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Jobs & Karriere: Mehr als Kisten stapeln

Die Logistik-Branche wächst seit Jahren rasant. Absolventen haben die besten Chancen: Es winken spannende Karrieren

Im Studium traf Nicolaj Meißner eine Entscheidung. Der BWL-Student wollte sich nicht wie so viele seiner Kommilitonen auf Fächer wie Unternehmensführung, Marketing oder Finanzen spezialisieren. Meißner informierte sich, in welchen Bereichen er nach dem Diplom gute Chancen haben würde. Er entschied sich für Logistik: „Ich habe gemerkt, dass die Branche stark wächst und dass dort die Aussicht, eine feste Anstellung zu bekommen, relativ groß ist.“ Im Nachhinein war es die richtige Entscheidung, Meißner hat gleich nach dem Studium einen Job bekommen und arbeitet heute bei der Weiling GmbH, einem Großhändler für Biolebensmittel und Naturkost.

Die deutsche Logistik boomt. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) schätzt, dass der Umsatz der Branche in diesem Jahr um fünf Prozent steigt – dann kämen die Unternehmen auf einen Umsatz von etwa 180 Milliarden Euro. Jeden Tag sind in Deutschland über zwei Millionen Fahrzeuge – Lkw, Züge oder Schiffe – für Transporte und Lieferungen unterwegs. Und irgendjemand muss ja all diese Fahrten planen. Zum Boom beigetragen hat das Outsourcing: Der Anteil der logistischen Aufgaben, die Industrie und Handel an Dienstleister vergeben, beträgt heute im Schnitt schon 32 Prozent. Dementsprechend brauchen die Unternehmen Personal.

Welche Bedeutung der Wirtschaftszweig Logistik inzwischen einnimmt, machte zuletzt die Tarifauseinandersetzung zwischen Lokführern und Deutscher Bahn deutlich. Waren, Dienstleistungen und Informationen entstehen heute zig Kilometer voneinander entfernt und müssen minutengenau aufeinandertreffen. In Autofabriken müssen alle Teile genau dann ankommen, wenn die Mechaniker das Fahrzeug zusammenschrauben.

Logistiker, auch Supply-Chain-Manager genannt, entwickeln präzise Lieferketten, die das ermöglichen. Sie managen den Takt der Globalisierung. Zusammen mit IT-Fachleuten und moderner Technik planen sie jede Bewegung eines Produkts von der Entstehung über die Weiterverarbeitung bis zum Verbraucher – oft weit über Unternehmensgrenzen hinaus. In den vergangenen Jahren hat sich die Logistik zu einer strategisch bedeutsamen Disziplin entwickelt. Gute Logistik bietet zahlreiche Wettbewerbsvorteile. Bereits heute, schätzt der Wirtschaftsdienst Hoppenstedt, arbeiten 2,5 Millionen Menschen in der Branche. In den kommenden Jahren soll die Zahl der Logistik-Mitarbeiter noch einmal um fünf Prozent zulegen. Beispiel Deutsche Post: Für ihre Tochterfirma DHL suchen die Bonner derzeit Akademiker mit Logistik-Schwerpunkt. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen etwa 50 Leute eingestellt, in diesem Jahr werden es zwischen 50 und 60 sein – inklusive der Trainee-Programme. Bewerber sollten einen guten Universitätsabschluss, fließendes Englisch, Auslandserfahrung und starke kommunikative Fähigkeiten mitbringen. Auch die Deutsche Bahn sucht Akademiker für ihre Töchter Railion, Stinnes und Schenker.

Mit den Einsatzmöglichkeiten sind die Anforderungen gestiegen: Logistiker arbeiten in der industriellen Produktionsplanung, Ersatzteilversorgung oder bei Logistik-Dienstleistern. Dementsprechend brauchen die Unternehmen auch immer mehr Akademiker. Die TU Berlin schätzt, dass die Logistik jährlich 12 000 Fachkräfte braucht. „Die Logistik benötigt aber einen Akademikeranteil von 20 bis 25 Prozent“, sagt der Berliner Logistik-Professor Frank Straube. Davon ist die Branche mit 17,5 Prozent noch weit entfernt. Aber: „Die Nachfrage nach Logistikern ist groß, das Angebot klein“, meint Christian Butz vom Logistik-Lehrstuhl der TU Berlin.

Das honoriert die Branche: Projektmanager verdienen 30 000 bis 35 000 Euro in Logistikunternehmen – in der Industrie bis zu 40 000 Euro. Das erkannte im Studium auch Meißner, und deshalb legte er schon damals den Grundstein. Er jobbte zunächst als Hilfskraft beim Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik. Nach dem BWL-Diplom ging er Anfang 2003 zunächst zur Fraunhofer-Niederlassung nach Indonesien und heuerte danach in Deutschland bei der BW Fuhrpark Service an, einem Tochterunternehmen der Bundeswehr. 2004 ging er wieder zurück nach Asien und arbeitete bei der „Petra Food Group“, einem Schokolade produzierenden Unternehmen. Danach ging er wieder zu BW Fuhrpark und wechselte dann Anfang dieses Jahres von der Bundeswehr in die Bio-Branche. Wie kam dieser Wechsel? „Der Geschäftsführer, den ich von unserer gemeinsamen Zeit am Fraunhofer Institut kenne, kam damals auf mich zu“, sagt Meißner heute.

Bei der Weiling GmbH ist der 33-Jährige nun dafür zuständig, die Tourenplanung der Fahrzeugflotte zu überwachen. Außerdem muss er die Kostenrechnungen im Auge behalten und sich mit externen Spediteuren absprechen. Wie gut, dass er sich schon im Studium auf industrielle Logistik spezialisiert hat. Vor allem von den Supply Chain Management-Kursen, Controlling und Produktionswirtschaft profitiere er heute enorm. „Aber es gehört auch viel ’Learning-on-the-job’ dazu“, sagt Meißner. Das Studium sei zu theorielastig, in der Praxis lerne man erst richtig. Anfang des kommenden Jahres wird Meißner befördert: Dann übernimmt er bei Weiling die Leitung der Speditionslogistik. Er rät Studenten, schon während des Studiums Praktika zu machen: „So kann man schauen, ob einem die Logistik wirklich liegt.“ Natürlich könne man ein reines Logistik-Studium absolvieren, allerdings empfiehlt er ein BWL-Studium mit Spezialisierung: „So kann man sich nachher immer noch auf andere Bereiche umorientieren, wenn einem die Logistik doch nicht gefällt.“

Als Janine Aust noch nicht an der Uni war, fand sie es immer faszinierend, das Cargo-Terminal am Flughafen zu beobachten – wie die Maschinen mit Containern entladen und wieder voll gepackt wurden. Vielleicht ahnte sie schon damals, dass sie einmal in der Logistik arbeiten würde. Die Ahnung hat sich bestätigt: Die 28-Jährige arbeitet heute beim Logistik-Riesen Kühne + Nagel in der Schweiz. Während ihres BWL-Studiums in Mannheim spezialisierte sich Aust auf Logistik. Als sie ihr Diplom in der Tasche hatte, wurde ihr bewusst, dass sie bisher nur ein einziges Praktikum gemacht hatte. Und die Welt wollte sie auch noch sehen – also verband sie beides. Zuerst machte sie ein Praktikum in der Entwicklungshilfe in Südafrika, danach ging sie ein halbes Jahr zu einer Logistik-Firma nach Indien. Den Kontakt dorthin vermittelte ihr die Studentenorganisation Aiesec. Als Praktikantin musste sie sich auch um die Kundenbeziehungen kümmern, was „teilweise sehr schwierig“ war, da viele Kunden kaum Englisch sprachen Aber: Aust wusste nach dem Praktikum, wo sie beruflich hin wollte.

Sie schrieb Bewerbungen an Logistik-Firmen und hinterließ ihr Profil im Internet. Kurz danach bekam sie eine Zusage von einer Firma in Bremen. Dann meldete sich auf ihre Anzeige im Netz Kühne + Nagel. „Im Gespräch mit der Personalchefin wurde mir schnell klar, dass mir ihr Angebot zusagte“, sagt Aust heute. Seit Juli vergangenen Jahres ist sie in der Hauptzentrale des Konzerns Projektmanagerin im Geschäftssegment Lead Logistics Solutions. Will heißen: „Wir übernehmen für Industrie und Handel die Planung, Koordination und Steuerung von logistischen Prozessen“, erklärt Aust. Ihr Studium habe ihr zwar „die theoretischen Grundlagen“ verschafft. Aber wie so oft gilt auch bei Aust: „Die Praxisseite musste ich im Job lernen.“

Gut möglich, dass sie noch einmal in einem anderen Land arbeitet – schließlich hat ihr Arbeitgeber 830 Büros in mehr als 100 Ländern. Denn eines steht für sie fest: „Ich will auf jeden Fall in der Logistik-Branche bleiben.“

Beitrag aus dem Karriere-Magazin

Daniel Rettig

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