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Frauenberufe: Von wegen typisch

Zum Girls’ Day am 23. April können Jungs in soziale oder organisatorische Jobs hineinschnuppern. Wir stellen drei Männer vor, die seit Jahren in solchen Berufen arbeiten

DER RECHTSANWALTSGEHILFE

Wenn sich Marko Koschare am Telefon meldet, muss er oft erst einmal ein Missverständnis aufklären. „Moment“, sagt der Rechtsanwaltsgehilfe dann, „ich bin gar nicht der Anwalt.“ Am Empfang einer Kanzlei sitzt eben meistens eine Frau. Marko Koschare hat sich daran gewöhnt, dass er zu einer Minderheit in seinem Beruf gehört. Von den knapp 21 000 Kollegen in der Stadt sind etwa vier Prozent männlich.

„Jungen und junge Männer kommen oft gar nicht auf die Idee, sich jenseits der technischen Berufe nach Ausbildungsmöglichkeiten umzusehen“, sagt Heiko Rolfes vom Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf, das dieses Jahr zum zweiten Mal parallel zum bundesweiten Girls’ Day den Berliner Boys’ Day organisiert – und damit als einziger Bezirk an der bundesweiten Aktion teilnimmt. Während Mädchen am 23. April durch Schnupperpraktika Einblicke in technische Berufe gewinnen, sollen Jungs nun „männeruntypische“ Berufe jenseits von Feuerwehrmann oder Ingenieur kennen- lernen – Sekretär oder Erzieher beispielsweise. „Die Nachfrage nach den Plätzen ist bereits größer als das Angebot“, sagt Rolfes.

Als Koschare seine Lehre begann, gab es noch keine Schnupperpraktika. „Mir war klar, dass ich etwas Juristisches lernen will, und Rechtsanwaltsgehilfe ist doch eine grundsolide Ausbildung“, sagt der heute 33-Jährige. Vorurteile haben ihn nie gekümmert. Dass er einer der wenigen Männer in seinem Beruf sein würde, war ihm von vornherein klar. „Spätestens seit dem ersten Berufsschultag“, sagt er lachend. Da saß er plötzlich mit 20 Mädchen in einer Klasse.

Zu seinem Arbeitsalltag gehört die Büroorganisation. Er ist für Telefon und Post zuständig und dafür verantwortlich, Widersprüche oder Mahnbescheide rechtzeitig abzuschicken. Manchmal bereitet er auch Zwangsvollstreckungen vor.

Vor ein paar Jahren hat sich Koschare zum Bürovorsteher fortgebildet. Damit ist meist auch ein Gehaltsanstieg verbunden. Im Schnitt verdienen Rechtsanwaltsfachangestellte als Berufseinsteiger rund 1600 Euro brutto, je nach Erfahrung und Fortbildung kann das Gehalt auf rund 3000 Euro steigen.

DER ERZIEHER

Daran, dass er fast nur mit Kolleginnen zusammenarbeitet, hat sich der Erzieher Christian Kuhle schnell gewöhnt. Er ist neben 22 Frauen der einzige Mann im Kreuzberger Ina-Kindergarten. Das ist etwa Berliner Durchschnitt. Weniger als jeder 25. Erzieher in der Stadt, der Kinder bis zu sechs Jahren betreut, ist männlich.

„Ich bin hier voll integriert“, sagt der Exot und bezieht das sowohl auf die Kolleginnen als auch auf die Eltern und die Kinder. Bei den Jüngsten ist er ganz offensichtlich sehr beliebt. Die vier- und fünfjährigen Jungen und Mädchen suchen den Kontakt. Sie erzählen ihm vom Spielen im Garten oder setzen sich auf seinen Schoß und kuscheln.

Kuhles Entscheidung, im Kindergarten zu arbeiten, kam eher spät: Der 31-Jährige war acht Jahre lang Fernmeldeaufklärer bei der Bundeswehr. Um mit Jugendlichen zu arbeiten, begann er dort auch die Ausbildung zum Erzieher. Bei einem Praktikum im Kindergarten fühlte er sich jedoch so wohl, dass er die Richtung änderte. „Vor allem die Frauen im Freundeskreis waren begeistert“, erzählt er. Auch das eher niedrige Gehalt hat ihn nicht abgehalten. Im Schnitt erhält ein Erzieher rund 1600 Euro brutto im Monat.

Ganz selbstverständlich sitzt Kuhle, der selbst auch Kinder möchte, auf kleinen Stühlen und kniet hinter dem Puppentheater. Schon während der Ausbildung hat er sich damit auseinandergesetzt, eine Ausnahme in seinem Beruf zu sein: Seine Facharbeit schrieb er über Identifikationsmöglichkeiten von Jungen in Kindertagesstätten.

Kuhle übernimmt alle Aufgaben, für die auch seine Kolleginnen zuständig sind: Er wickelt die ganz Kleinen, spielt mit den Kindern, deckt den Tisch. Zugleich bringt er neue Ideen ein: Demnächst soll etwa eine Technikecke eingerichtet werden, in der die Kinder zum Beispiel an alten Fernsehgeräten schrauben können. Mit seinem Vorschlag habe er offene Türen eingerannt.

Männliche Erzieher sind mittlerweile sehr gern gesehen und politisch gewollt, sagt der Wissenschaftler Jens Krabel, der zum Thema Männer als Erzieher forscht. Noch immer aber müssten Vorurteile abgebaut werden: „Männern wird zum Teil die Kompetenz abgesprochen, genauso gut mit Kindern umgehen zu können wie Frauen.“ Wenn von Missbrauchsfällen berichtet werde, müssten sich Männer manchmal sogar gegen eine Art „Generalverdacht“ wehren. Christian Kuhle ist das zum Glück noch nicht passiert.

DER ARZTHELFER

Ganz so heikel sind die Vorurteile, mit denen Arzthelfer Tibor Simon umgehen musste, nicht. „Mir sind früher schon Frauen im Beruf begegnet, die der Meinung waren, Arzthelfer sei kein Beruf für Männer“, sagt der 28-Jährige. „Da darf man sich eben nicht unterkriegen lassen.“ Im Großen und Ganzen sei die Zusammenarbeit mit den weiblichen Kollegen aber gleichberechtigt und sehr gut. Hin und wieder übernehme er auch typische „Männeraufgaben“ – wenn etwa mit dem Computer etwas nicht stimmt, werde er häufig um Hilfe gefragt.

Seit eineinhalb Jahren arbeitet Simon in einer Praxis in Mitte, gerade belegt er eine Fortbildung zum Praxismanager. Die Patienten wunderten sich zwar manchmal, dass ihnen keine Frau Blut abnimmt: „Aber mir wird viel Vertrauen entgegen- gebracht.“ Ein hohes Gehalt bekommt er für seine Arbeit nicht. Laut Bundestarif erhält ein Arzthelfer in den ersten drei Jahren rund 1400 Euro brutto im Monat.

Doch das ist ja nicht alles. Das Schöne an seinem Beruf sei, abends mit dem Gefühl nach Hause zu gehen, Menschen geholfen zu haben. Und auch, wenn momentan nur weniger als vier Prozent der Berliner Sprechstundenhilfen Männer sind: Tibor Simon sagt, der Job sei auch für Männer stark im Kommen. In der Praxis in Mitte sind sie immerhin schon zu zweit.

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