview: "Ceta wird das beste Freihandelsabkommen der Welt"

Kanadas Außenhandelsministerin Chrystia Freeland setzt sich für das Freihandelsabkommen Ceta ein. Mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sei sie sich in Vielen einig, sagt sie im Tagesspiegel-Interview.

Frau Freeland, vertrauen Sie Sigmar Gabriel?

Oh ja. Als ich kürzlich in Deutschland war, haben wir uns getroffen, und ich sage Ihnen: Ich hätte mir keine größere Unterstützung wünschen können. Wir sind beide der Auffassung, dass Ceta ein hervorragendes Abkommen ist.

Eigentlich hätte Ceta aber schon längst verabschiedet sein sollen. Dann ist TTIP dazwischen gekommen. Glauben Sie, dass Ceta noch in diesem Jahr über die Bühne gehen wird?
Sowohl die EU-Handelskommissarin Cecila Malmström als auch ich gehen davon aus, dass Ceta in diesem Jahr unterschrieben wird und Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt. Wir sind jetzt wieder auf gutem Wege, nachdem die Dinge vorher nicht so recht voran gekommen waren. Es gab ja Bedenken in der EU gegen den Investorenschutz. Die Wahl der neuen Regierung hat das Problem gelöst.

Wenn das keine Eigenwerbung ist!
Aber es stimmt. Mit der alten Regierung und der EU hatte es ein Hin und Her gegeben. Wir haben dann gesagt: Wir wollen doch dasselbe wie ihr. Hätte die EU nicht vorgeschlagen, Handelsgerichte einzurichten statt privater Schiedsgerichte, dann hätten wir das vorgeschlagen.

Wirklich?
Ja, ich bin in vielen Punkten mit Minister Gabriel eins. Man muss die Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft mitnehmen, man muss die Umwelt schützen. Die Veränderungen beim Investorenschutz tragen diesem Denken dem Rechnung. Ceta wird das fortschrittlichste Handelsabkommen der Welt. Wir können Ceta nutzen, um andere Handelsabkommen auf eine bessere Stufe zu bringen.

Als Blaupause für andere?
Ja, als Blaupause für die Welt.

Viele glauben das nicht. Sie haben Angst davor, dass die großen Konzerne durch Abkommen wie Ceta oder TTIP zu mächtig werden und ihre Interessen durchsetzen – auf Kosten der Arbeiter, der Umwelt und der Verbraucher. Am Samstag sind deshalb wieder viele Menschen gegen TTIP auf die Straße gegangen.
Ich kann verstehen, dass Menschen Vorbehalte haben gegenüber dem Kapitalismus des 21. Jahrhunderts. Und einige sind sicherlich auch berechtigt. Aber wenn wir über Ceta reden, sollten wir bei dem bleiben, um was es geht: eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der EU und Kanada. Wir sind zwei Partner, die gemeinsame Werte schätzen – vielleicht in einem Maße, wie sonst keiner. Wir haben dieselbe Haltung gegenüber dem Kapitalismus des 21. Jahrhunderts. Wir glauben an eine starke Wirtschaft, aber wir kümmern uns auch um den Klimawandel. In Kanada gehört das öffentliche Gesundheitswesen zu den Kronjuwelen unseres Staates, 100 Prozent unserer Bürger stehen dahinter. Und wir haben wie Sie in Deutschland ein staatliches Schulsystem.

Wie finden Ihre Bürger Ceta?
Für Ceta gibt es viel Unterstützung. Wir glauben nicht, dass die deutschen Konzerne nach Kanada kommen werden und dann unsere Umwelt ausbeuten oder unsere Arbeitnehmer. Und ich sage meinen deutschen Freunden, glaubt Ihr etwa, dass kanadische Unternehmen das bei euch vorhaben? Uns liegen diese Werte genauso sehr am Herzen wie euch.

Was bringt Ceta wirtschaftlich?
Die letzten Schätzungen stammen aus dem Jahr 2008. Danach wird der Handel zwischen Kanada und der EU um 23 Prozent zunehmen, und Kanadas Wirtschaft wird um einen Prozentpunkt wachsen. Unsere neue Regierung will Jobs und Verdienstchancen für die Mittelschicht schaffen, Das geht aber nur mit einer wachsenden Wirtschaft. Hinzu kommt, dass wir die Situation der Ureinwohner verbessern wollen. Wir nehmen dafür richtig viel Geld in die Hand. Im laufenden Budget sind es mehr als acht Milliarden kanadische Dollar. Auch dafür brauchen wir Geld. Ceta soll uns dabei helfen.

Wer profitiert mehr – europäische Unternehmen oder kanadische?
Beide gleich. Die Wirtschaften ergänzen sich. Wir sind sehr daran interessiert, mit europäischen, allen voran mit deutschen Firmen bei sauberen und grünen Technologien zusammenzuarbeiten, der Klimawandel ist ein großes Thema für unsere Regierung. Wir können hier viel von Ihnen lernen.

Was versprechen sich kanadische Unternehmen von Ceta?
Es gibt ja schon einen lebhaften Handel zwischen der EU und Kanada, und die Zölle sind ziemlich niedrig. Sie liegen zwischen sechs und neun Prozent. Ceta wird die globalen Lieferketten vereinfachen. Firmen wie Blackberry, Bombardier, Siemens oder Ballard, die jetzt schon Geschäfte in Kanada und der EU machen, hoffen auf Erleichterungen. Und die europäischen Verbraucher werden unseren Ahornsirup billiger bekommen. Heute liegt ein Zoll von acht Prozent darauf. Ich persönlich freue mich darauf, dass die gute, deutsche Schokolade günstiger wird, wenn der Zoll von 6,5 Prozent wegfällt.

Sind Traditionsprodukte wie Champagner oder Parmaschinken geschützt?
Ja, geographisch geschützte Herkunftsbezeichnungen werden respektiert. Sie wissen ja, dass Kanada ein Einwandererland ist. Hier leben Menschen, die aus aller Herren Länder zu uns gekommen sind. Als wir die Menschen in Kanada über Ceta informiert haben, haben wir ihnen gesagt: Das ist eine Möglichkeit, Lebensmittel aus Europa einfacher und billiger zu bekommen. Die Leute freut das. In Toronto gibt es einen großen polnischen Lebensmittelladen ...

Mit polnischer Wurst?
Mein Favorit sind die eingefroren polnischen Waldpilze. Aber da hat jeder seine eigenen Vorlieben.

Wo sehen Sie Chancen für kanadische Unternehmen?
Zum Beispiel bei Blackberry. Die deutsche Regierung ist sehr interessiert an sicherer Kommunikation, und Blackberry bietet genau das an.

Blackberry hatte vor gar nicht so langer Zeit ziemliche finanzielle Probleme, Bombardier – auch ein großer kanadischer Konzern – baut Stellen ab. Kann Ceta den Unternehmen aus der Klemme helfen?

Ja, klar. Ceta schafft neue Möglichkeiten.

Europa hat hohe Standards, was den Verbraucherschutz angeht. Wie steht es damit in Kanada?
Wir haben auch hohe Schutzstandards. Aber Sie müssen wissen: Ceta ändert für den Verbraucherschutz keinen Jota. Wenn kanadische Unternehmen ihre Produkte in Europa verkaufen, müssen sie die europäischen Verbraucherschutzstandards einhalten. Und anders herum. Da ändert sich gar nichts.

Was ist mit Hormonfleisch und gentechnisch manipulierten Lebensmitteln? Bei TTIP hat das eine große Rolle gespielt.
Wir halten uns an die europäischen Spielregeln, was Hormone betrifft oder den Einsatz von Gentechnik beim Essen. Kanadische Produzenten, die nach Europa exportieren wollen, müssen die europäischen Vorgaben einhalten. Ich glaube, dass Ceta der Bio-Landwirtschaft in Kanada helfen wird. Die Öko-Bauern werden sehen, dass es für ihre Produkte einen wirklichen Markt gibt.

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