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Geisteswissenschaftler: Bestens im Bilde

Geistes- und Sozialwissenschaftler konkurrieren bei Stellenausschreibungen auch mit Betriebswirten. Eine Weiterbildung nach dem Studium in Technik oder Wirtschaft kann sich bei der Jobsuche auszahlen.

Juliane H. dachte eigentlich, sie hätte alles richtig gemacht. Nach dem Abitur schrieb sich die Berlinerin für eine Fächerkombination ein, die sie schon in der Schule interessierte: Geschichte, Soziologie und französische Literatur. Ihr Studium absolvierte sie zügig und mit sehr guten Noten, inklusive eines Auslandssemesters in Marseille. Nach ihrem Abschluss wollte die 26-Jährige beruflich durchstarten, am liebsten im Kulturmanagement. Doch sie merkte schnell, dass ihr Profil kaum bei den Arbeitgebern ankam. Um die wenigen Stellen konkurrierte sie nicht nur mit anderen Geisteswissenschaftlern, sondern sogar mit Betriebswirten. Die hatten ihr im Bereich Management einiges voraus. Langsam kamen Juliane H. Zweifel: Hatte sie doch das Falsche studiert?

Eine Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey und des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ ergab, dass Berufseinsteiger aus den Geisteswissenschaften mit besonders langen Zeiten der Jobsuche und niedrigen Einstiegsgehältern rechnen müssen. Mit einem Studium, das sehr praxisnah ist und Ähnlichkeiten mit einer Berufsausbildung hat – etwa Elektrotechnik oder Medizin – ist es in der Regel einfacher, rasch ins Berufsleben einzusteigen, ergab die Umfrage, an der sich rund 25 000 Hochschulabsolventen beteiligt hatten.

Klar ist: Ein geisteswissenschaftliches Studium läuft nicht auf ein eindeutiges Berufsbild hinaus. Der Vorteil ist, dass den Absolventen dadurch viele Wege offenstehen. Der Nachteil eines nicht so spezialisierten Profils: Gerade in konjunkturell schlechten Zeiten neigen Arbeitgeber dazu, Stellen möglichst passgenau zu besetzen, da sie aus einem großen Bewerberpool schöpfen können.

Experten raten daher, sich schon während des Studiums mit möglichen künftigen Arbeitsfeldern auseinanderzusetzen und sich zu informieren, welche zusätzlichen Fähigkeiten dort gefordert sind. Spätestens kurz nach dem Abschluss sollten sich Akademiker klar darüber sein, in welche Richtung es beruflich gehen soll, wo die eigenen Stärken liegen und welche Wissenslücken sie eventuell noch mit einer Weiterbildung füllen könnten.

Dabei helfen ihnen zum Beispiel die Career Center der Berliner Universitäten. Neben Unterricht in Rhetorik oder Präsentationstechniken werden wirtschaftliche Grundkenntnisse vermittelt. Denn gerade in diesem Bereich kennen sich viele Geistes- und Sozialwissenschaftler kaum aus. Dabei werden diese Fähigkeiten für bestimmte Posten vorausgesetzt.

„Auch ein Sozialwissenschaftler sollte wissen, wie eine Unternehmensbilanz zu lesen ist“, sagt Rosemarie Schwartz-Jaroß, Referatsleiterin des Career Centers der Humboldt Universität. Ein Berater der Agentur für Arbeit Berlin-Nord stimmt zu: Wer als Geisteswissenschaftler etwa ins Kultur- oder Eventmanagement gehen will, brauche Kenntnisse in Finanzierung und Controlling.

In Berlin bieten mehrere Träger Kurse in Betriebswirtschaft an, zum Beispiel die Business Trends Academy (BTA). In dem 20 Tage dauernden Seminar „Controlling und Finanzmanagement“ sollen grundlegende betriebswirtschaftliche Kenntnisse vermittelt werden, etwa Finanzmathematik, Bilanzanalyse, Gewinn- und Verlustrechnung. „Danach ist man natürlich noch kein Controller, aber man versteht wichtige Begriffe und kann in Verhandlungen mitreden“, sagt Geschäftsführerin Gabriele Fleischmann-Hahn. In ihren Seminaren säßen oft Geistes- und Sozialwissenschaftler, die beispielsweise als Projektmanager in einer Entwicklungshilfeorganisation arbeiten möchten und merken, dass ihnen dafür wichtige Fachkenntnisse fehlen.

„BWL für Geisteswissenschaftler“ nennt sich ein Fernlehrgang, der vom Bildungsträger Bega Tools & Training angeboten wird. Er kostet ab 390 Euro und dauert drei bis fünf Monate. Am Ende erhält der Absolvent ein Zertifikat der Universität Augsburg, die mit dem Anbieter kooperiert.

Doch nicht nur in Betriebswirtschaft, auch im Bereich Internettechnologien und Multimedia kann sich eine Weiterbildung für Geistes- und Sozialwissenschaftler lohnen – vor allem für Absolventen, die den Einstieg in die Medienbranche schaffen wollen. Von Vorteil könnten Kenntnisse über Webseitenprogrammierung sein: Eine Weiterbildung zum „Multimedia Developer“ bietet etwa die Cimdata.de Medienakademie Berlin an. Zum Lerninhalt gehören unter anderem verschiedene Programmier- und Skriptsprachen, 3D-Animation und Bildbearbeitung. Je nach Vorbildung dauert der Kurs bis zu zwölf Monate.

„Zusatzqualifikationen spielen sicher eine große Rolle, doch wichtiger ist es, zuerst einmal praktische Berufserfahrungen zu sammeln“, sagt Ralf Beckmann, Arbeitsmarktexperte bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Denn praxisbezogene Erfahrungen seien für viele Arbeitgeber das A und O. Aufgrund der Theorieorientierung der geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengänge kommen diese häufig zu kurz. „Wer dann zum Beispiel im Praktikum merkt, dass ihm notwendige IT-Kenntnisse fehlen, kann diese immer noch zielgerichtet nachholen“, sagt er. Länger als zwei bis sechs Monate solle eine Weiterbildungsmaßnahme nach dem Studium jedoch nicht dauern.

Eine gute Nachricht für die Hauptstadt: Nach Einschätzung einiger Berliner Arbeitsmarktexperten erholen sich Branchen, in denen typischerweise Geistes- und Sozialwissenschaftler arbeiten, zurzeit wieder. Der Tiefpunkt im Bereich Kultur und Medien, so scheint es, ist durchschritten, es geht wieder aufwärts.

Sina Tschacher

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