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Mehr als Kochkurse: Unterschätzt und belächelt – Volkshochschulen

Während Migrantinnen die ersten unsicheren Runden auf einem Fahrrad drehen, lernen Existenzgründer, wie man ordentlich Buch führt – und einen Raum weiter findet vielleicht gerade ein Fotografie-Kurs statt. Das Angebot der Berliner Volkshochschulen (VHS) richtet sich an alle Bürger, egal wie alt sie sind oder wie gebildet.

„Die Volkshochschulen sind verpflichtet, ein breites Spektrum an Weiterbildungsangeboten für alle Bevölkerungsschichten sicherzustellen“, sagt Gudrun Landau, Direktorin der VHS Tempelhof-Schöneberg. Jeder soll sich lebenslanges Lernen leisten können. Und auch, wenn andere Bildungseinrichtungen manchmal qualitativ hochwertigere Angebote machen, sind die Preise der Volkshochschulen fast immer die günstigsten. Neben den Teilnehmergebühren tragen sie sich zum großen Teil durch öffentliche Zuschüsse und Drittmittel.

Volkshochschulen sind eine unterschätzte Bildungseinrichtung – so lautet kurz gefasst das Urteil von Sandra Mämecke, die bei der Stiftung Warentest für den Bereich Weiterbildung zuständig ist. Denn: Sie könnten mit den großen privaten Anbietern meistens gut mithalten und seien preiswert. Auch das Image der VHS als einem Verein, bei dem ältere Hausfrauen töpfern lernten und Kochrezepte austauschten, entspreche heute weniger denn je der Realität.

Zwar kann auch heute noch jeder Interessierte das Töpfern lernen. Ein Schwerpunkt der VHS liegt aber auch auf der beruflichen Fortbildung. „Die Nachfrage nach Kursen zum Thema Projektmanagement oder IT-Kompetenz ist schon seit Jahren hoch“, sagt Gudrun Landau. Neben der EDV vermitteln die Volkshochschulen auch betriebswirtschaftliche Grundlagen und Sozialkompetenzen, so- genannte Soft Skills.

Etwa im Konfliktmanagement-Kurs: Hier lernt man, mit Problemen umzugehen, die im Arbeitsalltag schnell aufkommen können. Im Theorie-Teil wird zunächst das „Konflikte-Dreieck“ aus Ursache, Entwicklung und Lösung eines Problems erläutert. Dann folgen praktische Übungen und Rollenspiele, um das gerade Erlernte umzusetzen. Sechzehn Stunden ihrer Freizeit und etwa 45 Euro investieren die Teilnehmer, damit sie für Konflikte am Arbeitsplatz künftig besser gewappnet sind. Zum Vergleich: Ein dreitägiger Kurs bei der Deutschen Telekom-Training kostet 1642 Euro – und wird von der Stiftung Warentest nicht viel besser bewertet als der VHS-Kurs.

Um als Anbieter beruflicher Weiterbildung ernst genommen zu werden, haben sich die Volkshochschulen unter anderem das „Xpert“-System einfallen lassen. Die modular aufgebauten Lehrgänge schließen mit einer bundesweit einheitlichen Prüfung ab, sodass die Teilnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber genau dokumentieren können, was sie gelernt haben. Das Xpert-Business-Programm umfasst zum Beispiel den Grundkurs Finanzbuchführung, in dem man lernt, wie Bilanzen aufgebaut sind und wie eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemacht wird. Wer zusätzlich den Aufbaukurs belegt und die Buchhaltung mit EDV und Finanzwirtschaft kombiniert, kann sich laut Zertifikat sogar „Fachkraft in der Finanzbuchhaltung“ nennen.

Die Volkshochschule entwickelt nicht nur auf betriebswirtschaftlichem Gebiet neue Konzepte. Die VHS Tempelhof-Schöneberg etwa bietet in Zusammenarbeit mit Kulturprojekte Berlin seit 2007 einen bundesweit einmaligen Lehrgang zum „Museumsmoderator“ an. Diese begleiten Besucher durch Museen und Ausstellungen, um ihnen Kunst und Geschichte zu vermitteln. In vier Blöcken von jeweils fünf Tagen lernen die Teilnehmer, wie man Besucher animiert, sich mit den Gegenständen der Ausstellung auseinanderzusetzen. Sie lernen die Grundlagen der Museumskunde und die spezifische Didaktik verschiedener Berliner Museen kennen. Zum Schluss sollen sie in der Lage sein, sowohl in Kunst-, als auch in Technik- oder Naturkundemuseen diverse Erlebnisangebote für Besuchergruppen zu schaffen. „Für diesen Kurs haben wir regelmäßig mehr Bewerber als Plätze“, so Gudrun Landau. Und das, obwohl der Kurs mit 720 Euro für Volkshochschul-Verhältnisse ziemlich teuer sei - und die Teilnehmer über „akademische Erfahrung“ verfügen sollen.

„Die Volkshochschulen entwickeln genauso innovative neue Konzepte wie private Anbieter auch“, sagt Sandra Mämecke von der Stiftung Warentest. Und die VHS-Dozenten seien auch nicht schlechter qualifiziert. „Im Fremdsprachenbereich achten Volkshochschulen oft mehr auf die Qualifikation ihrer Dozenten als bei privaten Sprachschulen.“ Gudrun Landau betont: „Die Sprachlehrer sind zum ganz überwiegenden Teil Muttersprachler.“ Als Einstellungsvoraussetzung gilt: „Unsere Dozenten haben in der Regel eine Hochschulausbildung und Erfahrungen in der Erwachsenenbildung.“

Regelmäßige Kundenumfragen zeigen, dass die Nutzer mit dem Angebot zum großen Teil zufrieden sind. Weniger glücklich ist Gudrun Landau aber über das Image der VHS bei den „Nichtnutzern“ - also bei jenen, die noch nie einen VHS-Kurs besucht haben. Zwei Vorurteile gibt es: Dass man dort höchstens etwas für die Freizeit lernt. Und dass dort nur Frauen und alte Menschen anzutreffen sind. Das erste stimme nicht, am zweiten sei jedoch etwas dran. Etwa drei Viertel der Kursbesucher sind Frauen, und das junge Publikum ist eher selten vertreten. „Vielleicht sind Frauen offener für Weiterbildung“, mutmaßt Landau. „Männer ziehen es wohl vor, in Vereine zu gehen.“

Um jüngere Teilnehmer zu gewinnen, hat die VHS Tempelhof-Schöneberg die Junge VHS" ins Leben gerufen. Hier können Jugendliche Tanz- und Kochkurse belegen oder Theater spielen. Daneben gibt es speziell auf jugendliche Migranten zugeschnittene Angebote, etwa zur Berufsorientierung oder Sexualaufklärung. Auch einen Schulabschluss können sie nachholen – dieses Angebot gehört allerdings nicht mehr zur Jungen VHS.

Zu den Skeptikern gehören auch Firmen: In beruflichen Weiterbildungskursen der VHS sitzen meist Selbstzahler, da Firmen ihre Mitarbeiter lieber zu namhaften privaten Anbietern schicken. Darauf reagieren die Volkshochschulen, indem sie auf Wunsch Angebote speziell auf Firmen zuschneiden und die Mitarbeiter direkt im Betrieb unterrichten.

Anne Meyer

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