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Unternehmensberatung: Berater im Verborgenen

McKinsey, Roland Berger, BCG – wer Berater werden will, hat oft nur die großen Namen im Kopf. Dabei haben auch viele kleinere Beratungen trotz der Krise Jobs im Angebot.

Markus Ellerbrake hätte bloß unterschreiben müssen, das Angebot, das man nur einmal im Leben bekommt, lag auf seinem Tisch. Es war Ende vergangenen Jahres, mitten in der Krise. Der 35-jährige SAP-Experte hatte ein paar Bewerbungen rausgeschickt, und tatsächlich: Eine der Top-Strategieberatungen wollte ihn. Namhafte Kunden, das große Geld, blendende Karriereaussichten – all das war jetzt nur noch Formsache.

Doch es fühlte sich nicht richtig an. Wollte er tatsächlich einer von tausenden Beratern in dem Unternehmen sein? Das Risiko eingehen, als Mitläufer zu enden, weil alle anderen ehrgeizigen Kollegen auch darum kämpfen, sich durchzusetzen? Ellerbrake, der gerade in Elternzeit war, wog ab. Und entschied sich für das zweite Angebot, das ihm vorlag: Consileon, einer kleinen Firma in Karlsruhe, die Banken und Versicherungen berät. „Mir war es wichtig, meine Ideen langfristig einbringen und den Erfolg der Beratung aktiv mitgestalten zu können.“

Etwa 13 600 Beratungsfirmen gibt es laut dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater auf dem deutschen Markt. Die Global Player, Firmen wie McKinsey, Roland Berger und BCG, die auch in der Krise zahlreiche Jobs zu vergeben haben, kennt fast jeder. Sie werden täglich mit Anschreiben, Lebensläufen und Zeugnissen überschwemmt. Im Hintergrund, vor allem bei potentiellen Bewerbern, stehen die kleineren, häufig auf Branchen und Themen spezialisierten Beratungen. „Das ist einer der Gründe, warum viele dieser Boutiquen bei der Personalsuche auf externe Unterstützung zurückgreifen“, sagt Arne tom Wörden vom Recruitingdienstleister Access Kelly-OCG. Dabei gibt es durchaus ein paar „Hidden Champions“, so genannte verborgene Gewinner.

Obwohl kleinere, spezialisierte Beratungen laut Dietmar Fink, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Beratungsexperte, in der Krise im Gegensatz zu den Global Playern tendenziell stärker leiden, da sie häufig von einzelnen Kunden, Branchen und Themen abhängig und weniger gut vernetzt sind, stehen die Hidden Champions momentan relativ gut dar. Sie alle haben eine kritische Größe überschritten, in der Regel 50 Mitarbeiter, und sich ein Nischenwissen angeeignet. So sind sie zunehmend in der Lage, auch den Top-Beratungen Konkurrenz zu machen.

Und: Sie stellen 2009 ein. „Vor allem die Beratungen, die keine bekannte Marke im Rücken haben, können sich Einstellungsstopps nicht leisten. Gerade bei ihnen ist die Gefahr groß, dass Personal fehlt, wenn der Markt wieder in Fahrt kommt“, erklärt Fink. Andererseits können sie nicht mit einem schillernden Image und bekannten Namen beeindrucken.

Experte Fink hält in der Tat den nicht vorhandenen Markennamen für das größte Manko: „Einige wenige Beratungen – häufig die, die große Wachstumsambitionen haben und vorrangig auf der Suche nach Professionals sind, versuchen diesen Makel auszugleichen, indem sie mehr Geld zahlen als die Großen.“ In der Regel sind die Löhne aber deutlich niedriger, denn der Großteil der Hidden Champions will und kann bei den Gehältern der Top-Strategen nicht mithalten. So können Berufseinsteiger laut Vergütungsspezialist Personalmarkt im Schnitt mit 48 000 Euro brutto im Jahr rechnen. Das sind über 20 Prozent weniger als bei McKinsey, Roland Berger und BCG.

Auch bei der Weiterbildung sieht Fink Nachteile bei den Hidden Champions. „Aufgrund ihrer Größe und der hohen Kapitalausstattung können Unternehmen wie McKinsey viel mehr Geld in diesen Bereich investieren.“ Zwar unterstützen einige kleinere Beratungen ihre Mitarbeiter individuell, wenn diese zum Beispiel einen MBA machen möchten. Aber die wenigsten haben ein professionelles, in das Karrieremodell integriertes System. Außerdem, so Fink, „können auch die Projektvielfalt und die Möglichkeit, international zu arbeiten, begrenzt sein“.

Abstriche beim Markennamen, beim Gehalt, bei der Weiterbildung – landen bei den kleineren Beratungen nur die, die bei den Global Playern gescheitert sind? Arne tom Wördens Antwort lautet: „Nein.“ Der Personalberater kennt durchaus Bewerber, die sich bewusst für den Einsatz in einer Boutique entscheiden. Die Gründe dafür können dabei annähernd so vielfältig sein wie die Anzahl von verschiedenen Beratungen, die es auf dem deutschen Markt gibt.

„Schlechte Zeiten hin oder her – ich wollte in einer Beratung arbeiten, in der der Faktor Mensch im Vordergrund steht und nicht Sparkonzepte und Renditedruck den Arbeitsalltag diktieren“, erzählt Markus Ellerbrake. Dass er mit dieser Idee bei Consileon an der richtigen Adresse ist, davon überzeugte ihn Joachim Schü, der Gründer und Geschäftsführer. „Er sagte: ,Natürlich müssen wir Geld verdienen, aber es ist zweitrangig, wie viel Gewinn wir 2009 machen. Mir ist wichtig, wo wir gemeinsam in drei bis fünf Jahren stehen.'' Das hat für mich den Ausschlag gegeben“, sagt Ellerbrake.

Schü, der drei Jahre bei A.T. Kearney die gesamte Beratungsbandbreite kennen lernte, bevor er Consileon gründete, gibt offen zu, dass diese Philosophie in Anlaufschwierigkeiten begründet liegt. „Wir hatten die Deutsche Bank als ersten großen Kunden. Kurz nach unserer Gründung im Jahr 2001 platzte der Zweijahresvertrag.“ In dieser Lage hat er gemerkt, dass „wir alles schaffen, wenn wir als Team zusammenhalten“. Heute sind diese Probleme überwunden und die Beratung bekommt weiter Zuwachs: Jeweils zehn neue Absolventen und (Young) Professionals steigen dieses Jahr bei Consileon ein. Während 2008 der Fokus vor allem auf Kandidaten mit Berufserfahrung in den Branchen Banken und Versicherungen lag, liegt er nun auf Background aus den Branchen Energie und Healthcare – Consileons zukünftigem Beratungsfeld.

Allgemein gilt: Der Berater-Alltag bei einem Hidden Champion unterscheidet sich wenig von dem bei einer Top-Beratung; ganz gleich, ob es um die 70-Stunde-Woche oder das hohe Reisepensum geht. Auch die Frauenquote ist bis auf einzelne Ausnahmen nicht höher. Allerdings sind die Hierarchien in der Regel flacher und die Entscheidungswege kürzer. Die Eigentümer oder Gründer sind häufig direkt greifbar wie zum Beispiel bei Kerkhoff, wo alle paar Wochen ein Forum mit Gerd Kerkhoff stattfindet. Durch die geringere Anzahl an Beratern wird der einzelne Mitarbeiter zudem früher in die Verantwortung genommen; von ihm wird schon als Einsteiger erwartet, dass er das eigene Netzwerk nutzt, um neue Kunden zu akquirieren.

Häufig begleiten kleinere Beratungen ihre Kunden über mehrere Monate bei der Umsetzung. „Bei den Tagessätzen, die die Top-Beratungen verlangen, können sich das nur wenige Unternehmen leisten. Daher arbeiten die Großen im Bereich der Umsetzung häufig nicht so langfristig mit.“ Als sehr umsetzungsorientiert gilt etwa die 200 Mitarbeiter große Beratung J&M aus Mannheim. Deren Berater sind nicht nur kaufmännisch fit, sondern alle auch IT-Experten. So können sie etwa die Software ihrer Kunden gleich auf die optimierten Lieferketten umstellen. Sie suchen in diesem Jahr 20 bis 25 (Young) Professionals, vorwiegend mit IT- und SAP-Hintergrund.

Die Hidden Champions sind vielfach näher am Kunden. „Sie beraten in der Regel kleine und mittelständische Firmen und nehmen bewusst Managementaufgaben wahr“, erklärt Richter. „Das heißt, sie checken zum Beispiel Angebote oder führen Verhandlungen mit Stakeholdern.“ Und ganz wichtig: Die meisten sehen sich nicht als Karrieresprungbrett, denn für sie ist es ein Kraftakt, neue Mitarbeiter zu integrieren und aufzubauen.

Beitrag aus dem Magazin „Junge Karriere“

Kirsten Ludowig

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