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Bunte Farben, schwarze Zahlen. Die 30 deutschen Baumarkt- und Heimbedarfketten machen fast alle gute Geschäfte. Viele Menschen geben ihr Geld im Moment lieber für ein hübsches Zuhause aus als für Auto, Urlaub oder Kleidung. Foto: mauritius images

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Wirtschaft: Kasse machen in der Krise

Vom Discounter bis zur Modekette – wer billig ist, gewinnt. Und: Baumärkte profitieren von der neuen Lust am schönen Zuhause

Die Zugpferde der deutschen Wirtschaft lahmen – Autoindustrie, Anlagenbauer, Baukonzerne. Ihr Schlüsselwert ist die Stahlproduktion: minus 50,3 Prozent von 2008 auf 2009. Das ist die eine Seite der Krise. Doch es gibt auch Gewinner. Die Verbraucher haben die Baumärkte zu ihren Lieblingen gemacht.

Überraschend schnell und radikal haben die Bundesbürger unter dem Druck der anhaltenden Wirtschaftskrise ihr Konsumverhalten geändert – so heftig, dass selbst Wirtschafts- und Konsumforscher überrascht sind. Erst schien es, als könnte die Krise den deutschen Verbrauchern nichts anhaben, sogar das 2008er Weihnachtsgeschäft lief noch fast wie gewohnt. Aber dann: „Nach einer Phase des schon fast trotzig wirkenden Festhaltens an ,alten‘ Konsumgewohnheiten, ist die Wirtschaftskrise im Bewusstsein der Konsumenten angekommen“, sagt Imke Stork vom Marktforschungsinstitut YouGov Psychonomics AG.

Zahlen belegen die Verwerfungen bei der Binnennachfrage: Die Ausgaben für Gastronomie und Freizeitgestaltung kürzen die Deutschen um 49 Prozent, für Kleidung um 37 Prozent. Ebenfalls 37 Prozent werden bei Auto und Urlaub eingespart, auch beim Energieverbrauch wird geknausert – minus 25 Prozent. Nur für ihr Zuhause gönnen sich die Deutschen mehr denn je: „Cocooning“ nennen Sozialforscher den Trend. Und es ist für Psychologen keine Neuigkeit, dass die Menschen sich unter Druck enger in der Familie zusammenschließen, sich einspinnen wie in einen Kokon. Branchen, die anbieten, was das Zuhause schöner macht, werden daher mit guten Umsätzen belohnt. Und: Kurzarbeiter – das waren in den letzten Monaten bis zu 1,5 Millionen – hatten mehr als eine Hand frei. Viele haben notgedrungen ihre Zeit in die eigenen vier Wände investiert.

Die 30 Baumarkt- und Heimbedarfketten in Deutschland schreiben fast durch die Bank schwarze Zahlen. Den höchsten Sprung machte 2009 EMV-Profi mit 5,4 Prozent hinter einem Pluszeichen. Die anderen Baumärkte stehen um 1,4 bis vier Prozent besser da. Selbst den Umsatz zu halten (Hagebau) ist in diesen Zeiten schon ein guter Wert. Nur die Praktiker-Märkte hinken hinterher. Trotz der Rabattschlachten („Alles außer Tiernahrung“) bleibt laut Fachpresse für 2009 ein Minus von 6,8 Prozent. Andererseits schrauben die Praktiker noch an der Übernahme von Max Bahr und an den Auslandsinvestitionen. Marktführer OBI (Tengelmann-Gruppe) macht gern ein Geheimnis um die Zahlen, aber Marktkenner halten einen Zuwachs von 1,6 Prozent für nicht übertrieben.

Geizig mit genauen Angaben sind auch die Discounter-Häuptlinge Aldi und Lidl. Die Konsumforscher der Gruppe GfK (Nürnberg) berechnen, dass die Deutschen für Güter des täglichen Bedarf etwas mehr als 151 Milliarden Euro im Jahr ausgeben, davon gehen 44 Prozent in die Kassen der Discountketten. Diese Handelsform trifft in der Krise voll den Nerv der Verbraucher, inzwischen ist der Markt aber ausgereizt – die Discounter sind zum Laden an der Ecke geworden: Niemand braucht mehr als zehn Autominuten zum nächsten Billigmarkt.

Wer seinen Kunden die besten Preise machen kann, gewinnt in der Krise. Bequemlichkeitsaspekte zählten nicht mehr viel, meint Imke Stork von YouGov Psychonomics, „der Preis ist viel wichtiger“. Deswegen schlagen die „No Names“ inzwischen die Markenprodukte aus dem Feld (58 Prozent).

In der Gastronomie sieht das Bild nicht viel anders als. Mit Pizza und Pommes aus den Fast-Food-Ketten kann man noch Geld verdienen, während die Kellner in den Gaststätten leere Tische hüten. Drogerieketten hängen die Luxusparfümerien ab, Billigtextilhändler die Modehäuser. Wer Umsatz machen will, muss mit Schnäppchenpreisen werben – die Handelshäuser von C&A bis H&M wissen, dass auch die Disco-Jugend aufs Geld achtet, und bleiben dank viel Werbung und nachvollziehbaren Preise in den schwarzen Zahlen.

In den Wirtschaftszweigen, in denen die Kunden wenig zu bestellen haben, machen Unternehmen die Krisengewinner unter sich aus. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage sind die öffentlichen Kreditinstitute, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken, allenfalls die moralischen Sieger. Die Verbraucher honorieren zwar deren vernünftige Rolle in der Finanzkrise, die Geschäftsbanken aber machen inzwischen wieder beste Gewinne mit den günstig vom Staat gepumpten Milliarden. Es gibt satte Prognosen für das erste Quartal 2010. Und richtig Geld ziehen aus der Krise, das gelingt immer noch den Hedgefondsmanagern. Die Top-25 der Spekulanten an der Wall Street, rechnete das US-Branchenmagazin „alpha“ aus, brachten es 2009 im Durchschnitt auf 460 Millionen Dollar Jahreseinkommen – jeder für sich.

Doch Verbraucher können auch anders: ihr Geld zu Hause hüten. Tresorhersteller melden ein Umsatzplus von 25 Prozent. Auch das ist ein Trend in der Krise.

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