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Umschulung: Pfleger in vier Wochen

Arbeitslose sollen für Jobs in Altersheimen weitergebildet werden. Der Lohn für ihre Arbeit ist allerdings gering.

Mit Senioren Musik hören, spazieren gehen oder im Garten arbeiten: Solche Aufgaben könnten in Zukunft nicht nur Altenpfleger, sondern auch Arbeitslose wahrnehmen. In den kommenden Monaten sollen bis zu 10 000 von ihnen zu Assistenten in der Altenpflege weitergebildet werden, die Demenzkranken das Leben erleichtern. Das Bundesministerium für Gesundheit hält es für möglich, die ersten Kurse schon im September zu starten. Die Bundesagentur für Arbeit dagegen möchte bis zum Jahresende warten, um genügend geeignete Bewerber zu finden. Das wichtigste über die Weiterbildung – hier im Überblick.

WER IST FÜR DIE KURSE GEEIGNET?

Grundsätzlich jeder. Für den Einsatz als Betreuungshelfer ist kein therapeutischer oder pflegerischer Berufsabschluss erforderlich. Dies geht aus den Richtlinien vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hervor, die das Gesundheitsministerium vor wenigen Tagen genehmigt hat. Um herauszufinden, ob einem der Job liegt, sollen Interessenten vor der Weiterbildung ein fünftägiges Praktikum in einem Pflegeheim absolvieren. Denn: „Eine wesentliche Voraussetzung für diese Beschäftigung ist, dass die Bewerber motiviert sind“, sagt Olaf Möller von der Bundesagentur für Arbeit in Berlin-Brandenburg.

WELCHE AUFGABEN HABEN DIE HELFER?

Nach dem Lehrgang sollen die Teilnehmer ausreichend geschult sein, um demenzkranken Heimbewohnern zu helfen, ihren Alltag zu bewältigen. Sie gestalten deren Freizeit, malen und basteln, kochen und backen, schauen Fotoalben an oder lesen aus einem Buch vor. Sie sind den Heimbewohnern aber auch Gesprächspartner für alltägliche Sorgen. Reguläre Fachkräfte sollen durch die Pflegehelfer nicht ersetzt werden.

WIE LANGE DAUERT EIN LEHRGANG?

Die kostenlose Weiterbildung hat einen Umfang von insgesamt 160 Stunden. Erste-Hilfe-Kurse, Grundkenntnisse über Demenzerkrankungen und psychologisches Basiswissen gehören zu den Inhalten. Etwa nach der Hälfe des Seminars absolvieren alle Teilnehmer ein zweiwöchiges Praktikum in einem Pflegeheim. Dabei werden sie von Pflegefachkräften betreut. Die letzten 60 Stunden sind dazu gedacht, Kenntnisse in Verhalten, Kommunikation und Umgangsformen mit betreuungsbedürftigen Menschen zu vertiefen. Bei einem Umfang von 40 Wochenstunden dauert der Kurs vier Wochen. Je nach Vorbildung, zum Beispiel durch vorherige Aus- und Weiterbildungen im sozialen Bereich, kann der Lehrgang verkürzt werden. Für alle gilt: Die Betreuer müssen mindestens einmal jährlich ein zweitägiges Seminar besuchen, um ihre Kentnisse aufzufrischen.

WAS SAGEN DIE EXPERTEN DAZU?

Ob ein Schulung von insgesamt 160 Stunden ausreicht, um die Betreuer auf eine Arbeit mit Demenzkranken vorzubereiten, ist umstritten. Pflegeexperten sowie Politiker von SPD und FDP kritisierten das Vorhaben scharf. „Ich halte nichts von diesem Vorschlag“, sagte etwa Sachsens Arbeitsminister Thomas Jurk (SPD) der Leipziger Volkszeitung. „Demenzkranke zu pflegen, ist physisch und psychisch eine sehr große Herausforderung.“ Vergleichbare Lehrgänge hätten in der Vergangenheit 900 Stunden Schulung vorgesehen, erklärte ein Sprecher der Deutschen Alzheimergesellschaft. Bernd Tews, Geschäftsführer vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), sieht die Kurse dagegen grundsätzlich positiv: „Für die Absolventen ist der Job eine Chance, in die Branche einzusteigen und sich weiter zu qualifizieren.“

WIE KANN ICH MICH BEWERBEN?

Die Bundesagentur für Arbeit bildet derzeit überall in Deutschland Bewerberpools. Dafür kramen die Mitarbeiter zunächst ihre Karteikarten durch. „Wir schauen uns als erstes die Lebensläufe der Arbeitssuchenden an“, sagt der Berliner Agentursprecher Olaf Möller. „Wenn jemand seinen Zivildienst in einem Altersheim gemacht hat, vermuten wir: Da ist Interesse vorhanden.“ Es ist aber auch möglich, von sich aus die Initiative zu ergreifen. „Wer in den Bewerberpool möchte, sollte seinen Arbeitsvermittler ansprechen.“

WIEVIEL GELD BRINGT DER JOB?

Die Betreuer mit Kurz-Ausbildung verdienen voraussichtlich deutlich weniger Geld als besser geschulte Altenpflegehelfer. Das Gesundheitsministerium versichert zwar, dass es sich um keine Ein-Euro-Jobs handele. Eine Sprecherin des Ministeriums berichtet jedoch auf Anfrage des Tagesspiegel, dass „ein Stundensatz von sieben bis acht Euro im Gespräch ist“. Dieser Lohn ergäbe bei einer Vollzeitstelle ein durchschnittliches Monatsgehalt von 1213 bis 1387 Euro Brutto – und läge damit unter dem Tarif, der für ausgebildete Altenpflegehelfer vereinbart ist. Wer einen einjährigen Lehrgang absolviert hat, erhält als Angestellter des öffentlichen Dienstes 1763 bis 1927 Euro (West). Examinierte Altenpfleger mit einer dreijährigen Ausbildung verdienen 2082 bis 2304 Euro (West).

AUSSICHTEN FÜR DIE ZUKUNFT

Mit dem Gehalt steigen jedoch auch die Anforderungen. „Pflegehelfer kommen mit Mediakamenten in Berührung, müssen Infusionen geben und Verbände anlegen“, sagt Bernd Tews vom bpa. Das sind alles Aufgaben, mit denen die Absolventen der 160-Stunden-Kurse nichts zu tun haben. „Wer sich für den sozialen Bereich interessiert und ausreichend motiviert ist, kann auch über eine längerfristige Fortbildung zum Alten- oder auch Krankenpflegehelfer nachdenken“, empfielt Olaf Möller von der Bundesagentur für Arbeit. Kosten für Umschulungen von Arbeitslosen trägt die Arbeitsagentur.

Philipp Eins

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