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Bank für Internationalen Zahlungsausgleich: Kardinäle des Geldes

Sie ist die Schaltstelle der globalisierten Finanzwelt, ihre Analysen sind die besten der Zunft. In der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich versuchen Experten, die Branche mit Reformen zu bändigen – und das Risiko für neue Krisen zu begrenzen.

Die Organisation erzielt Milliardengewinne. Aber sie zahlt keine Steuern. Ihre Manager handeln mit Wertpapieren und Gold über alle Grenzen hinweg. Aber kein Gericht kann sie belangen und keine Regierung ihre Geschäfte kontrollieren. Und wer ihre Zentrale gleich neben dem Bahnhof von Basel aufsucht, der betritt exterritoriales Gebiet. Die Schweizer Polizei hat hier nichts zu sagen.

So umgibt eine Aura von Konspiration den runden Turmbau, der sich da 18 Stockwerke hoch über die Dächer der Baseler Altstadt erhebt. Aber Peter Dittus, der Verwaltungschef im Haus, kann bei solchen Zuschreibungen nur müde lächeln. „Wir sind nur Dienstleister, wir sind eine Nichtmacht“, versichert der freundliche 53-jährige Herr im grauen Anzug, der aus seinem vornehmen Büro das Dreiländereck überblickt.

Doch seine Erklärung ist ebenso wahr wie irreführend. Denn das Unternehmen, dem Dittus als Generalsekretär dient, ist die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, jene Institution, über die Zentralbanken aus aller Welt ihre Geschäfte und ihre Politik koordinieren. Das macht die „BIZ“, wie sie unter Fachleuten heißt, zur wichtigsten Schaltstelle für die staatliche Seite der globalisierten Finanzwelt. Fünfmal im Jahr treffen hier die Herrscher über Zinsen und Geldmengen in abhörsicheren Konferenzräumen zum diskreten Meinungsaustausch zusammen. Hier verabreden die Währungshüter aus den 56 Mitgliedsstaaten, wie sie das stets drohende Chaos auf den Finanzmärkten abwehren oder Rettungspakete für Krisenstaaten in der Praxis umsetzen wollen.

Vom Inhalt der Gespräche erfährt die Öffentlichkeit meist wenig. Die Geheimniskrämerei können die Notenbanker allerdings gut begründen. Schon mit wenigen öffentlich gesprochenen Worten können sie Milliarden auf den Finanzmärkten in Bewegung setzen, weil Investoren auf künftige Zinsänderungen oder Währungsgeschäfte schließen können.

Dass im Turm am Basler Bahnhof weitreichende Entscheidungen fallen, verrät auch ein Begriff wie „Basel II“. Weil hier zugleich die Sekretariate des „Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht“ und des „Financial Stability Board“ residieren, jenen Gremien, in denen die Finanzaufseher der G20-Staaten die Mindeststandards zum Schutz der Geldbranche vor sich selbst verabreden, ist das Regelwerk nach seinem Entstehungsort benannt. Nun wird an einer verschärften Version gearbeitet, die in der Fachpresse schon unter „Basel III“ firmiert. Unvermeidlich ist der Basler Turm daher auch Schauplatz eines harten Machtkampfes zwischen Regierungen, Notenbankern und Lobbyisten. Während die Aufseher den Banken harte Grenzen für ihre Risiken setzen wollen, drohen die Banken, dies würge die Wirtschaft ab.

Dabei stellt die BIZ nicht nur den Versammlungsort, sondern auch das Personal und die Expertise. Die zentrale Aufgabe der 550 Mitarbeiter aber ist, im Auftrag der Aktionäre wie der amerikanischen Federal Reserve (Fed) oder der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Teil von deren Reserven zu verwalten und Analysen zur Wirtschaftslage zu erstellen. Die Gewinne aus diesem Geschäft mit derzeit immerhin rund 300 Milliarden Euro Anlagekapital machen die BIZ finanziell unabhängig und die Herren im Haus sind die Gouverneure der Zentralbanken, nicht etwa Regierungen – ein Umstand, der die Bank gegen direkte politische Einflussnahme abschottet. „Hier geschieht nur, was die Bernankes und Trichets dieser Welt wollen“, erklärt Dittus in Anspielung auf die Chefs von Fed und EZB. Sitz und Stimme im 19-köpfigen Verwaltungsrat haben zwar auch Kollegen aus Schwellenstaaten wie China und Brasilien, nur eben keine Regierungsvertreter – und auch keine Frauen. Die Welt der Wächter über Geld und Risiko ist noch immer eine Männerdomäne.

Nichts aber dokumentiert den einzigartigen Charakter der Basler Gelddiplomatie besser als die bewegte Geschichte der Bank selbst. Bei ihrer Gründung im Jahr 1930 sollte sie im Auftrag der Siegermächte des ersten Weltkriegs von der neutralen Schweiz aus die deutschen Reparationszahlungen verwalten und durch Re-Investition in deutsche Staatsanleihen dafür sorgen, dass die Deutschen zahlungsfähig blieben. Dieser Zweck war zwar schon vier Jahre später hinfällig, als Hitler-Deutschland die Zahlungen für die Kriegsschulden einstellte. Doch bis dahin hatte die Notenbanker-Gemeinschaft längst erfahren, wie nützlich ihre neue Institution war, um in diskreter Zusammenarbeit ihre Währungen durch die Wirren der großen Depression zu steuern.

Darum hielten sie eisern an dem Projekt fest, auch dann noch, als die Deutschen Europa abermals mit Krieg überzogen. In der Folge konnte das Hitler-Regime die BIZ als Drehscheibe für die Abwicklung von Zahlungen für kriegswichtige Importe nutzen und sogar das in den überfallenen Staaten geraubte Gold dort gutschreiben lassen. Im Gegenzug zahlten Hitlers Reichsbanker noch bis Kriegsende Zins und Tilgung auf die Anfang der 30er Jahre erworbenen deutschen Staatsanleihen und ermöglichten der BIZ mit diesen Einkünften das Überleben in Kriegszeiten – eine unheilige Allianz, die noch dazu unter Leitung eines Amerikaners stand.

Doch die ursprünglich feste Absicht der US-Regierung, die Bank nach Kriegsende zu liquidieren, scheiterte am Widerstand der Notenbanker-Gemeinschaft. Die BIZ blieb ihr Refugium und ihr Instrument. Politiker müssen draußen bleiben.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn sich die Hüter über Dollar, Euro, Yen oder Yuan mit ihren Kollegen in Basel zur „Weltwirtschaftssitzung“ treffen, dann bleiben sie unter sich im „Vatikan der Hochfinanz“ (Branchenspott). Das sei auch deshalb nötig, weil oft „hart gefragt und diskutiert“ werde, erzählt Dittus. Das gehe nur, wenn alle Teilnehmer sicher seien, sich nicht später für ihre Aussagen rechtfertigen zu müssen. So erreiche man „Effektivität durch Diskretion“, meint Dittus.

Dumm nur, dass der Club der Zentralbanker zuletzt alles andere als effektiv war. Schließlich steuerten seine Mitglieder das globale Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs, der nur mit dem Einsatz von mehreren Billionen Dollar Steuergeld verhindert werden konnte. Das Versagen erscheint heute umso peinlicher, weil einer der kompetentesten Warner vor dem drohenden Kollaps all die Jahre mitten unter ihnen war: William White, bis 2008 Chefökonom der BIZ.

Nirgendwo sonst haben Ökonomen so umfassenden Zugriff auf den Datenfluss, den die Notenbanken liefern. Die Analysen der BIZ zählen darum zum Besten, was die Zunft zu bieten hat. Quasi live beschrieben White und sein Team denn auch, wie die Niedrigzinspolitik der Federal Reserve den Akteuren auf den Finanzmärkten immer riskantere Wetten ermöglichte. Bereits 2003 warnte der kanadische Ökonom so vor dem „exzessiven Wachstum von Kreditvolumen und Vermögenswerten“. Im Frühjahr 2006 ließ White die Warnung vor der „Anfälligkeit der Kreditmärkte“ schließlich offen in den Jahresbericht der Bank schreiben. Insbesondere die „verbrieften Hypothekenkredite“ in den USA seien ein „Risikofaktor“, hieß es da. Vielen Banken drohten „unerwartet hohe Verluste“ bei „übertriebenem Vertrauen in die Einschätzung der Rating-Agenturen“. Klarer ging es kaum und genauso kam es ja auch. Trotzdem ließen Fed-Chef Greenspan und seine Kollegen den Exzessen ihren Lauf.

Über ihre Ignoranz gegenüber der Expertise aus dem eigenen Haus schweigen die noblen Mitglieder des BIZ-Clubs bis heute beharrlich. Auch Generalsekretär Dittus ist die Frage danach eher lästig. White – immerhin 13 Jahre lang der Top-Ökonom des Hauses – habe damals „eine Außenseitermeinung vertreten“, sagt er, „aber andere haben dagegengehalten“. Das klingt dünn. Plausibler ist die Erklärung, dass die Verantwortlichen der Finanzindustrie enger verbunden waren als ihrem Auftrag zur Wahrung der Stabilität. Dafür sprechen die personellen Verflechtungen zwischen Aufsehern und Banken – nicht zuletzt auch in der BIZ. Dort wechselte etwa der langjährige Generaldirektor Andrew Crocket 2003 zum US-Geldriesen JP Morgan. Sein Nachfolger, der Kanadier Malcom Knight, unterschrieb im Juni 2008, sogar schon vor Ablauf seiner Amtszeit, einen gut dotierten Vertrag bei der Deutschen Bank.

Aber so schwer ihr Versagen wiegt, so hartnäckig arbeiten die Mitglieder des BIZ-Clubs nun an der Wiederherstellung ihrer Reputation. Einer, der sichtlich schwer an der Verantwortung trägt, ist Svein Andresen. Der 55-jährige Norweger ist Generalsekretär des Financial Stability Board (FSB), des Gremiums also, dem die G20-Staaten die Ausarbeitung des Reformprogramms zur Bändigung der Finanzbranche übertragen haben. Formal hat das FSB mit der BIZ nichts zu tun, und doch ist es über seine Mitglieder, die Mitarbeiter und den Sitz im achten Stock des Basler Turms aufs Engste mit ihr verbunden. Aufsichtsbehörden, Zentralbanken und Finanzministerien aus 24 Staaten brüten in dem Rat seit nun schon zwei Jahren über den Reformvorschlägen. Rating-Agenturen sollen überprüft, Bankenrisiken begrenzt oder Frühwarnsysteme etabliert werden. Das und dutzende weiterer Maßnahmen müssen weltweit eingeführt werden und Andresen leistet mit 15 Mitarbeitern die Koordination – eine herkulische Aufgabe.

Aber kaum einer wäre besser dafür geeignet als er. Schon seit 1998 hat er den Vorläufer des FSB, das nach der Asienkrise eingerichtete Finanzstabilitätsforum, mit aufgebaut. Zu vielen Fehlentwicklungen, die später in die Katastrophe führten, erstellte das Forum schon Jahre vorher ausführliche Studien, berichtet Andresen. „Aber solange alles noch gut lief, fehlte der Wille einzugreifen“, erinnert er sich. Für die Regierungen war die Beamtenrunde offenbar nur ein Alibi-Gremium.

Das ist nun ganz anders. Als die G20-Regenten im Herbst 2008 dringend ein Programm zur Zähmung der Finanzindustrie brauchten, „da waren unsere Empfehlungen höchst willkommen“, erinnert sich Andresen, und spürbar brennt er darauf, die Arbeit der vielen Jahre nun endlich in praktische Politik umzusetzen: „Jetzt haben wir das Mandat, aber nun müssen wir auch liefern.“ Doch mit Sorge muss er mit ansehen, wie die beteiligten Regierungen sich erneut von der Finanzlobby gegeneinander ausspielen lassen. Ausgerechnet eines der Kernelemente, die drastische Erhöhung der Kapitalpolster von Banken, droht auf der Strecke zu bleiben.

Bislang haben die Geldhäuser bis zu 50 Mal mehr Kredite aufgenommen, als sie an Eigenkapital besitzen. Wenn sie das geborgte Geld in Anlagen stecken, die höhere Erträge bringen als die Schuldzinsen kosten, können sie so die Gewinne auf das eigene Kapital vervielfachen. Nichts anderes steht hinter ihren hohen Renditezahlen. Wehe aber, die Erträge bleiben aus. Dann vervielfacht der „Kredithebel“ auch die Verluste und das Eigenkapital reicht hinten und vorne nicht, um sie auszugleichen. Nur darum konnte ein Preisknick am US-Immobilienmarkt die ganze Welt in die Krise stürzen.

Dagegen haben die Banken-Aufseher, die zu ihrem „Baseler Ausschuss“ stets aus aller Welt anreisen, im Dezember ein radikales Konzept entwickelt. Demnach soll es eine absolute Obergrenze für die Verschuldung von Banken geben, nachdem derselbe Ausschuss vor fünf Jahren die Sicherheitsanforderungen noch gelockert hatte. „Damals haben wir dereguliert, jetzt sind wir im Regulierungs-Modus“, versprach einer der beteiligten Aufseher im Februar. Dazu gehört auch, dass das „Kernkapital“ im Krisenfall tatsächlich zum Ausgleich von Verlusten verfügbar sein muss und nicht nur auf dem Papier stehen darf wie etwa bei den deutschen Landesbanken.

Aber dann hat die Bankenlobby alle Kräfte mobilisiert. Müssten sie das geforderte zusätzliche Eigenkapital aufbringen, könnten sie weniger Kredite vergeben und damit würde Wirtschaftswachstum verhindert, kündeten Banken-Sprecher von Tokio bis Washington. Der Weltverein der Großbanken, das „Institute of International Finance“ unter Vorsitz von Deutschbanker Josef Ackermann, warnte gar vor dem Verlust von 10 Millionen Jobs. Diese „hinterlistige Behauptung“, wie die US-Bankenaufseherin Sheila Bair beklagte, ist eigentlich leicht zu widerlegen. Nur ein kleiner Teil der von Banken heute vergebenen Kredite diene der Unternehmensfinanzierung, erklärte etwa Adair Turner, der Chef der britischen Bankenaufsicht. Die meisten Kredite fließen für die Spekulation auf steigende Preise bei Immobilien oder Rohstoffen. Nicht die Wirtschaft würde mit höheren Kapital-Anforderungen für Banken schrumpfen, wohl aber die Gewinne der Finanzbranche.

Trotzdem hat die Kampagne Wirkung gezeigt. Als der Ausschuss jüngst begann, die neuen Sicherheitsanforderungen in eine verbindliche Form zu bringen, forderte ein Beamter nach dem anderen Ausnahmen zugunsten der Geldhäuser im Heimatland. Zum Ende der Sitzung waren die neuen Regeln schon wieder soweit verwässert, dass mindestens 15 Prozent des offiziell ausgewiesenen „Kernkapitals“ der Geldhändler doch wieder nur Luftbuchungen sein dürfen. Bei der wichtigsten Neuerung, der Schuldenobergrenze, verließ die Reformer gleich vollends der Mut. Auch künftig sollen Banken sich bis zum 33-Fachen ihres Eigenkapitals verschulden dürfen, etwa so viel, wie bei Lehman Brothers zum Zeitpunkt der Pleite, und das auch erst ab 2018. Der deutsche Vertreter im Ausschuss, Bundesbank-Vizechef Christoph Zeitler, mochte nicht einmal diesem Kompromiss zustimmen. „Ausgerechnet die stärksten Rufer nach neuen Bankenregeln stehen jetzt auf der Bremse“, klagte daraufhin einer von Zeitlers EU-Kollegen.

Hat die Bankenlobby also schon gewonnen? Reform-Koordinator Andresen winkt ab. Die bisherigen Abstriche seien noch nicht das letzte Wort. Das falle erst, wenn Mitte September die Höhe der Kapitalanforderungen im Verhältnis zu den ausstehenden Krediten und Investments festgelegt werden müssen. Am Ende „werden wir auf jeden Fall ein strengeres Regime bekommen, insbesondere für die Großbanken“, hofft er.

Ob das reichen wird, der Welt eine weitere Finanzkrise zu ersparen, halten die Experten der BIZ für fraglich. „Was wir Ende 2008 erlebt haben, könnte sich durch einen Schock beliebiger Größenordnung wiederholen“, warnte BIZ-Generaldirektor Jaime Caruna. Und Chefökonom Stephen Cecchetti schrieb ganz in der Tradition seines Vorgängers im Jahresbericht, dass die anhaltende Niedrigzinspolitik der Notenbanken zu „künstlich hoch gehaltenen Vermögenspreisen“ führe und „ohne baldiges Gegensteuern zu Problemen“ führen werde. Wie die Herren der Geldpolitik zu den Einschätzungen ihrer Ökonomen stehen, wird die Welt aber wieder nicht erfahren. Die Debatten im Turm am Basler Centralbahnplatz bleiben vertraulich.

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