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Jobs & Karriere: Bloß keinen Fehler machen

Im Umgang mit Chefs, Kollegen und Kunden zählt nicht nur Fachkompetenz: Worauf es in den ersten Tagen im Betrieb ankommt

Die Tinte unter dem Ausbildungsvertrag ist trocken? Herzlichen Glückwunsch! Der Eintritt ins Berufsleben ist wie ein Neuanfang: Es ändert sich vieles. Statt Schulfreunden gibt es Kollegen, statt Lehrern muss man nun Vorgesetzte von seiner Arbeit überzeugen. Das stellt an die Umgangsformen andere Anforderungen. Klingt spießig? Mag sein. Aber an dem Thema kommt keiner vorbei, der seine Ausbildung erfolgreich bewältigen will.

„Die Azubis glauben, sie haben es geschafft. Dabei geht’s erst los – jetzt müssen sie sich bewähren“, sagt Karl Hermann Künneth. Der Handwerksmeister bietet Benimm-Kurse für Azubis an. Hängen die Seminarteilnehmer ihre Jacken über die Stuhllehnen, sind sie, im übertragenen Sinne, gleich ins Fettnäpfchen getreten. „Im Klassenzimmer war das in Ordnung – im Berufsleben ist das ein absolutes Tabu!“, urteilt Künneth.

Unpünktlich sein, Kaugummi kauen oder mit dem Stuhl kippeln – dafür gab es in der Schulzeit höchstens eine Ermahnung. Während der Ausbildung kann mangelnde Disziplin im schlimmsten Fall den Job kosten. Denn in der Probezeit kann der Vertrag schließlich ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Bei einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags klagten 44 Prozent der Unternehmen über disziplinlose Azubis, gut ein Drittel der Arbeitgeber bemängelten die Umgangsformen der Schulabgänger.

„Gerade Firmen in kreativen Branchen wirken oft unkonventionell – das kann täuschen. Wenn alle sich duzen, heißt das nicht, dass alles locker-flockig ist und man es zum Beispiel mit Pünktlichkeit nicht genau nehmen muss“, warnt Ramona Neuse, Ausbildungsberaterin bei der Industrie- und Handelskammer Berlin. Gleiches gelte für das Erscheinungsbild: Trauerränder unter den Nägeln und fettige Haare fallen auf, auch wenn der Chef den Auszubildenden nicht darauf anspricht.

„Was immer gut ankommt: auf Kollegen zugehen und sich vorstellen“, sagt Neuse. Ist der Job in einer neuen Stadt, sollte man allerdings private Kontakte nicht gleich in der Abteilung suchen. Das wirke unprofessionell. „Es ist keine gute Idee, zu seinem Einstand eine Runde Sekt auszugeben“, warnt die Ausbildungsberaterin. Aufdrängen sollte man sich nicht. Besser sei, vorsichtig anzufragen: „Nehmen Sie mich mit in die Kantine?“

Ein verbreiteter Fehler sei es, Kollegen vorschnell zu duzen. Selbst wenn diese nur wenige Jahre älter sind, schreibe die Etikette vor, andere zu siezen, bis sie von sich aus das „Du“ anbieten. Besonders im Umgang mit dem Chef sollte der Lehrling im Zweifelsfall lieber altmodisch als zu locker auftreten. Besteht die Begrüßung aus einem genuschelten „hi“, empfiehlt sich der Azubi nicht für anspruchsvolle Aufgaben. „Den Chef immer mit Namen und Titel anreden, warten, bis der Vorgesetzte oder andere Ranghöhere die Hand reichen – das sind einige Grundregeln“, sagt Künneth.

Der 61-jährige Benimm-Trainer legt den Auszubildenden Geduld ans Herz: „Eine Frau hat nach zwei Monaten ihre Lehre in einem Friseursalon geschmissen, weil sie immer die Haare zusammenkehren musste. Hat sie gedacht, sie darf gleich an die Locken der Stammkundin ran?“ Es sei normal, dass unbeliebte Arbeiten wie Kaffee kochen oder Akten sortieren den Azubis zufallen. Wer sich unterfordert fühlt, sollte aktiv werden.

„Viele warten darauf, dass der Chef sagt, was sie zu tun haben“, sagt auch Neuse. Besser sei es, sich selbst für anstehende Aufgaben anzubieten. Mit Verbesserungsvorschlägen sollten sie sich zurückhalten, zumindest im ersten Monat. Ältere Kollegen fühlten sich sonst vor den Kopf gestoßen und stufen einen als Besserwisser ein. Verlangt der Chef ausbildungsfremde Tätigkeiten, solle man sich an den Gepflogenheiten im Betrieb orientieren, rät Neuse: „Wenn jeder mal das Mittagessen für alle holt und der Chef mich ab und zu bittet, das zu übernehmen, sollte ich es tun.“ Verlange der Chef hingegen von einer angehenden Bürokauffrau, sein Auto jeden Tag durch die Waschanlage zu fahren, werde es kritisch.

„Gerade am Anfang der Ausbildung ist es wichtig, nicht in Panik zu geraten und alles hinzuwerfen“, sagt Andreas Krewerth, Berater beim Bundesinstitut für Berufsbildung. Hilfreich ist die Seite „Dr. Azubi“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes: Hier können Lehrlinge mit Experten des DGB besprechen, welche Möglichkeiten sie bei Problemen mit dem Chef haben. „Wenn man sich informiert hat, sollte man das Gespräch mit den Ausbildern suchen und schildern, wie man die Situation wahrnimmt“, rät Krewerth. Wenn es nicht möglich ist, die Probleme im offenen Gespräch zu lösen, sollten die Auszubildenden nicht davor zurückschrecken, sich an die Ausbildungsberater der Kammern zu wenden. Diese setzen sich dann mit den Betrieben in Verbindung und vermitteln.

Annette Leyssner

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