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Jobs & Karriere: Sonnige Aussichten

Firmen der Solar-, Biomasse-, Wind- und Wasserkraft-Industrie leiden unter Fachkräftemangel und suchen Ingenieure. Ein Job gilt als nahezu krisenfest

Sonnencreme gehört für Anne Schlierbach zur Arbeitsausrüstung. Die 28-jährige Energietechnikerin aus Hessen arbeitet in Guadix im spanischen Andalusien – keine Autostunde von den beliebten Badeorten der Costa del Sol entfernt. Zum Strandausflug kommt die Deutsche allerdings kaum. Sie ist Inbetriebnahme-Ingenieurin für Solarkraftwerke und hat alle Hände voll zu tun. Auf der sonnensicheren südspanischen Hochebene errichtet ihr Arbeitgeber, die Erlanger Solar Millennium AG, seit 2006 die drei ersten Parabolrinnen-Kraftwerke Europas. Andasol 1, 2 und 3 sollen jeweils bis zu 200 000 Menschen mit umweltfreundlichem Strom versorgen.

Anders als bei Photovoltaik-Anlagen, die Sonnenlicht unmittelbar in elektrische Energie umwandeln, fangen in den andalusischen Kraftwerken bewegliche Sonnenkollektoren die Strahlung ein, um Wasser zu Dampf zu erhitzen. Über klassische Dampfturbinen und Generatoren wird dann Strom erzeugt. Anne Schlierbach muss sämtliche Kollektoren vor ihrem Einsatz umfangreichen Funktionstests unterziehen. Mit einer Kollektorfläche von jeweils 510 000 Quadratmetern, das entspricht rund 70 Fußballfeldern, sind die Andasol-Anlagen die größten Parabolrinnen-Kraftwerke der Welt. Für Andasol 2 hat Schlierbach in den letzten Monaten 624 Elemente gedreht und geschwenkt, um zu überprüfen, ob sich auch alle reibungslos vom zentralen Kommandostand aus elektronisch steuern lassen.

Bis zum Start von Andasol 3 im Jahr 2011 will Anne Schlierbach mindestens in Spanien bleiben. Der auslands- und berufserfahrenen, jungen Solar-Expertin stünden derzeit aber auch viele andere Türen offen, denn die Branche der Erneuerbaren Energien boomt.

Während Fahrzeug- oder Maschinenbauunternehmen Kurzarbeit machen oder sogar Stellen abbauen, haben die Hersteller von Solar-, Wind- oder Wassertechnologie in diesem Jahr kräftig eingestellt. Alleine im ersten Quartal wurden fast 1600 Stellen ausgeschrieben. Das sind rund doppelt so viele wie im ersten Quartal 2007. Nach Angaben des Wissenschaftsladens Bonn, der den Arbeitsmarkt für Erneuerbare Energien im Auftrag des Bundesumweltministeriums regelmäßig untersucht, setzt sich der Aufwärtstrend damit seit vier Jahren in Folge ungebrochen fort. „Während die Gesamtwirtschaft in ihrer tiefsten Krise steckt, ist die Branche der Erneuerbaren Energien weiterhin ein verlässlicher Jobmotor“, bestätigt Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) in Berlin. Bis 2020 rechnet der BEE für Deutschland mit 500 000 Arbeitsplätzen in der Branche – das wären 220 000 mehr als heute.

Dieses Wachstum ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch politisch gewollt. Denn die Bundesregierung hat den raschen Ausbau grüner Energien zum Ziel erklärt. Fossile Brennstoffe wie Kohle und Gas sollen durch Sonne, Wind oder Wasserkraft langfristig ersetzt werden. Auch Zukunftstechnologien wie Fluss- und Gezeitenkraftwerke oder Geothermieanlagen, die Hitze aus den Tiefen der Erde nutzen, sollen ausgebaut werden. Der BEE hält bis 2020 einen Ausbau der Erneuerbaren am gesamten Energiemix von heute rund zehn auf knapp 30 Prozent für machbar.

Sogar große Energieversorger wie Eon, RWE oder Vattenfall haben grüne Energie inzwischen auf ihre Agenda gesetzt, denn viele technisch und ökologisch überholte Anlagen müssen dringend modernisiert werden. So geht der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren etwa 40 000 Megawatt an Kraftwerksleistung ersetzt werden müssen. Das entspricht über 40 Großkraftwerken. Bis 2020 wollen die im BDEW organisierten deutschen Energieversorger deshalb 40 Milliarden Euro in neue, klimafreundlichere Kraftwerke investieren.

Aber auch im Ausland ist grüne Energietechnologie „made in Germany“ gefragt. Bei Wind- und Solarenergie gelten deutsche Hersteller auf vielen Gebieten weltweit als Technologieführer. So liegt die Exportquote der Windtechnologiebranche nach Branchenangaben bei 80 Prozent. Und auch das Auslandsgeschäft der deutschen Sonnenspezialisten zieht offenbar weiter an, denn der Bundesverband Solarwirtschaft mit Sitz in Berlin erwartet für 2010 einen Anstieg des Auslandsanteils am gesamten Branchenumsatz von derzeit 46 auf 56 Prozent.

Entsprechend gefragt sind Ingenieure, die sich mit regenerativen Energien auskennen. In der mittelständisch geprägten Solarbranche zum Beispiel: Seit 2004 hat sich die Zahl der Beschäftigten bei den rund 15 000 deutschen Solarunternehmen auf 75000 verdreifacht. 40 Prozent aller Stellenangebote rund um die grüne Energie richteten sich Anfang 2009 an Sonnen-Profis wie Anne Schlierbach.

„Am liebsten würden wir auf einen Schlag 50 branchenerfahrene Ingenieure einstellen, aber die gibt der Markt leider nicht her“, sagt zum Beispiel Klaus Gehrlicher. Der 41-Jährige ist Gründer und Inhaber der Gehrlicher Solar AG in Neustadt Coburg. Das mittelständische Unternehmen plant, baut und betreibt Photovoltaik-Anlagen jeder Größenordnung im In- und Ausland. Der studierte Elektrotechniker und Maschinenbauer Gehrlicher startete 1994 in München als Ein-Mann-Unternehmer. Heute beschäftigt der Bayer mehr als 180 Mitarbeiter.

Auf dem Arbeitsmarkt konkurriert der bayerische Mittelständler mit Branchengrößen wie Solar Millennium, Ersol, Schott Solar oder Solar World um die begehrten Profis. Aber auch der Nachwuchs hat die grünen Arbeitgeber für sich entdeckt. Laut Trendence-Absolventen-Barometer zählt Solar World unter angehenden Ingenieuren zu den derzeit 15 beliebtesten Arbeitgebern.

Der Photovoltaik-Konzern aus Bonn beschäftigt weltweit über 2500 Mitarbeiter. Knapp 2000 Mitarbeiter sind in Bonn und im sächsischen Freiberg beschäftigt. 2010 will Personalvorstand Frank Henn weltweit rund 500 weitere Mitarbeiter einstellen. „Von einem Fachkräftemangel können wir gegenwärtig nur bei qualifiziertem Personal mit Berufserfahrung innerhalb der Solarenergiebranche sprechen“, sagt Henn. Aufgrund der Wirtschaftskrise sei die Wechselbereitschaft bei potenziellen Kandidaten gesunken. Zudem seien Studienangebote mit einem klaren Fokus auf Erneuerbare Energien relativ neu. Berufserfahrene Ingenieure, die ihre akademische Ausbildung klar auf Solartechnologie oder eine andere grüne Energiequelle ausgerichtet haben, gibt es deswegen bislang kaum. Sie aber sind die sehr begehrte Spezies.

Den vollständigen Beitrag finden Sie in der Dezemberausgabe des Magazins „Junge Karriere“

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