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KUNST UND KARRIERE Was man braucht, um erfolgreich zu sein: Gut und teuer

Bildende Künstler in Berlin haben im Schnitt ein Einkommen von nicht mehr als 650 Euro im Monat. Doch Kunst muss nicht immer brotlos sein. Drei Erfolgsgeschichten über Menschen, die damit auch Geld verdienen

Berlin ist die Stadt der Gegenwartskunst. Es gibt die Berlin-Biennale, die in diesem Jahr zum fünften Mal stattfindet und noch bis zum 15. Juni die Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern aus aller Welt zeigt. Im Herbst lädt das Art Forum in die Messehallen. Regelmäßig finden Galerienrundgänge statt. Mehr als 5000 Künstler haben sich an der Spree ihr Atelier eingerichtet. Etwa 400 Galerien gibt es in der Stadt, vor fünf Jahren waren es weniger als 100. Und: Die Preise für Kunst schnellen in die Höhe. Für Bilder der angesagten Neuen Leipziger Schule etwa muss man mehrere zehntausend Euro auf den Tisch legen.

Auf dem Konto vieler Kreativer kommt von dem Boom allerdings nichts an. „Nur einige wenige profitieren davon“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Berufsverbandes Bildender Künstler, Bernhard Kotowski. Ein Künstler in Berlin verdient im Schnitt 650 Euro im Monat. Doch Kunst muss nicht immer auch brotlos sein. Drei Erfolgsgeschichten zeigen, wie man auch hier Karriere machen kann.

DER GALERIST

Als er noch keine 20 war, hat sich Matthias Arndt vorgestellt, wie es wäre, Galerist zu sein. Er würde morgens die Galerie aufschließen, den ganzen Tag mit einem aufgeschlagenen Buch zwischen auserwählter Kunst sitzen und kurz aufschauen, wenn die Klingel über der Tür Besucher ankündigt. „Klingt romantisch, oder?“, sagt er. Romantisch vielleicht, vor allem aber realitätsfern.

Gestern Indien, heute Berlin, morgen New York, so sieht sein Leben als Galerist aus. An 20 Tagen im Monat tourt er durch die Welt, schläft im Hotel, koordiniert aus der Ferne das Geschäft. Er besucht Künstler und Sammler, nimmt an Empfängen teil und Vernissagen und – geht alles gut – verkauft er auch Kunst.

Matthias Arndt ist Chef von Arndt & Partner, einer der größten zeitgenössischen Galerien in Berlin. Er betreibt eine Dependance in Zürich und seit ein paar Jahren Repräsentanzen in New York und Peking. 28 Künstler hat er unter Vertrag, darunter Sophie Calle, Anton Henning und Thomas Hirschhorn. Er organisiert um die 20 Ausstellungen im Jahr und eine handvoll internationale Messeauftritte. Der mehrfache Studienabbrecher Arndt hat es zu einem Galeristen gebracht, der sogar im indischen Mumbai auf seine Arbeit angesprochen wird.

Nachts liegt er oft grübelnd wach. Wie kann er seine Künstler besser fördern? Welche Messen kann er sich leisten? Wie Sammler finden, die sich für seine Künstler interessieren? „Der Druck ist groß“, sagt er, „die Konkurrenz in Berlin rasant gewachsen“. 1994 hat er Arndt & Partner gegründet. Es hat lange gedauert, bis die Galerie schwarze Zahlen schrieb. In den ersten Jahren musste er sich sein Geld als Kunstvermittler verdienen. Als Arndt & Partner zum ersten Mal zur Art Basel zugelassen wurde, konzentrierte er sich ganz auf die Kunst.

Arndt verdient 50 Prozent des Verkaufspreises eines Werkes. Theoretisch. „Praktisch sind es vielleicht zehn Prozent“, schätzt er. Das übrige Geld gehe für Akquise, Reisen, Investitionen und Ausstellungskosten drauf. Trotzdem kann er inzwischen gut von seiner Arbeit leben. Er beschäftigt 25 Mitarbeiter. Die Kunst, die er verkauft, kostet zwischen 1000 und eine Million Euro.

„Als Galerist muss man offen sein und Bestehendes anzweifeln“, sagt er. Man muss sich in der Szene auskennen und ein Gespür für Künstler haben, die fundamental für ihre Zeit sind. Außerdem ist auf dem Kunstmarkt Kommunikationsfähigkeit gefragt und wirtschaftliches Denken. „Es ist ein großes Missverständnis, wenn man glaubt, dass ein Galerist kein Unternehmer sein muss“, sagt Arndt. Er selbst hat nach der Schule Bankkaufmann gelernt. Heute profitiert er davon.

Nicht immer sah es so aus, als würde er einmal Erfolg haben. Seine „Test-Galerie“ in Kassel musste er nach einem Jahr schließen. „Falscher Ort, falsche Zeit“, sagt er heute. Er arbeitete danach in anderen Galerien mit, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie es funktionieren kann. Das empfiehlt er jedem Anfänger, bevor er selbst gründet.

Nicht nur seine Kunden, auch die Künstler muss er gut umsorgen. Er besucht sie, schreibt Mails, ruft sie an. Die Galerie hilft bei Bankkontakten oder der Atelierorganisation. „Die Künstler haben den härtesten Job“, sagt er.

DIE KÜNSTLERIN

Sie hat schnell begriffen, dass es keinen Sinn macht, in einer Kleinstadt in Alaska zu sitzen und darauf zu warten, dass Ihre Bilder entdeckt werden. In ihrer Heimat hat sich Marisa Favretto zwar schnell einen Namen gemacht, in einer Galerie und sogar in einem Museum wurden ihre metaphorischen Tierbilder gezeigt. „Aber das war dann auch alles. Mehr ist nicht passiert“, sagt die 34-Jährige. In Alaska ist zeitgenössische Kunst weit weg, Biennalen, Dokumenta, Ausstellungen sind unerreichbar. Sie packte ihre Koffer und ging nach Europa. Das hat ihr Leben verändert.

Marisa Favretto kehrte Alaska nicht zum ersten Mal den Rücken. Sie absolvierte in Eugene in den USA ihren Bachelor of Arts. Mit 19 studierte sie am Art-Institute in Florenz Malerei und Zeichnung. Nun bewarb sie sich beim Goldsmiths-College in London – und gehörte zu den wenigen Auserwählten, die für das Masterstudium der Bildenden Künste angenommen wurden. „Das war ein entscheidender Schritt in meinem Leben“, sagt sie. Plötzlich fand sie sich dort, wohin es sie immer gezogen hatte: inmitten zeitgenössischer Kunst. Sie begegnete beeindruckenden Professoren, knüpfte Kontakte zu jungen Kunstschaffenden und Kuratoren. „Künstler kann man nicht alleine sein”, sagt sie.

Heute lebt und arbeitet Marisa Favretto in Kreuzberg. Sie steht bei Upstairs unter Vertrag: Über eine Kurator in London kam sie in Kontakt mit der Berliner Galerie. In einer Gemeinschaftsausstellung war sie Anfang 2006 zum ersten Mal bei Upstairs zu sehen. Gerade läuft dort ihre erste Einzelschau „At Gaze“. Und es geht weiter voran: Vor kurzem wurde bekannt, dass der europäische Kunstpreis Guasch in diesem Jahr an sie geht.

Die Künstlerin ist nicht nur dabei, europaweit bekannt zu werden, sie verdient auch endlich Geld. Mit 20 000 Euro ist der Künstlerpreis dotiert. Ihre Bilder kosten heute 1000 bis 14 000 Euro. Bisher musste sie sich ihren Lebensunterhalt oft als Kunstlehrerin verdienen. Das Master-Studium unterstützten die Eltern.

Ihrem Job als Lehrerin aber verdankt sie, dass sie nicht mehr zehn Bilder anfangen muss, um ein einziges fertig zu stellen. Durch das Unterrichten habe sie gelernt zu strukturieren und klarer zu denken. Das prägt auch ihre Kunst.

Den größten Teil ihres Lebens verbringt Marisa Favretto in ihrem Atelier. Sie streift sich den Kittel über, stellt die Staffelei unters Fenster und bringt mystische Hirsche, Hasen, Wölfe oder Katzen auf die Leinwand. „Kunst hilft mir, die Welt zu verstehen“, sagt sie.

DER KURATOR

Marius Babias hat nie davon geträumt, Kurator zu werden. „Das hat sich so ergeben“, sagt er. „Ich hätte aber genauso gut Kunst-Professor werden können oder vielleicht sogar etwas ganz anderes.“ Doch der Literatur- und Politikwissenschaftler, der 1962 in Rumänien geboren wurde, fährt ganz gut mit der Kunst.

Fast zehn Jahre hat er als Kunstkritiker gearbeitet, er war lange Kulturredakteur bei der Stadtillustrierten Zitty. Er hat Ausstellungen und Biennalen im In- und Ausland kuratiert. Seit fünf Monaten ist Babias Direktor des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) – und verantwortlich für die Bilderschauen der Institution.

Er sitzt in seinem hellen Büro in der Chausseestraße. Seinen Anspruch formuliert er zwischen zwei Zügen an einer Zigarette: „Als Kurator versuche ich, ein Seismograph zu sein für große, gesellschaftliche Entwicklungen“, sagt er. Diese Entwicklungen will er in Kunst anschaulich machen, und damit eine Grundlage schaffen für einen politischen Diskurs.

Babias versteht sich nicht nur als Themengeber, sondern als eine Art Ko-Produzent. Hand in Hand arbeite er mit den für die Schau ausgewählten Künstlern an der Entwicklung und Umsetzung von Ideen. Die Kunst, die ab Juli in den renovierten Ausstellungsräumen des n.b.k. zu sehen ist, wird in der Regel nur eigens für die Präsentationen produzierte Arbeiten zeigen.

„Ein Kurator ist nicht nur jemand, der schöne Ideen im Schloss Oberammergau entwickelt“, sagt Babias. Er muss sich auch die Hände schmutzig machen und Nägel in die Wand bohren, Kalkulationen berechnen, Kunst vermitteln und mit Künstlern kommunizieren können.

Nicht alle Kuratoren arbeiten indes wie der n.b.k.-Direktor. Je nach Auftraggeber und Thema greifen sie auch auf vorhandene Arbeiten zurück. Kuratoren betreuen private Sammlungen, sie arbeiten in Museen und Galerien oder als Wissenschaftler an Hochschulen.

Für Babias hat sich die Arbeit mit der Kunst auch finanziell immer getragen. Nur während des Studiums musste er mit einem Lkw Ketchupflaschen durch die Gegend fahren, um seine Miete zahlen zu können. Danach hat das Geld immer gereicht. Er musste sich selten um Projekte bewerben, sie wurden an ihn herangetragen. Er war Gastdozent an Hochschulen, nahm an Symposien und Konferenzen teil, schrieb Texte für Ausstellungskataloge und Bücher. Unter Preis hat er sich nie verkauft, auch zu Beginn seiner Karriere nicht: „Wenn man mich zu einem Vortrag einlädt und das angemessene Honorar nicht akzeptiert, sage ich ab. Lohn-Dumping und Selbstausbeutung lehne ich ab“, sagt er.

„Zu den besten Momenten meiner Arbeit zählt der Augenblick, wenn die Kunst endlich fertig im Raum hängt und eine gesellschaftliche Frage ohne Kompromisse Gestalt angenommen hat“, sagt Babias. Dann kann die Vernissage beginnen. Und mit ihr die Diskussion.

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