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Transparent. Nicht der Tankstellenpächter dreht an der Preisschraube – die Mineralölkonzerne beobachten und steuern den Markt zentral und elektronisch.

© dpa

Preisabsprache ohne Worte: Kartellamt kann nicht gegen Spritkonzerne vorgehen

Das Kartellamt kommt nach drei Jahren intensiver Marktbeobachtung zu dem Ergebnis: Auf dem Tankstellenmarkt funktioniert der Wettbewerb nicht. Die Behörde ist trotzdem machtlos. Es fehlen die Beweise.

Die Wettbewerbshüter stellen fest, dass es auf dem deutschen Tankstellenmarkt keinen Wettbewerb gibt: „Die Unternehmen verstehen sich ohne Worte. Das führt zu überhöhten Preisen“, sagte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, am Donnerstag in Bonn. Nach drei Jahren intensiver Marktbeobachtung kommt die Behörde zu einem ernüchternden, von vielen bereits erwarteten Ergebnis: Die fünf großen Mineralölkonzerne Aral/BP, Shell, Jet, Esso und Total bilden ein marktbeherrschendes Oligopol, das die Spritpreise diktiert – ohne dabei nachweisbar gegen Gesetze zu verstoßen. Der Mineralölwirtschaftsverband sieht sich bestätigt, Umweltverbände, ADAC und Politik fordern schärfere Restriktionen für die Anbieter.

„Es gibt für Preisabsprachen keine Belege“, teilte das Kartellamt mit. Das häufig zu beobachtende „parallele Preisverhalten“ an den Tankstellen sei „kartellrechtlich nicht angreifbar“. Es sei erlaubt, dass die Oligopolisten ihre Preise untereinander beobachteten und dann elektronisch steuerten. „Die Preise an den Kennzeichnungstafeln und Zapfsäulen der Tankstellen werden nicht vom einzelnen Tankstellenbetreiber umgestellt“, berichtete das Kartellamt. „Dies wird von den Konzernzentralen gesteuert.“ In aller Regel würden die Preise nur einmal am Tag angepasst. Dabei sei festzustellen, dass die Preise seltener, aber dafür stärker erhöht als gesenkt würden.

Widerlegt wird das Argument aus der Branche, bei einer höheren Nachfrage sei es legitim, die Preise zu erhöhen – etwa vor Wochenenden und Feiertagen. „Unsere Untersuchung zeigt, dass die Nachfrage freitags gegenüber anderen Wochentagen nicht besonders hoch ist“, teilten die Kartellwächter mit. Auch die Begründung, steigende Rohölpreise führten quasi automatisch zu steigenden Spritpreisen, hält die Behörde nicht für stichhaltig. „Nachfrage und Angebot an Diesel und Benzin unterscheiden sich von Nachfrage und Angebot nach Rohöl: Getankt wird Benzin, nicht Rohöl“, heißt es.

Das Fazit des Kartellamts: An der Marktstruktur – 65 Prozent des Marktes werden von fünf Anbietern beherrscht – kann die Behörde nichts ändern, auch die Preise kann sie nicht beeinflussen. „Eine Zerschlagung der Konzerne ist nicht möglich.“ Aber: Das Kartellamt werde „verstärkt gegen das Oligopol einschreiten, wo dies von Gesetzes wegen möglich ist“. So würden Zukäufe der fünf Betreiber künftig untersagt oder nur unter Auflagen genehmigt. Schließlich appelliert die Behörde an die Kunden. Der Verbraucher könne selbst entscheiden, wo er tanke.

Der ADAC hält es für richtig, den Einfluss der marktbeherrschenden Konzerne zu beschränken. Gefragt sei auch der Bundeswirtschaftsminister. Er müsse alle Optionen für schärfere Regeln auf dem Kraftstoffmarkt prüfen und auf den Tisch legen. Philipp Rösler (FDP) hatte bereits gesagt, er wolle prüfen, „ob es sinnvoll ist, dass Preise täglich nur einmal geändert werden dürfen“. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte bereits eine Verschärfung des Kartellrechts angedeutet.

Der Mineralölwirtschaftsverband betonte, die Kraftstoffpreise in Deutschland zählten „vor Steuern und Abgaben zu den günstigsten in Europa“. Selbst wenn die Tankstellen auf ihren Gewinn verzichteten, sinke der Benzinpreis nur um einen Cent, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Klaus Picard.

Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland nannte diese Äußerung „völlig absurd“. Die Mineralölkonzerne seien an allen Stationen der Wertschöpfungskette aktiv. „Sie haben also die Möglichkeit, jederzeit die Preise an der Quelle, beim Transport und ab Raffinerie zu erhöhen.“

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