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Naturwissenschaften: Der Entdecker

Wer Naturwissenschaften studiert, hat gute Chancen auf einen Job – und ein lukratives Gehalt.

Seine Forschung hat Alexander Schnegg in das sibirische Städtchen Akademgorodok bei Nowosibirsk verschlagen. Er arbeitete dort an einem außeruniversitären Institut an dem er exzellente Forschungsmöglichkeiten für sein Fachgebiet vorfand. Ein halbes Jahr hielt es ihn in der Kälte, um sich mit der Dynamik von Biomolekülen zu befassen. Das war kurz nach seiner Promotion in Physik an der Freien Universität in Berlin.

Anders als Absolventen anderer Fachbereiche müssen sich Naturwissenschaftler in der Regeln nicht von einem befristeten Projekt zum nächsten hangeln. Schritt für Schritt kletterte auch Schnegg auf der Karriereleiter nach oben. Dazu hat wohl auch seine Doktorarbeit über Photosyntheseprozesse beigetragen, für die er 2004 den Carl-Ramsauer-Preis erhielt – eine Auszeichnung, die einmal pro FU-Jahrgang vergeben wird.

Schnegg sammelte auch Auslandserfahrung in Chile. Als Dozent lehrte er zwei Monate an die Universität in Santiago. Ein Stipendium am Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Mülheim an der Ruhr brachte ihn nach Deutschland zurück. Heute hat er eine Stelle am Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie in Berlin-Adlershof und versucht dort herausfinden, wie man Solarzellen „effizienter und billiger“ macht. Parallel arbeitet er an der FU an seiner Habilitation.

Warum es ihn in die Wissenschaft gezogen hat? „Wenn man forscht, geht es immer um etwas ganz Neues. Etwas, dass es bisher noch nicht gibt“, sagt Schnegg. Das begeistert ihn. Deshalb hat er sich für die Forschung entschieden. „Für Physiker gibt es zwar viele andere Berufsmöglichkeiten, aber die interessierten mich nicht.“

Das Bundesforschungsministerium hat das Jahr der Wissenschaften 2009 zum Jahr der Forschungsexpedition erklärt, auch um mehr Jugendliche für Naturwissenschaften zu interessieren. Schnegg hat sich auch ohne solche Veranstaltungen schon immer für physikalische und biologische Phänomene begeistert.

Wer Naturwissenschaften studiert, hängt üblicherweise auch noch die Promotion dran, weiß Kolja Briedis vom Hochschulinformations System (HIS). Etwa jeder dritte Naturwissenschaftler mit Doktortitel arbeitet zehn Jahre nach der Promotion in der Forschung und Entwicklung, an einer Hochschule, an einer Forschungseinrichtung oder in der Industrie. Finanziell ist das durchaus lukrativ: Im Schnitt verdient ein Naturwissenschaftler dort zehn Jahre nach der Promotion jährlich 61 000 Euro brutto. Forscher, die in die freie Wirtschaft gehen, die Führungspositionen in Industrieunternehmen oder Banken inne haben, bekommen allerdings mit 70 000 Euro im Jahr etwas mehr.

„Momentan sind die Voraussetzungen, um in die Forschung zu gehen, so gut wie selten zuvor“, sagt Anjana Buckow, Referentin für Nachwuchsförderung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Durch die Exzellenzinitiative seien mehrere tausend zusätzliche Stellen geschaffen worden. Außerdem erhöhe auch noch der Nachwuchsmangel in Fächern wie Physik die Chance auf eine Stelle. Anders als in den Geisteswissenschaften hätten viele Naturwissenschaftler deshalb kaum Lücken in ihren Lebensläufen. Auch bei Schnegg fügte sich bislang eine Beschäftigung nahtlos an die Nächste. Guten Leute würden eben gesucht, sagt Anjana Buckow.

Seine Chancen verbessert, wer Preise und Stipendien vorweisen kann. Auslandserfahrung gehört mittlerweile zum Standard. „In unserem Exzellenzförderprogramm erwarten wir einen Auslandsaufenthalt von mindestens einem Jahr“, sagt Anjana Buckow. Vor allem seien internationale Kontakte, die man auch auf Symposien sammeln könne, und Veröffentlichungen in angesehenen Wissenschaftsmagazinen wichtig.

An einem regnerischen Märzmontag läuft der Physiker Schnegg durch die Experimentierhalle des BESSY. Die Abkürzung steht für „Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung“. Das runde Gebäude gehört zum Helmholtz-Zentrum. Schnegg steht zwischen Rohren, Drähten, Alufolien und Behältern, aus denen Stickstoff austritt – ein weißer Nebel wie beim Rockkonzert. Eine Woche lang wird er hier experimentieren: Zusammen mit einem Kollegen will er Solarzellen mit Lichtstrahlen in einer nicht mehr sichtbaren Frequenz beschießen, jeden Tag von 9 bis 21 Uhr. „Man braucht Ausdauer als Forscher“, sagt Schnegg. „Es gibt lange Durststrecken ohne Ergebnisse.“

Die Experimente im BESSY machen aber nur einen geringen Teil von Schneggs Arbeit aus: etwa vier Wochen im Jahr. Insgesamt forscht er in der Hälfte seiner Arbeitszeit – normalerweise an seinem Arbeitsplatz an einem Spektroskop in einem Gebäude gegenüber. In den restlichen Zeit erledigt er administrative Aufgaben – dazu gehört auch die Betreuung von Doktoranden – oder er schreibt an wissenschaftlichen Publikationen. „Ich glaube, ich arbeite 38,5 Stunden pro Woche, aber meistens wohl doch mehr“, sagt er und lacht. Meistens bleibt ihm aber doch noch genug Zeit, um seine Tochter morgens zum Kindergarten zu bringen. Bezahlt wird er nach Tarif: „Man verdient schon ganz gut als Wissenschaftler, aber das Gehalt ist eher zweitrangig für mich.“ In der freien Wirtschaft könnte er zwar mehr verdienen, aber seine Freiheiten sind ihm wichtiger. Er kann sich seine Zeit selbst einteilen und muss sich den Forschungsgegenstand nicht vorschreiben lassen. „Es ist mir wichtig, mit meiner Arbeit gesellschaftlich relevante Themen voranzubringen“, sagt Schnegg.

Und dann ist da auch noch die Lehre. Für seine Habilitation muss der demnächst auch Lehrveranstaltungen geben. „Das macht total Spaß“, sagt der Physiker. Trotzdem möchte er niemals an einer Fachhochschule arbeiten, wo fast ausschließlich gelehrt und kaum geforscht würde. Im Labor auf Entdeckungsreise zu gehen, will er nicht missen.

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