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Jobs & Karriere: Kein Knochenjob mehr

Rund 3000 Azubis bundesweit starten in jedem Jahr im Fleischerhandwerk ihre Lehre. Es könnten 1500 mehr sein. Aber das schlechte Image schreckt viele Jugendliche ab

Fleischer, Schlachter oder Metzger – die Berufsbezeichnungen sind regional unterschiedlich. Die Branche bietet gute Berufschancen. Und viele Lehrstellen bleiben sogar unbesetzt, auch weil Schulabgänger sich nicht gerade um sie schlagen.

„Fleischer, das klingt in der Sprache der Jugendlichen einfach zu wenig sexy“, sagt Andreas Pieper, Sprecher des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. Schulabgänger läsen Berufsbezeichnungen wie Hinweisschilder. „Was nicht sofort interessant klingt, fällt durch.“ Und damit werden unter Umständen handfeste Berufschancen vergeben, wie sie zum Beispiel der Fleischerberuf bietet: Rund 3000 Lehrlinge starten Jahr für Jahr ihre Ausbildung in einem der 5000 Ausbildungsbetriebe, so das Statistische Bundesamt. Aber es könnten 1500 Ausbildungsbetriebe und mindestens ebenso viele Plätze mehr sein, ergab eine Umfrage der „Allgemeinen Fleischer Zeitung afz“: „Im Jahr 2006 gab es 6500 ausbildungswillige Betriebe, aber 40 Prozent davon hatten zur Zeit der Umfrage im Juni noch keine geeigneten Bewerber gefunden“, erklärt „afz“-Projektleiter Jörg Ulrich Schiffeler.

Bei Schiffeler steht „Diplomingenieur Lebensmitteltechnologie“ auf der Visitenkarte. Angefangen hat der heutige Marketingleiter beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main allerdings vor über 15 Jahren als Fleischerlehrling: „Ich wollte etwas Praktisches machen.“ Vor den Eltern musste sich der Abiturient nicht rechtfertigen, die hatten eine Metzgerei, wohl aber vor Lehrern und Mitschülern.

Um Vorurteilen entgegenzuwirken setzt das Fleischerhandwerk auf ein neues Image und Aufklärung. Denn: Der Fleischerberuf hat sich erheblich gewandelt. Dass er nur noch wenig mit der körperlich harten, blutigen Arbeit zu Großvaters Zeiten zu tun hat, versucht der Deutsche Fleischerverband in Frankfurt den heutigen Jugendlichen nahe zu bringen: Die bundesweite Aktion „Going Future“ zeigt sauber gekleidete junge Leute, die im Partyservice ihre Kreativität ausleben, hochmoderne Maschinen steuern oder die Tagesproduktion ständig neuer Wurstsorten planen und koordinieren.

Wie Schiffeler von der Fleischer-Zeitung gehört auch Mike Griesch zum Typ „Stratege“, der im Fleischerhandwerk Karriere machen will. Der 23-Jährige absolviert parallel zur Fleischerlehre ein betriebswirtschaftliches Studium an der Berufsakademie Hamburg. Zum Ausbildungsalltag gehöre die Produktion und das Verfeinern von Wurstsorten sowie das Zerlegen des Frischfleisches: „Ich betrachte das als Ware, nicht als totes Tier“, sagt Griesch. Selbst geschlachtet oder dabei zugesehen hat Mike noch nicht. Aber das will der Azubi nachholen: „Das gehört ja zum Produktionsprozess dazu.“ In der Praxis ist aber eher Arbeitsteilung das Motto der Branche: Schlachten ist nur einer von sechs Ausbildungsschwerpunkten, zu denen auch die Herstellung von Gerichten, der Veranstaltungsservice oder die Produktverpackung zählen.

Die Lehrlinge wählen zwei Schwerpunkte und darunter immer seltener das Schlachten, sagt Michael Durst, Landungsinnungsmeister in Hamburg und Mikes Arbeitgeber. Das sei für eine Fleischerei, die im Norden Schlachterei heißt, auch nicht mehr so wichtig, schon gar nicht in Großstädten: „Hamburg hat ja keinen eigenen Schlachthof mehr.“

In der Kundenberatung und im Catering sieht das Präsidiumsmitglied im Deutschen Fleischer-Verband die Zukunft der Branche. „Wir haben eine Chance, uns von der Anonymität der Supermärkte abzusetzen.“ Mit Beratung, Qualität und passenden Kochrezepten sei das möglich. Das aber setze eine höhere Qualifikation der Beschäftigten voraus. Noch hat Michael Durst nicht mit den Problemen vieler ländlicher Betriebe zu kämpfen und kann sich unter vielen Bewerbern die besten heraussuchen. Aber der Wettbewerb um Nachwuchskräfte wird härter.

Im Interesse von Betrieb und Azubi rät der Innungsmeister zu einem Praktikum. „Manche Schulabgänger haben doch ganz falsche Vorstellungen.“ Vielleicht ändert sich das ja, sollte sich die Branche zur Umbenennung der Berufsbezeichnung entschließen – Fachberater für Ernährung und Feinkost wäre eine Möglichkeit oder Verfahrenstechniker für Fleischprodukte. Das hört sich ganz anders an. dpa

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