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Wohin die Reise geht sollten Absolventen schon wissen, bevor sie ihrem Beruf den Rücken kehren. Oft können Hobbys oder persönliche Interessen den Weg weisen. Und mit etwas Glück trifft man mutige Personaler, die Umsteigern eine Chance geben.Foto: picture-alliance/Cultura RM

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Tipps für Quereinsteiger: Manchmal muss man die Koffer packen

Wer merkt, dass er mit seinem Studienfach nicht glücklich wird, sollte bewusst die Weichen stellen – Tipps für Quereinsteiger.

Geradlinige Karrieren und Lebensläufe sind heutzutage selten geworden. Die Zahl derer, die sich beruflich um- oder sogar vollkommen neu orientieren, nimmt stetig zu. Wer am Ende seines Studiums feststellt, dass er den ursprünglich angestrebten Beruf gar nicht ausüben will, sollte sich genau überlegen, wo die Reise stattdessen hingehen soll. Der Quereinstieg ist nicht unmöglich – aber erfordert eine sorgfältige Prüfung: Was weiß ich über den Wunschberuf? Welche formalen Voraussetzungen werden gefordert? Welche im Studium erlernten Fähigkeiten oder Fakten können mir nützlich sein? Was sind meine Stärken? Und warum will ich überhaupt den Beruf wechseln?

Wer als Quereinsteiger Personalverantwortliche überzeugen will, muss sich stärker ins Zeug legen als Normalbewerber. „Personaler treffen gerne eine sichere Entscheidung“, sagt Carolin Lüdemann, Business-Coach und Buchautorin. Der Grund dafür ist einleuchtend: „Sollte es mit einem fachfremden Quereinsteiger schief gehen, ist das schwieriger zu erklären, als wenn es mit einem Normalkandidaten nicht klappt.“

Den Mut, fachfremde Bewerber einzustellen, haben daher nicht alle. Dennoch gibt es Branchen, in denen das längst zur Normalität geworden ist, etwa im Bereich IT. Und in einigen Unternehmen sind Quereinsteiger sogar gerade wegen ihres speziellen Wissens gefragt: So stellen beispielsweise Unternehmensberatungen gerne wirtschaftsaffine Geistes- und Sozialwissenschaftler, Ingenieure oder Mediziner ein. Denn ihr Fachwissen ist in vielen Fällen eine willkommene Bereicherung – um nicht zu sagen, die Basis für eine erfolgreiche Berater-Karriere.

„Quereinsteiger haben überall da gute Chancen, wo man Generalisten einsetzten kann“, so Lüdemann, „insbesondere dann, wenn sie ein hohes Maß an Selbstorganisation und Methodenkompetenz mitbringen und zusätzlich spezielles Know-How erworben haben.“ Das könnten zum Beispiel auch sehr gute Sprachkenntnisse, vor allem in exotischen Sprachen, sein. Manchmal sei es auch möglich, als Quereinsteiger mit der Kombination Studium-Hobby eine interessante Nische zu besetzen. Ein Beispiel wäre etwa die kletterbegeisterte Psychologin, die als Personaltrainerin Teambuilding-Workshops im Hochseilgarten anbietet. Oder aber der Betriebswirt, der es mit seinem ehrenamtlichen Engagement für den Naturschutz in die Marketing-Abteilung eines Umweltverbandes geschafft hat.

„Man muss genau hinschauen und seine Stärken einsetzen“, sagt Carolin Lüdemann. Es sei wichtig, dass man sich für einen Beruf entscheidet, der den eigenen Fähigkeiten und persönlichen Interessen entspricht. „Wer sich aus der Not heraus umorientiert, tut sich in der Regel schwer“. Die Trainerin rät daher allen potenziellen Umsteigern, sich ganz konkrete Gedanken über ihre Zukunft zu machen, die bis ins Detail gehen sollten: Wie sieht mein Arbeitsplatz aus? Welche Kleidung trage ich? Habe ich eine Führungsposition inne? Arbeite ich in einem großen oder kleinen Unternehmen? Wie lebe ich? Nur dann komme man zu der richtigen Entscheidung und nur dann könne man skeptische Personaler überzeugen.

Lüdemann räumt aber auch mit der Illusion auf, mit dem richtigen Engagement sei „alles möglich“. Denn manchmal seien gewisse formale Voraussetzungen einfach unerlässlich. So wird zwar in nahezu allen Bundesländern der Lehrermangel beklagt wird – besonders in den sogenannten MINT-Fächern, also in Mathematik und den Naturwissenschaften. Doch über Nacht wird eben kein Diplom-Physiker zum Physiklehrer. Die notwendige Praxis muss erst nachgeholt werden. Auch ist nicht zu erwarten, dass jemand ohne ingenieurwissenschaftliches Studium plötzlich Produktentwickler in der Automobilbranche wird – Fachkräftemangel hin oder her.

Obwohl Quereinstiege heute auch in Deutschland keine Seltenheit mehr sind: So verbreitet wie in angelsächsischen Ländern sind sie bei weitem noch nicht. Die dort herrschende Überzeugung, dass man Wissen jeder Art auch „on the job“ erlernen kann, hat sich bei uns noch nicht durchgesetzt. Einzelne Institutionen wagen allerdings Vorstöße. So qualifiziert die Lufthansa schon seit über zehn Jahren Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaftler mit ihrer Initiative „Join Our Practice Program“ und bildet sie so für betriebswirtschaftliche Unternehmensbereiche aus. Und die Frankfurt School of Finance and Banking bietet den Kurs „Banking für Quereinsteiger“ an, um Mitarbeiter ohne einschlägige Ausbildung für eine Tätigkeit in der Finanzwelt fit zu machen.

Die meisten Jobbörsen haben sich allerdings noch nicht auf Quereinsteiger eingestellt. Diese Marktlücke entdeckte Peer Bieber und startete vor wenigen Wochen das Portal Talentfrogs: Hier sucht man nicht nach Jobbeschreibung oder Branche, sondern nach Talent. Bieber selbst war lange als Manager im In- und Ausland für ein großes deutsches Unternehmen tätig. Seiner Ansicht nach werden hierzulande wertvolle Talente vergeudet, weil es zu viele formale Hürden gibt. „Ich würde gerne ein Umdenken starten“, sagt er und ist überzeugt, dass viele Berufe nicht so fachgebunden sind, wie sie nach außen hin wirken.

„In den oberen Managementetagen ist es normal, fachfremde Führungskräfte einzustellen. Auf den unteren Ebenen aber nicht“, beklagt Bieber. Natürlich seien branchenunabhängige Fähigkeiten wie Persönlichkeit und Führungsstil umso wichtiger, je höher ein Job angesiedelt sei. Doch auch in allen übrigen Bereichen seien letztlich die richtigen Talente entscheidend. „Vieles andere kann man ,on the job‘ lernen.“

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