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© Arnd_Petry

Arbeitszeugnis: Schlechte Leistung, schön verpackt

Arbeitszeugnisse haben ihre ganz eigene Sprache. Wie man sie liest, was unbedingt drinstehen sollte und wie man Änderungen durchsetzt.

Um Arbeitszeugnisse wird viel und gern gestritten. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie wichtig die Beurteilungen für das weitere Berufsleben ist. Viele Arbeitnehmer sind verunsichert, wenn sie ihr Zeugnis lesen. Auch wenn auf den ersten Blick alles in Ordnung zu sein scheint, geben doch manche Formulierungen Rätsel auf. Was bedeutet zum Beispiel „sie hatte stets eine gute Arbeitsmotivation“ oder was will der Chef sagen, wenn er schreibt: „Er suchte stets nach guten und kostengünstigen Lösungen. Die Erfolge sprechen für sich“?

„Auf sein Sprachgefühl sollte man sich bei der Zeugnissprache nicht verlassen“, erklärt Christoph M. Müller, Rechtsanwalt in Berlin-Mitte. Denn eine gute Arbeitsmotivation bedeutet zum Beispiel nur die Note 3. Wesentlich mehr Sorgen machen müsste sich aber derjenige, der die zweite Beurteilung erhält: Zwar hat er die guten und kostengünstigen Lösungen gesucht – nur leider nicht gefunden. Und dass die Erfolge für sich sprechen sollen, ist blanke Ironie. „Entscheidend ist aber die Gesamtnote, weil sie bei flüchtigem Querlesen von den Personalchefs besonders beachtet wird“, sagt Anwalt Müller. Wie der Name schon sagt, bewertet sie die Leistung des Mitarbeiters insgesamt. Wer also stets alle Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers erledigt hat, verdient die Note 1, volle Zufriedenheit bedeutet eine 2. Wer dagegen die Aufgaben nur „zur Zufriedenheit“ erfüllte, ist mit Note 4 abgefertigt worden.

Auch das sogenannte beredte Schweigen fürchten viele – zu Recht. Hier lässt der Arbeitgeber notwendige Aussagen einfach weg. Bekanntestes Beispiel ist der Satz: „Sein Verhalten gegenüber Kollegen war einwandfrei“. Wenn dann kein Wort mehr über das Verhalten gegenüber Vorgesetzten folgt, werden zukünftige Arbeitgeber kein Interesse an einem vermutlich renitenten Mitarbeiter haben.

Wie ein Zeugnis insgesamt zu beurteilen ist, könnten letzten Endes aber nur Fachleute verlässlich sagen, meint Arbeitsrechtsexperte Müller. Trotzdem oder gerade deswegen gibt es über Zeugnisse eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen. So klagte ein Zeitungsredakteur gegen seinen Verlag, weil in seinem Zeugnis der Passus fehlte, dass er auch unter Stress zuverlässig und effektiv arbeite. Der Fall ging bis vor das Bundesarbeitsgericht. Das Gericht gab dem Kläger recht, weil das Gebot der Zeugnisklarheit nach Paragraf 109 Absatz 2 GewO (Gewerbeordnung) erfordere, dass ein Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss. Der Redakteur konnte nachweisen, dass es zum üblichen Zeugnisinhalt bei Tageszeitungsjournalisten gehört, „die Beurteilung der Belastbarkeit in Stresssituationen zu erwähnen“ (Aktenzeichen BAG 9 AZR 632/07).

Ein qualifiziertes Zeugnis enthält neben den Personalien und der Dauer der Beschäftigung auch Hinweise, wie der Chef die Leistung des Mitarbeiters einschätzt. „Die Aufgaben müssen vollständig und genau beschrieben sein, so dass sich zukünftige Arbeitgeber ein Bild machen können“, sagt Christoph Müller. Die Leistung sollte im Wesentlichen nach folgenden Kriterien beurteilt werden: Leistungsfähigkeit und -bereitschaft, Fachkenntnisse sowie Arbeitsweise und -erfolge. Anspruch auf ein Zeugnis haben alle Arbeitnehmer, auch bei befristeten Verträgen oder wenn das Arbeitsverhältnis in der Probezeit beendet wurde.

Achten sollte man auch auf die letzten Sätze der Beurteilung. „Zwar legen Arbeitgeber mitunter nicht so großen Wert auf die Schlussformulierung. Sie ist aber durchaus wichtig“, weiß Müller. Der Grund, warum das Arbeitsverhältnis beendet wurde, braucht darin nicht genannt zu werden, außer wenn der Mitarbeiter es verlangt. Wer selbst kündigt, hat einen Anspruch auf den Hinweis, dass die Anstellung auf eigenen Wunsch endete. Steht dort aber, „wir trennen uns im gegenseitigen Einvernehmen“ deutet das eher auf Differenzen hin. Besser klingt „im besten gegenseitigen Einvernehmen“. Bei einem guten Mitarbeiter kann eine Schlussformel recht ausführlich ausfallen, etwa mit den Worten: Wir bedauern das Ausscheiden sehr, bedanken uns für stets sehr gute Leistungen und wünschen für die weitere berufliche Zukunft alles Gute.

Was manchmal vergessen wird: Der Anspruch auf ein Zeugnis kann verjähren. Die übliche gesetzliche dreijährige Frist muss man sicher nicht fürchten. Es gibt jedoch eine ganze Reihe kürzerer tarifvertraglicher Ausschlussfristen. Im öffentlichen Dienst sind es beispielsweise sechs Monate, im Baugewerbe oft nur zwei Monate. Etwa zwei Wochen sollte man der Personalabteilung Zeit geben, um ein Zeugnis zu schreiben. Wer es ganz schnell braucht oder einen Passus geändert haben will, setzt dem Arbeitgeber am besten eine Frist. Wird diese nicht eingehalten, kann man Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Einigen sich Kläger und Beklagter dann schon im Gütetermin, ist der Streit schnell beigelegt. Geht die Auseinandersetzung aber weiter, müssen die Parteien manchmal mehrere Monate auf den folgenden Kammertermin warten.

Vor Gericht ein korrigiertes Zeugnis zu erreichen, ist allerdings nicht einfach. Denn die Tatsachen, die eine bessere Beurteilung rechtfertigen, muss der Arbeitnehmer vortragen und beweisen, wie das Bundesarbeitsgericht in einem Leitsatz erläutert hat (Az. BAG 9 AZR 12/03). Diesen Beweis zu führen ist meist schwierig. Wer sich auf die Aussagen von Kollegen, eventuell auch von Vorgesetzten verlassen kann, hat wohl noch die besten Karten. Meistens enden Verfahren vor dem Arbeitsgericht aber mit einem Vergleich – auch um sich zeitaufwendige Zeugenaussagen zu ersparen, die das Verfahren noch mehr in die Länge ziehen.

Angelika Friedl

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