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Wirtschaft: Kassen sparen 1,4 Milliarden bei Medikamenten

Gesundheitsreform drückt Arznei-Ausgaben im ersten Halbjahr – die Krankenkassen-Beiträge dürften dennoch kaum sinken

Berlin - Die Krankenkassen haben im ersten Halbjahr 1,4 Milliarden Euro weniger für Arzneimittel ausgeben als Anfang 2003. Das teilte am Mittwoch die Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) in Berlin mit. Experten erklärten dies mit der Gesundheitsreform, die seit Anfang des Jahres in Kraft ist. Weitere spürbare Senkungen der Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen halten sie aber für unwahrscheinlich. „Ich glaube nicht, dass die Beiträge unter die Marke von 14 Prozent sinken werden“, sagte Gerd Glaeske, der dem Gesundheits-Sachverständigenrat angehört. Ein Sprecher des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) lobte zwar die gesunkenen Arzneimittelausgaben im ersten Halbjahr, warnte aber davor, die Zahlen auf das Gesamtjahr hochzurechnen. „Das wird nicht funktionieren“, sagte der BKK-Sprecher. Als Grund nannte er unter anderem die künftige Befreiung vieler Versicherter von den Zuzahlungen.

Zwischen Januar und Ende Juni mussten die Krankenkassen insgesamt 9,26 Milliarden Euro für Medikamente ausgeben – das waren 13,4 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Im Rahmen der Gesundheitsreform hatte die rot-grüne Regierung im vergangenen Jahr deutlich höhere Arzneimittel-Zuzahlungen für die Patienten beschlossen. Außerdem erstatten die Kassen die Kosten für viele rezeptfreie Medikamente nicht mehr. Die Praxisgebühr und die deshalb gesunkene Zahl der Arztbesuche könnten auch dazu geführt haben, dass die Mediziner weniger Rezepte ausgestellt hätten, vermutete ein Sprecher der DAK. Die Gebühr habe zudem dazu geführt, dass vor allem chronisch Kranke kurz vor Ende des Quartals noch einmal zum Arzt gegangen seien, um sich mit Rezepten einzudecken und im Folgequartal nicht die Praxisgebühr zu zahlen. In den vergangenen Jahren hatten die Medikamente stets zu den stärksten Kostentreibern in der gesetzlichen Krankenversicherung geführt. Die Bundesregierung hatte gehofft, dass durch die Gesundheitsreform in diesem Jahr insgesamt drei Milliarden Euro eingespart werden können.

Ob die Arznei-Ausgaben allerdings auch im zweiten Halbjahr in gleichem Maße sinken werden, bezweifeln Kassen und Fachleute. „In der zweiten Jahreshälfte werden sich viele Patienten von Zuzahlungen befreien lassen können, dann steigen auch die Arztbesuche und die Arzneiausgaben wieder“, prognostizierte Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom an der Universität Essen. Chronisch Kranke müssen nur ein Prozent, sozial Schwache zwei Prozent ihres Jahreseinkommens für Zuzahlungen ausgeben.

Das Bundesgesundheitsministerium erwartet dennoch, das Sparziel zu erreichen. Der Rückgang bei den Arzneiausgaben werde sich fortsetzen. „Wir erwarten, dass die Einsparziele erreicht werden und die Beitragssätze der gesetzlichen Kassen bis zum Jahresende deutlich unter 14 Prozent sinken werden“, sagte eine Sprecherin. Gesundheitsökonomen bezweifeln das aber. „Die Kassen waren mit acht bis neun Milliarden Euro verschuldet, die müssen sie erst einmal zurückzahlen“, sagte Wasem. „Die Kassen haben keinen Spielraum – eine 13 vor dem Komma beim durchschnittlichen Beitragssatz würde mich sehr überraschen“, sagte auch sein Kollege Glaeske.

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