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Firmenentwicklerin. Nicola Leibinger-Kammüller sitzt der Geschäftsführung des Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf vor.

© picture-alliance/ dpa

Unternehmensleitung: Frauen an der Macht

Auch ohne Quote: Schon jedes vierte Unternehmen in Familienbesitz wird von einer Frau geleitet – und das soll erst der Anfang sein.

Als Witwe, Tochter oder Enkelin sind sie an die Macht gekommen: Frauen wie die Bertelsmann-Matriarchin Liz Mohn, die Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller oder Henkel-Aufsichtsratschefin Simone Bagel-Trah haben in ihrem Familienunternehmen das Sagen. Alle drei bestimmen heute den Kurs von Konzernen mit Milliardenumsätzen und Tausenden von Mitarbeitern, weil ein männlicher Verwandter oder ein Gremium es ihnen einst zugetraut hat.

Mohn, Leibinger-Kammüller und Bagel-Trah sind zwar Aushängeschilder, aber keine Ausnahmen mehr. Inzwischen steht an der Spitze jedes vierten Familienunternehmens eine Frau, die entweder allein die Geschicke lenkt oder mitentscheidet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Intes Akademie für Familienunternehmen unter 253 Unternehmen im deutschsprachigen Raum, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.

Vor allem Firmen mit 25 bis 250 Millionen Euro Jahresumsatz, die zahlenmäßig das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden, sind demnach auch in Sachen Frauen Vorbild. Hier hat schon jede 16. Firma, die aktiv von einer Eigentümerfamilie gesteuert wird, einen weiblichen Chef. Und dort, wo es eine Frau an die Spitze geschafft hat, liegt der Frauenanteil auch auf den niedrigeren Rängen mit 29 Prozent überdurchschnittlich hoch.

Vorreiterin. Die Mikrobiologin Simone Bagel-Trah ist Aufsichtsratsvorsitzende des Konsumgüterherstellers Henkel.
Vorreiterin. Die Mikrobiologin Simone Bagel-Trah ist Aufsichtsratsvorsitzende des Konsumgüterherstellers Henkel.

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„In Familienunternehmen hat sich ein Mentalitätswechsel vollzogen. Die Patriarchen schauen heute weniger auf das Geschlecht, als vielmehr auf die Leistung ihres Nachwuchses“, sagt Klaus Schweinsberg, Partner der Intes-Beratung. „Töchter und Enkelinnen sind deshalb heute weder direkt ausgeschlossen noch müssen sie überperformen. Sie müssen einfach nur besser sein als der Bruder, der Cousin oder externe Kandidaten.“ Frauen hätten als Familienmitglied zudem häufig das, was ihnen in Publikumsgesellschaften fehlt und zum Nachteil wird: Sichtbarkeit und Netzwerke.

Mit zunehmender Unternehmensgröße nimmt aber auch bei den Familienunternehmen die Zahl der Frauen in der Leitung ab. Bei Familienfirmen mit mehr als 1 000 Mitarbeitern sind Frauen in der Geschäftsführung oder im Vorstand genauso selten wie in den Dax-30-Unternehmen. „Einige Dynastien wie Merck und Haniel schließen per Verfassung aus, dass Familienmitglieder im Management operativ tätig werden“, nennt Klaus Schweinsberg als Grund.

Die grundsätzliche Aufgeschlossenheit von Familienunternehmen gegenüber Frauen beobachtet auch Heiner Thorborg. Als einer der führenden deutschen Personalberater setzt er sich seit Jahren für mehr Frauen in Führungspositionen ein und ist sich sicher: „Familienunternehmer brauchen erst recht keine Quote!“ Während deutsche Aktiengesellschaften – von Adidas bis Volkswagen – noch keine einzige Vorstandsvorsitzende vorweisen und sich Schwergewichte wie die Deutsche Telekom mit Spezialabteilungen um mehr Vielfalt („Diversity“) beim Personal, neue Richtlinien zum „Führen in Teilzeit“ sowie eine firmeninterne Frauenquote von 30 Prozent bemühen, die Vorständinnen-Anzahl in der Deutschland AG von derzeit gerade mal vier anzuheben, brauchen sich die kleinen und mittelgroßen Familienunternehmen in dieser Disziplin nicht zu verstecken. Ganz im Gegenteil.

Bertelsmann-Matriarchin. Liz Mohn hat die Verantwortung für 100 000 Mitarbeiter weltweit. Damit Frauen beim Führen voneinander lernen, hat sie die Business Women School, eine Akademie für weibliche Führungskräfte, gegründet.
Bertelsmann-Matriarchin. Liz Mohn hat die Verantwortung für 100 000 Mitarbeiter weltweit. Damit Frauen beim Führen voneinander lernen, hat sie die Business Women School, eine Akademie für weibliche Führungskräfte, gegründet.

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Viele Familienunternehmen nehmen in Bezug auf Frauen an der Spitze eine Führungsrolle ein. Und die Chancen, dass es dort noch mehr werden, stehen gut. Nicht zuletzt, weil laut einer Kienbaum-Befragung unter künftigen Berufseinsteigern Familienunternehmen derzeit attraktivere Arbeitgeber als börsennotierte Firmen sind. Einsteiger fühlen sich von flacheren Hierarchien, größeren Gestaltungsspielräumen sowie mehr Menschlichkeit und einer besseren Work-Life-Balance angesprochen.

Für Personalberater Thorborg ist „der Teufelskreis“ dadurch unterbrochen, dass es Vorbilder gibt. Und auch Schweinsberg ist optimistisch: „Der Vorsprung der Familienunternehmen wird in fünf bis zehn Jahren noch größer sein. Denn: Frauen ziehen Frauen nach – direkt oder indirekt, ob Familienmitglied oder nicht!“ Bestes Beispiel hierfür sei Carolina Müller-Möhl. Die Schweizerin hat nach ihrem Einzug in den Verwaltungsrat von Nestlé dafür gesorgt, dass zwei weitere Frauen in das Gremium kamen.

Oder Liz Mohn. Der Bertelsmann-Matriarchin mit der Verantwortung für 100 000 Mitarbeiter weltweit ist der Erfahrungsaustausch mit Frauen sehr wichtig. „Für unsere Führungsaufgaben können wir viel voneinander lernen. Deshalb habe ich die Business Women School, eine Akademie für weibliche Führungskräfte, ins Leben gerufen. Hier bilden sich Netzwerke, in denen gemeinsam trainiert wird, um sich besser zu vermarkten und in der Männerwelt durchzusetzen."

Familienfirmen bevorzugen Frauen aber nicht. Die Frage, ob es Frauen aus der eigenen Familie erleichtert wird, in die Führungsetage aufzusteigen, verneinen insgesamt 43 Prozent der Befragten. Nur 17 Prozent begünstigen sie. Das Gros von 79 Prozent der Studienteilnehmer macht die Übergabe an die nächste Generation an anderen Kriterien fest. Als Hauptaufgabe von Frauen aus der Unternehmerfamilie wird die operative Führung genannt (38 Prozent), gefolgt von Tätigkeiten in Kontrollgremien wie Aufsichtsrat oder Beirat (17 Prozent).

Und explizit und aktiv auf die Suche nach Managerinnen gehen auch nur die wenigsten Familienunternehmer. „Da gibt es keinen Unterschied zu den Publikumsgesellschaften. Das hängt ganz von der Unternehmerpersönlichkeit ab“, weiß Headhunter Thorborg. Henning Kreke etwa, Vorstandschef und Miteigentümer von Douglas, habe ausdrücklich einen weiblichen Vorstand für Personal gesucht – und gefunden.

Alexandra Treutler fühlt sich als leitende Managerin und Nicht-Familienmitglied beim mittelständischen Bauunternehmen Schwörerhaus, wohl: „Der Handlungsspielraum, den ich hier habe, ist enorm.“ Schon mit knapp 27 Jahren bekam sie Prokura, mit ihrem Chef sanierte sie ein Werk. „Von seinem unternehmerischen Weitblick und seinem großen Erfahrungsschatz konnte ich sehr profitieren“, sagt die Diplom-Kauffrau.

Nachholbedarf haben Familienunternehmen aber - wie die gesamte deutsche Wirtschaft - beim Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Flexible Zeitmodelle und organisierte Kinderbetreuung sind auch hier selten. So bevorzugen die befragten Familienunternehmer Frauen mit abgeschlossener Familienplanung. „Doch eine familienfreundliche Personalpolitik wird für uns Arbeitgeber wichtiger werden, schon allein aufgrund des demografischen Wandels“, sagt Petra Ledendecker, Unternehmerin und Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen. (HB)

Mitarbeit: Hans-Peter Siebenhaar

Tanja Kewes, Claudia Obmann

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