zum Hauptinhalt

Jobs & Karriere: Aussteigen, um aufzusteigen

Rucksackreisen durch exotische Länder können ein Pluspunkt im Lebenslauf sein. Nicht nur Studenten, auch Berufstätige nehmen sich eine längere Auszeit

„Ich habe den Kindern beigebracht, wie man eine Uhr liest – sie haben sich gefreut wie die Schneekönige“, erinnert sich Bernhard Maier aus Berlin an seine Erlebnisse in einem Waisenhaus in Bolivien. Kinder betreuen in Südamerika, Kiwis pflücken in Neuseeland oder Pferde striegeln auf einer irischen Farm: Viele junge Leute wie Bernhard Maier nehmen sich eine Auszeit, statt nach dem Schulabschluss gleich ins Studium oder Arbeitsleben einzusteigen. Aber auch nach einigen Jahren Berufsalltag suchen manche Arbeitnehmer die Vorteile des Ausstiegs auf Zeit.

So können Angestellte der Deutschen Bank auf sogenannte Zeitwert-Konten Überstunden, Urlaubstage und Teile des Gehalts sparen, um sich ein „Sabbatical“ einzulösen – also eine bezahlte Auszeit vom Job. „Unsere Mitarbeiter planen zunehmend nicht mehr die klassische Erwerbsbiografie; viele wollen nicht nach ihrer Ausbildung eine Vollzeitstelle annehmen und dann bis zum Ruhestand arbeiten“, sagt Gabriele Buchs, Leiterin des Bereichs Compensations & Benefits. „Der Arbeitsalltag ist intensiver geworden, man muss sich stetig weiterbilden. Daher haben einige Mitarbeiter das Bedürfnis, sich einmal über längere Zeit zu regenerieren. Nutzen unsere Mitarbeiter das Zeitwertkonto, erhalten sie während ihres Sabbaticals das volle Gehalt und sind weiter sozialversichert.“

Bankmitarbeiter Dirk Friedrich, 37, hat sich so eine sechsmonatige Reise durch Australien, Neuseeland und Europa finanziert. „Normalerweise hat man sechs Wochen Urlaub pro Jahr, davon oft nur zwei Wochen am Stück“, sagt er. „Wer nach Australien will, sitzt 24 Stunden im Flieger: Hat man wenig Zeit, steht man natürlich unter einem gewissen Stress, so viel zu sehen wie möglich. Bei einem Sabbatical ist alles viel relaxter. Nach den sechs Monaten war ich sehr erholt und habe mich wieder auf das Arbeiten gefreut.“

Wer mit seinem Chef über eine Auszeit redet, sollte Begriffe wie „aussteigen“ vermeiden, rät Sarah Gerharz von der Gesellschaft für Internationale Weiterbildung und Entwicklung (Inwent). „Sonst entsteht der Eindruck, man hat keine Lust mehr auf die Firma.“ Besser sei es, Vorteile für den Arbeitgeber in den Mittelpunkt zu stellen: „Betonen Sie, wie sich Ihr Englisch verbessern wird oder wie viel Energie und Impulse Sie mit zurück ins Büro bringen werden.“ Von Vorteil ist es, dem Chef Lösungen anzubieten, wie seine Aufgaben während der Auszeit aufgeteilt werden können. Für diejenigen, die sich im Ausland beruflich weiterqualifizieren wollen, hat Inwent eine Broschüre mit rund 170 Angeboten herausgebracht.

Der Aufwand für die Vorbereitung eines Auslandsaufenthaltes lohnt sich meist: „Eine tolle Erfahrung“ sei es gewesen, nach dem Abitur acht Monate lang mit Straßenkindern zu arbeiten, schwärmt der 22-jährige Berliner Bernhard Maier: „Ich habe quasi die Elternrolle übernommen; darauf geachtet, dass das Haus ordentlich bleibt, den Kindern schwimmen beigebracht.“ Dafür wohnte er gratis in dem Heim und verdiente 100 Euro im Monat.

Organisationen wie Travelworks bieten Hilfe für Rucksackreisende, die Urlaub und Jobben kombinieren wollen. Das Angebot richtet sich insbesondere an Schulabgänger und Studenten. Für etwa 1600 Euro kümmert sich die Firma zum Beispiel um Flugtickets und Versicherungsschutz, hilft bei der Stellensuche und dem Beantragen des Visums. Egal ob im Büro oder auf der Baustelle – bevor Jobber im außereuropäischen Ausland anpacken, müssen sie ein Visum organisieren. Um die Erlaubnis zu bekommen, zum Beispiel ein Jahr lang in Australien oder Neuseeland zu arbeiten, dürfen Antragsteller höchstens 30 Jahre alt sein; Kanada akzeptiert Bewerber bis zu 35 Jahren.

Kaum jemand will sein Leben lang Kiwis pflücken. Werden die Jobs im Ausland zum Bonus oder zur Lücke im Lebenslauf? „Nichts hat mir bei Bewerbungen soviel gebracht wie meine Zeit in Bolivien“, sagt Maier, der mittlerweile Jura studiert. „Bei einem Interview mit einer Kanzlei haben sie mich fast ausschließlich über meine Erfahrungen dort befragt.“ Dass Rucksackreisende ihre Karriere fördern, davon ist Tanja Kuntz vom Reiseveranstalter Travelworks überzeugt. Der Trick sei, eine Mischung von Jobs zu finden: einige, die näher zum Karriereziel führen und andere, die damit nicht unbedingt zu tun haben, aber gut bezahlt sind.

„Wer Tierarzt werden will, kann sich natürlich um ein Praktikum in einer Koala-Pflegestation bemühen. Da stehen die Interessenten allerdings Schlange, daher gibt es fast nie eine Bezahlung“, gibt Kuntz zu bedenken. Aber wer flexibel ist, dürfte keine Probleme damit haben, seinen Aufenthalt durch Arbeit zu finanzieren: „Ich rate dazu, auch Jobs anzunehmen, die sich absurd anhören. Teilnehmer unserer Programme haben zum Beispiel Würmer auf einer Wurmfarm gepflegt, Umfragen zu Zahnprotesen gemacht oder Flugzeuge betankt“, sagt die Marketing-Leiterin, die selber monatelang in Melbourne Toilettenrohre verlegt hat.

Bei der Vermarktung der Erfahrungen im Lebenslauf ist Kreativität gefragt: „Statt ‚zehn Monate lang Bananen sortiert’ kann man schreiben: ‚Als Farm Assistant gewann ich Einblicke in das Alltagsgeschäft in einem landwirtschaftlichen Betrieb.’“, regt Kuntz an. „Andererseits ehrt es auch Akademiker durchaus, einmal einfache Jobs in einer Fabrik oder auf dem Feld zu verrichten. Das zeigt, dass man sich nicht zu fein ist, sich die Hände schmutzig zu machen.“ Auch wenn der Ferienjob nichts mit dem Traumjob gemein hat, sollte man seinen Chef um ein Schreiben bitten, in dem steht, welche Arbeiten man geleistet hat. Gut ist es, wenn der Arbeitgeber außerdem Pünktlichkeit und Teamfähigkeit bescheinigt.

Aufgeschlossen gegenüber ungewöhnlichen Biografien ist das Versicherungsunternehmen Allianz. „Uns interessiert, welche Motivation hinter dem Auslandsaufenthalt steckt“, sagt Sprecherin Bettina Krüger. „Soziales Engagement sehen wir sehr positiv. Anders sieht es aus, wenn jemand nur um die Welt reist, weil er nicht weiß, was er überhaupt machen will.“ Daher sollte man begründen können: Warum reise ich grade zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben in dieses Land und mache diese Arbeit?

Wer diese Fragen überzeugend beantwortet, habe laut Krüger gute Chancen: „Gute Noten an Top-Unis haben mittlerweile viele. Da ist es ein Differenzierungsmerkmal, wenn ein Bewerber ungewöhnliche Reiseziele gewählt und dort Sinnvolles geleistet hat“, sagt Krüger.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false