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© Steinert

Trainee-Programme: Perspektive: Chefsessel

Erst Studium, dann praktische Ausbildung: In fast allen Branchen stellen Firmen in Berlin Trainees ein. Sie lernen die Organisationsstruktur kennen und haben später gute Chancen auf eine Führungsposition.

Sie hat nie geplant, Chefin zu werden. Beate Görcke war immer wichtig, einen Job zu finden, der ihr Spaß macht und ihr die Perspektive bietet, sich weiterzuentwickeln. Sie studierte in Göttingen Betriebwirtschaft, spezialisierte sich auf Marketing und schrieb ihre Diplomarbeit über die Eventbranche. Zunächst zog es sie in die weite Welt. Sie ging für ein Jahr nach Australien, arbeitete in einer Werbeagentur. Dann kam sie nach Berlin. „Wegen der Liebe“, sagt sie. Jetzt macht sie hier auch Karriere. Die 27-Jährige sitzt in einem Büro im Verwaltungsturm der Messe Berlin. Sie hat einen hellen Arbeitsplatz, einen großen Bildschirm – und gute Chancen, in einigen Jahren selbst eine Messe zu leiten.

Beate Görcke ist Trainee, eine Art Azubi für Höheres: Nach dem theoretischen Studium lernt sie nun in verschiedenen Abteilungen der Firma die Praxis kennen, um in einigen Jahren eine Führungsposition zu übernehmen. Derzeit ist es ihr Job, die Asia Fruit Logistica zu organisieren, eine Tochtermesse der Fruit Logistica in Berlin. Im September hatte die Veranstaltung für Früchte- und Gemüsemarketing in Bangkok Premiere. Eine Woche war Beate Görcke in Asien. Im nächsten Jahr wird die Messe wahrscheinlich in Hongkong stattfinden. Auch wenn sie noch keine Budgets verantwortet. „Ich trage Verantwortung“, sagt sie. Sie gehört zu den Entscheidern der Veranstaltung. Das gefällt ihr.

„Trainees erleben auf dem Arbeitsmarkt eine Renaissance“, sagt Claudius Enaux von der Unternehmensberatung Kienbaum in Gummersbach. Unternehmer müssen den Absolventen etwas bieten, damit sie sich für ihren Betrieb entscheiden. Gerade Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler können sich ihre Jobs inzwischen wieder aussuchen – und die klassische Traineestelle ist für Absolventen durchaus attraktiv. „Wer als Trainee eingestellt wird, hat zwar keine Garantie darauf, demnächst im Chefsessel zu sitzen, doch er wird mit der klaren Perspektive eingestellt, eine leitende Funktion zu übernehmen“, erklärt Enaux. Die Traineestelle bereitet ihn darauf vor.

Auch in Berlin suchen viele Unternehmen Trainees. Vor allem die Großen locken mit interessanten Einsteigerprogrammen, die für kleine und mittelständische Betriebe oft zu teuer sind. Die Deutschen Bahn stellt Trainees ein, Vattenfall, Siemens und der Wirtschaftsprüfer KPMG. Gesucht werden auch hier vor allem Ingenieure und Wirtschaftswissenschaftler – aber auch Geisteswissenschaftler. In einigen Bereichen kommt es auf Methodenkenntnisse aus dem Studium an, darauf, dass man sich schnell in neue Themen einarbeitet – und weniger auf spezifische Fachkenntnisse, sagt Kienbaum-Berater Enaux. KPMG etwa nimmt auch Historiker. „Uns geht es weniger um spezielle Qualifikationen, als um das Persönlichkeitsprofil“, erklärt Personaldirektor Ulf Hellert. Hauptsache Bewerber sind leistungsorientiert, weisen Praktika und Auslandsaufenthalte nach.

Die Ausbildung des Trainees unterscheidet sich grundlegend vom Job des Direkteinsteigers, der in einer bestimmten Position eingesetzt wird und je nach Ambitionen und Talent in der Regel in seinem Fachgebiet Karriere macht. Die Traineestelle ist offener, nicht von Anfang an ist klar, in welchem Bereich der akademische Azubi später eingesetzt wird. „Der Trainee wandert durch die Abteilungen, lernt die Organisationsstrukturen kennen und die Ansprechpartner für bestimmte Aufgaben“, erklärt Christiane Konegen-Grenier vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. In Seminaren vertieft er sein fachliches Know-how, Softskills, EDV- und Fremdsprachenkenntnisse. In international agierenden Betrieben gehören Auslandsaufenhalte dazu. Allgemeine Regeln für die vielversprechende Qualifizierung gibt es allerdings nicht. Die Unternehmen gestalten die Programme nach Bedarf. Üblich sind Einarbeitungszeiten von ein bis zwei Jahren.

Gerade technische Absolventen haben gute Chancen, Trainee zu werden. Bei Vattenfall etwa kamen in diesem Jahr nur 25 Bewerbungen auf eine Stelle. 2006 waren es noch 60. Bei der Messe Berlin wiederum stapeln sich jährlich 200 bis 400 Bewerbungen für zwei Stellen. In Frage kommende Bewerber werden durch Vorstellungsgespräche ausgewählt. Viele anderen Firmen testen ihre Kandidaten in Assessmentcentern.

Der Trainee hat zwar eine höhere Position in Aussicht. „Ein Weg, schneller an Geld zu kommen, sind solche Programme aber nicht“ weiß Berater Enaux. In der Regel erhalten Trainees ein ähnliches Gehalt wie Direkteinsteiger von der Hochschule. Beate Görcke wird bei der Messe Berlin nach Tarif bezahlt. Auch die Bahn zahlt nach Tarif. Die Gehälter staffeln sich nicht nach Direkteinstieg oder Traineestelle, sondern nach Qualifikationen wie Bachelor oder Master, Fachhochschul- oder Hochschulabschluss. Vattenfall ist ein Trainee 40 000 Euro im Jahr wert, berichtet der Leiter der Personalentwicklung, Wolfgang Bilger. Direkteinsteiger werden abhängig von ihren Aufgaben bezahlt. Bei der Industrie- und Handelskammer erhält ein Trainee 1800 Euro. Und die Investition scheint sich für die Unternehmen zu lohnen. „Mehr als 90 Prozent aller Trainees arbeiten drei Jahre nach Abschluss ihres Programms noch bei der Deutschen Bahn“, berichtet etwa Volker Westedt, der bei dem Konzern für Nachwuchsgewinnung zuständig ist.

Nach der Edel-Ausbildung kann ein Trainee aber gewöhnlich nicht damit rechnen, sofort Manager zu werden. „Es dauert einige Jahre, bis man ein Projekt oder eine Abteilung führen kann“, sagt Berater Enaux. Nach drei bis fünf Jahren steigen geeignete Trainees bei Vattenfall auf. René Jankowski muss nicht so lange warten. Der Nachrichtentechniker ist seit 15 Monaten Trainee beim Energieriesen. Er hat in verschiedenen Abteilungen gearbeitet, heute ist der 27-Jährige zuständig für Telekommunikation und wird eingearbeitet auf die leitende Position seines Mentors – demnächst wird er sie übernehmen.

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