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Jobs & Karriere: Die Kunst des Selbstvermarktens

Wie verkauft man sich, ohne sich zu verkaufen? Das können Künstler in Seminaren und Workshops lernen

Wie zarte Pinselstriche wirken die Baumstämme, mit leichter Hand in den Wald gestellt. Der Boden ist schneebedeckt, eine fahle Sonne lugt durch das Raster aus dicht an dicht stehenden Stämmen. Eine Szene weiter ist der Schnee dem ersten hellen Frühlingsgrün gewichen. Was bleibt ist das Unscharfe, Verschwommene, das aus dem Wald mit einem Wimpernschlag eine abstrakte Komposition vertikaler Linien, ein Spiel kalter und warmer Farben macht. Die Fotoserie mit dem Titel „Vertikale“ stammt aus der Kamera von Sabine Wild und ist in der Galerie Lumas zu kaufen – noch. Denn nicht wenige der Bilder tragen im Internet bereits den Zusatz „sold“ oder „letzte Exemplare“ . „Als mir die Lumas-Galerie eine erste Auflistung meiner verkauften Fotografien zuschickte, war ich ziemlich perplex“, sagt Sabine Wild. „Einen solchen Absatz in nur drei Monaten hätte ich – selbst in einem Jahr – niemals erwartet.“ Angenehme Nebenwirkung: „Jetzt kann ich von meiner Kunst leben“, freut sich die Fotografin.

Geholfen haben ihr dabei unter anderem Kurse des Bildungswerks des Berufsverbands Bildender Künstler Berlins (bbk). In den Seminaren und Infoveranstaltungen des Bildungsträgers geht es zum Beispiel um Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Recht, Steuern und Versicherungen für Künstler oder Stipendien, Projektförderung und andere Finanzierungsquellen. Auch professionelle Mappengestaltung, das Fotografieren der eigenen Arbeiten, das Gestalten einer Website oder digitale Bildbearbeitung können Interessierte lernen.

Wer von seiner Kunst leben will, darf nicht darauf warten, entdeckt zu werden. Er muss von sich reden machen. Doch gerade das fällt schwer; Kunst und Kommerz passen für viele nicht zusammen. „Gute Kunst zu machen ist natürlich das A und O,“ sagt Annette Richter-Haschka, Geschäftsführerin des bbk-Bildungswerks, „reichen tut das aber nicht.“ Ein Künstler müsse lernen, sich und seine Arbeiten zu präsentieren, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen. Im bbk-Seminar „Kunstmarkt und Galerie“ werden deshalb verschiedene Galeristen besucht sowie Tipps und Anregungen zum Suchen und Finden der passenden Galerievertretung gegeben.

Für Sabine Wild hatte das Seminar noch einen weiteren Vorteil: Sie lernte eine andere Teilnehmerin, die Malerin Christine Keruth, kennen und gründete mit ihr eine Produzentengalerie, die „Galerie en passant“ . Die ist heute in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte ansässig und wird von zwölf gleichberechtigten Künstlerinnen und Künstlern geführt. „Wir haben unsere Geschicke selbst in der Hand, und jeder von uns hat die Freiheit, selbst zu entscheiden, was er zeigen möchte“, erklärt die 44-Jährige die Vorzüge des Konzepts einer Produzentengalerie. Anfangs bedeutete das aber vor allem eins: jede Menge Arbeit. „Im ersten halben Jahr kam ich nicht zum Fotografieren“, erinnert sich Sabine Wild. Inzwischen halten zwei Galeriemanagerinnen den Künstlern den Rücken frei.

Die Fotografin hat gewagt, wovor viele ihrer Kollegen zurückschrecken: Sie ist aktiv geworden, hat auf sich aufmerksam gemacht. Mit dem Vorurteil, dass ein Künstler geduldig auf seine Entdeckung warten müsse, will auch Claudia Zölsch aufräumen. Mit ihrer Firma Kapitalkunst bietet sie Selbstmarketing-Kurse für Künstler an. Wer sind die Mitspieler auf dem Kunstmarkt? Was erwarten Galeristen? Wen lade ich zu einer Ausstellungseröffnung ein? Und wie gestalte ich Visitenkarten, Vita und Mappe? Diese und ähnliche Fragen sind bei ihr Thema. „Gehen Sie raus und zeigen sie sich“, bringt die 40-Jährige, die selbst Kunst und Kommunikation studiert hat, das wichtigste Marketing-Instrument auf den Punkt. „Und lassen Sie sich von Absagen nicht entmutigen. Auch wenn 99 Galeristen Ihnen ein Korb geben, der hundertste wird sagen: Warum waren Sie nicht schon gestern da?“.

Außerdem rät Claudia Zölsch dazu, am Anfang ruhig kleine Brötchen zu backen. Es müsse nicht immer gleich die angesagteste Galerie sein, für den Anfang tue es auch eine Ausstellung im Flur des Rathauses oder im Foyer einer Bank. „Jeff Koons stellte die ersten Bilder zum Beispiel im Möbelgeschäft seines Vaters aus“, macht sie ihren Seminarteilnehmern Mut.

Im Studium werde die Kunst des Selbstvermarktens immer noch viel zu sehr vernachlässigt, findet Zölsch. Eine Lücke, die die Universität der Künste Berlin schließen will: Sie hat das bundesweit erste Career Center an einer künstlerischen Hochschule ins Leben gerufen. Neben individueller Beratung werden zahlreiche Workshops angeboten, die sich zum Beispiel mit den Grundlagen der Existenzgründung, dem Aufbau von Netzwerken oder der Honorarkalkulation beschäftigen. Die Beratung können neben UdK-Absolventen auch Studierende der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ und der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Anspruch nehmen.

Speziell an Schauspieler, Sänger und andere Theatermacher richtet sich das Fortbildungsangebot von Theaterjobs-Seminare. Geschäftsführer Sören Fenner und seine Mitstreiter betreiben gleichzeitig einen Theaterstellenmarkt im Internet. „Dabei haben wir gemerkt, mit wie viel Unkenntnis und Naivität manche Schauspieler sich präsentieren“, erzählt Fenner. Sagt den Leuten doch bitte mal, dass sie uns bei der Bewerbung keine popligen Passfotos schicken sollen, klagten zum Beispiel viele Theater. Die Stellenmarkt-Macher ließen es nicht bei diesem guten Ratschlag bewenden, sondern boten kurzerhand selbst Fortbildungen rund um die Theaterarbeit an – zum Beispiel professionelle, aber erschwingliche Fotosessions. Außerdem gibt es Seminare zu Steuer-, Versicherungs- und sozialrechtlichen Fragen. Die neueste Idee: Bewerber können eine Videopräsentation aufnehmen, die – von Experten witzig geschnitten – einen lebendigen Eindruck von ihrer Person vermittelt.

Unter dem Motto „Wie verkaufe ich mich, ohne mich zu verkaufen?“ geht es außerdem um Bewerbungsstrategien, geschicktes Verhandeln und die Frage nach dem eigenen Marktwert. „Schauspieler müssen lernen, Selbstvermarktung als festen Bestandteil ihres Berufs zu begreifen“, findet Sören Fenner. „Jeder Pizzabäcker weiß, dass er nicht nur gute Pizza machen muss, sondern auch eine Speisekarte und eine Leuchtreklame vor der Tür braucht.“ Für Ausgaben wie Fotos, Porto oder Internetrecherchen sollte man sich deshalb jeden Monat einen festen Betrag zurücklegen, am besten auf ein separates Konto.

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