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Jobs & Karriere: Der unbekannte Riese

Neben Technologie bietet der Konzern IBM auch Beratung und Dienstleistung an – und sucht jetzt dringend Nachwuchs

„Nein, ich kann deinen Laptop nicht reparieren“, sagt Lea Schulze und seufzt. Seitdem ihre Freunde wissen, dass sie bei IBM arbeitet, muss sie diese Antwort öfter geben. Selbst Kunden, die nicht direkt in ein Projekt involviert sind, haben schon dezent nachgefragt, als der Computer im Büro mal wieder nicht so recht wollte.

Die Tätigkeit der 26-Jährigen gleicht eher der eines Beraters von McKinsey oder Boston Consulting. Sie arbeitet für die Beratersparte des Technologiekonzerns, IBM Global Business Services. Nur die wenigsten wissen, dass IBM neben Servern und Software auch Beratung anbietet – nicht nur im Bereich Informationstechnologie, sondern auch in den typischen Feldern Strategie, Financial und Human Capital Management.

Weltweit macht IBM mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Beratung und IT-Dienstleistungen – und stellt kräftig Leute ein. 200 junge Berater sucht der Konzern derzeit in Deutschland. Der Mangel an jungen Beratern ist mittlerweile so groß, dass IBM mindestens einmal im Monat zum Assessmentcenter lädt. Gute Chancen haben Leute mit Berufserfahrung und Hochschulabsolventen wie Lea Schulze. Die Hamburgerin hat schon während ihres Wirtschafts-Studiums rund zwei Jahre in Unternehmen gearbeitet, als Praktikantin und als Werkstudentin. „Danach wollte ich endlich Verantwortung übernehmen“, sagt Schulze. Da kam es ihr gelegen, dass IBM kein herkömmliches Trainee-Programm anbietet, sondern die Berufseinsteiger schon nach kurzer Einweisung zu den Kunden lässt.

Noch bis Ende des Jahres arbeitet Schulze in der Zentrale des Chemiekonzerns Bayer in Leverkusen, wo die Berater von IBM gerade den gesamten Personalbereich umkrempeln. In ihrem Kernteam arbeitet sie mit fünf bis zehn Berater-Kollegen zusammen mit den Human-Ressources-Experten von Bayer. Schulze bereitet Workshops und Präsentationen vor, die die Bayer-Mitarbeiter in den verschiedensten Ländern mit dem neuen System vertraut machen sollen. Unterstützung im Alltag bekommt die Berufseinsteigerin von einem Coach. „Das ist ein erfahrener Berater, der die Neuen an die Hand nimmt und sie von seinem Netzwerk profitieren lässt“, erklärt Matthias Hartmann, Geschäftsführer der Beratersparte. Diese Betreuung ist Teil des so genannten Connection-Programms, das den Einstieg bei IBM erleichtern soll.

Im Vergleich zu Unternehmensberatungen wie McKinsey positioniert sich IBM als Gesamtdienstleister. „Wir entwickeln nicht nur Konzepte auf dem Papier, wir kümmern uns auch um die IT-Umsetzung“, sagt Hartmann. Die Wachstumschancen stehen gut: Eine Studie des Beratungshauses Lünendonk zeigt, dass die Grenzen zwischen den Märkten für IT-Dienstleistung, Software und Unternehmensberatung zunehmend verwischen. „Im deutschen Markt werden zwar noch Aufgaben separat an unterschiedliche Dienstleister vergeben. Die Unternehmen, die alles aus einer Hand anbieten, werden aber immer stärker nachgefragt“, sagt Thomas Lünendonk, Chef der gleichnamigen Marktforschungsgesellschaft. Das liege vor allem daran, dass neue Geschäftsstrategien immer häufiger auch mit der entsprechenden Informationstechnologie gepaart werden müssten.

Vor fünf Jahren vollzog IBM einen Imagewandel, weg vom reinen Technologiekonzern hin zu mehr Beraterkompetenz. 2002 kaufte das Unternehmen die Beratersparte des Wirtschaftsprüfers Pricewaterhouse-Coopers. Danach wurde das Geschäftsfeld nach und nach vergrößert. Weltweit arbeiten rund 90 000 Berater bei IBM. Bei der Strategieberatung kann der Konzern jedoch nicht mit renommierten Häusern wie Mc Kinsey und Roland Berger mithalten. „Dieses Knowhow hat IBM einfach nicht im Haus“, sagt Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Fachhochschule BonnRhein-Sieg. Als Gesamtanbieter konkurriere der Konzern eher mit Accenture und Capgemini.

IBM sucht vor allem Absolventen und Berufseinsteiger, die die Fächer Wirtschaftswissenschaften, Physik oder Mathematik studiert haben. „Wichtig sind uns Auslandserfahrung und ein einschlägiges Profil: Hat ein Bewerber seine Diplomarbeit über das Risikomanagement bei Banken geschrieben? Dann wäre er für unser Banking Umfeld prädestiniert“, erklärt Recruiting-Leiterin Bettina Gerlach. Spezielle IT-Kenntnisse seien nicht gefordert. Wie bei den meisten Unternehmensberatungen gibt es auch bei IBM den Druck, schnell Karriere zu machen. Das gängige Prinzip „Aufsteigen oder Aussteigen“ gilt hier jedoch nur in abgeschwächter Form. „Wer nach einigen Jahren nicht mehr ständig reisen will, hat auch Karrierechancen außerhalb der Beratung – etwa in den Bereichen Vertrieb, Human Ressources oder Forschung und Entwicklung“, versichert Hartmann.

Lea Schulze hat sich an das Leben aus dem Koffer gewöhnt. „Im Hotel muss man sich motivieren, nicht den Fernseher anzumachen, sondern zum Sport zu gehen oder in die Stadt“, sagt sie. Nur eines kann sie immer noch nicht: Laptops reparieren.

Astrid Dörner

Beitrag aus dem Handelsblatt-Magazin „Junge Karriere“

Astrid Dörner

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