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David de Rothschild: Sinnvoller Müll

Der jüngste Spross der Bankiers-Dynastie, David de Rothschild, über seinen Job als Umweltaktivist, seine geplante Expedition und die Problematik von Plastiktüten

Herr de Rothschild, sind Sie lebensmüde?

Sie meinen, weil ich in einem aus 12 000 Plastikflaschen zusammengebastelten Schiff von San Francisco nach Australien segeln will?

Ja, genau.

Ich möchte auf das Müllproblem in den Ozeanen aufmerksam machen. Das hat nichts mit Lebensmüdigkeit zu tun. Ich hab auch keine Angst. Wir fahren sowieso nicht los, bevor wir nicht sicher sind, dass es funktioniert.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

2006 habe ich einen Bericht der UN gelesen, in dem es hieß, dass dringend etwas passieren muss, um zu verhindern, dass die Ozeane zu Plastikmeeren werden. Ich wollte irgendetwas tun. Am Ende stand die Idee des Plastikflaschenbootes.

Könnten Sie das Gleiche machen, wenn Sie nicht de Rothschild hießen und der jüngste Sohn der Bankiers-Dynastie wären?

Natürlich. Ich glaube, schlussendlich kommt es darauf an, was man macht, und nicht darauf, wie man heißt.

Wann stechen Sie mit Ihrem Plastikflaschenboot in See?

Das Boot ist im Wasser, wir setzen die Segel, wenn das Wetter stimmt. Schließlich werden wir vier Monate unterwegs sein, und diese Expedition ist einzigartig – also wissen wir auch noch nicht, was uns erwartet.

Sie fahren zum so genannten Großen Müllstrudel des Pazifik. Was ist das?

Es gibt in den Weltmeeren insgesamt fünf große Müllstrudel. Durch die Strömungen bilden sich gigantische Müllteppiche, hauptsächlich aus Plastik. Der, durch den wir durchsegeln, ist der größte. Er nimmt eine Fläche ein, die zweimal so groß wie Texas ist.

Was wollen Sie damit erreichen?

Ich wusste lange selbst nicht, dass es diese Müllstrudel überhaupt gibt. Da landet alles, was vom Land und von Schiffen ins Wasser geschmissen wird. Wir fahren hin, fotografieren und filmen ihn, weil dieses Problem vielen Menschen überhaupt nicht bewusst ist.

Was machen Sie mit Ihrem Müll an Bord?

Es wird kaum welchen geben. Wir haben einen Kompost an Bord, ein Minigewächshaus, in dem wir einen Teil der Verpflegung anbauen und Angelequipment mit. Der Restmüll wird bei den Zwischenstopps entsorgt, wo auch die Crew wechselt. Nur ich und der Kapitän werden die vollen vier Monate an Bord sein.

Die Flaschen haben Sie mit einer Mischung aus Cashewnüssen und Zucker zusammengeklebt. Wollen Sie so den Risikofaktor erhöhen oder ist das eine Essensnotration?

Weder noch, aber wir hatten uns das Ziel gesetzt, ein Schiff zu bauen, das wir komplett entsorgen können. Jetzt sieht es so aus, dass das Boot nach unserer Rückkehr im Museum landet.

Warum heißt die Expedition „The Plastiki“?

Der norwegische Archäologe Thor Heyerdhal hat 1947 ein Inka-Floß aus Balsaholz und anderen Naturmaterialien nachgebaut und ist zur Kontiki-Expedition gestartet ist. Er fuhr damit von Peru aus über den Pazifik, um zu zeigen, dass südamerikanische Urvölker das auch schon konnten und hat so viel Aufmerksamkeit erregt. Etwas Ähnliches schwebt uns auch vor – nur geht es jetzt um Umweltverschmutzung.

Und die Plastikflasche ist das Symbol des weltweiten Müllproblems?

Ja und nein. Das Problem ist, dass Plastik noch zu wenig recycelt wird. Das ist eine riesige Ressourcenverschwendung, weil man drei bis fünf Liter Wasser braucht, um eine Ein-Liter-Flasche zu produzieren. Dazu kommen Transportkosten. Außerdem ist das Material unglaublich vielseitig einsetzbar.

Plastik ist also ein nachhaltiger Rohstoff?

Ja, wenn man es weiterverarbeitet, kann man Häuser daraus bauen, Windturbinen, Möbel, Segelboote. Es gibt sogar ein Verfahren, bei dem man mit Hilfe von Plastikflaschen Wasser desinfizieren kann.

Dann sind Plastiktüten viel problematischer, weil sie gar nicht recycelt werden?

Ja, Plastiktüten sollten komplett verboten werden, die bringen wirklich niemanden irgendetwas. Es braucht so viel Energie, Strom, Öl, um sie herzustellen und im Schnitt landen sie nach 15 Minuten im nächsten Mülleimer. Das ist Schwachsinn.

Aber Sie haben auch schon mal eine Plastiktüte gebraucht?

Doch, klar, aber ich versuche es mittlerweile komplett zu vermeiden.

Sagen Sie das anderen Leuten im Supermarkt auch?

Jeder muss selber wissen, wie er Abfall reduzieren kann. Aber klar, auch kleine Schritte können große Auswirkungen haben, wenn alle mitmachen.

Sie sind aber mehr für die großen Schritte?

Wenn wir das Müllproblem wirklich lösen wollen, brauchen wir systematische Veränderungen. Die Unternehmen müssen ihre Wertschöpfungsketten auf Nachhaltigkeit überprüfen. Vor allem aber müssen sich die Konsumenten ihrer Verantwortung bewusst werden.

Das heißt, wir als Konsumenten können die Umwelt retten?

Nein, wir als Konsumenten müssen den ersten Schritt machen. Aber nur eine Energiesparlampe zu benutzen und sonst nichts zu ändern, bringt nichts. Erst wenn wir nachhaltige Produkte nachfragen und die Firmen so unter Druck setzen, werden sie darauf reagieren.

Aber Sie arbeiten auch mit Unternehmen zusammen und lassen sich von ihnen die Expeditionen finanzieren.

Ja, ich glaube, dass es nur zusammen funktioniert. Wenn sie unsere Projekte als Sponsoren unterstützen, haben sie selbst auch etwas davon. Wir bieten mit unserem Schiff zum Beispiel eine Lösung an, die ein Vorbild für die Industrie sein könnte, weil sie zeigt, was man aus Müll Sinnvolles herstellen kann, und wir beraten Unternehmen, wie sie nachhaltiger wirtschaften können.

Wie sind Sie überhaupt auf dieser Natur-Schiene gelandet?

Ich habe eine Ausbildung in Naturmedizin. Du bist, was du isst, das war das Wichtigste, was ich gelernt habe. Und ich war schon immer lieber draußen als drinnen, habe meine Freizeit in der Natur verbracht, nicht nur mit Sport.

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, sich wie jeder andere ins Büro zu setzen und einen normalen Job zu machen?

Ich habe einen normalen Job, sogar mehrere. Ich weiß ja nicht, was Sie als normal bezeichnen, aber ich habe meine eigene Umweltorganisation Adventure Ecology, ich leite eine Stiftung, ich bin Autor, Dozent und Abenteurer. Mir würde auch einer davon reichen.

Die Süddeutsche Zeitung hat Sie einmal als „Jürgen Trittin in sexy“ bezeichnet. Wissen Sie überhaupt wer das ist?

Nein, ich habe noch nie von ihm gehört.

Er war acht Jahre deutscher Umweltminister und hat den Atomausstieg durchgesetzt.

Dann kann ich mit diesem Vergleich sehr gut leben.

Gekürzter Beitrag aus dem Magazin „Junge Karriere“. Die Fragen stellte Carola Sonnet

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