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Im Schnitt zu wenig. Mit 6,50 Euro in der Stunde ist der Mindestlohn für Friseure nicht wirklich üppig.

© dpa

Mindestlohn bei Friseuren: Kein Männer-Haarschnitt unter 20 Euro

Seit einem Jahr gilt bei den Friseuren ein Mindestlohn. Die Arbeitgeber halten sich weitgehend an die Lohnuntergrenze - und verlangen unbezahlte Überstunden. Die Preise steigen kräftig.

6,50 Euro Stundenlohn sind nicht die Welt - und blieben dennoch bis zum vergangenen Jahr für viele Friseurangestellte unerreichbar. Zum 1. August 2013 hatten sich Handwerk und die Gewerkschaft Verdi auf eine bundesweite Lohnuntergrenze geeinigt, die gerade im weitgehend tariffreien Osten zum neuen Mindestlohn werden soll. Ein Jahr später sprechen die Tarifpartner vor der nächsten Stufe von einem Erfolg, auch weil die zusätzlichen Kosten über höhere Preise an die Kunden weitergegeben werden konnten.

Ob der Mindestlohn, der im Laufe des kommenden Jahres bundesweit auf 8,50 Euro steigt, in allen Betrieben tatsächlich gezahlt wird, ist nicht sicher. Die Gewerkschaft Verdi hat bislang nur wenige Klagen der Beschäftigten gehört und geht wie die Arbeitgeber davon aus, dass der Tarifvertrag im Großen und Ganzen eingehalten wird.

Gedreht werde eher an der Arbeitszeit, manche Chefs verlangten unbezahlte Überstunden, sagt Verdi-Sprecher Volker Nüsse. „Es wird nicht so genau auf die Arbeitszeit geschaut.“

Geringer Verdienst verschreckt potenziellen Nachwuchs

Mit der tariflichen Lösung ist die Branche der gesetzlichen Regelung zuvorgekommen, die aber mutmaßlich zum notwendigen Einigungsdruck beigetragen hat. „Wir wollten die dreijährige Übergangszeit und das unterschiedliche Tempo in Ost und West“, sagt der Geschäftsführer des Zentralverbands des Friseurhandwerks, Rainer Röhr. „Und wir waren es leid, immer in die Billigecke gestellt zu werden.“

Die Tarifpartner haben die Lohnuntergrenze mit hohen Erwartungen versehen. „Lohndumping hat im Friseurhandwerk keinen Platz. Ebenso wenig wie Preisdumping. Denn Löhne und Preise sind im personal- und arbeitsintensiven Friseurhandwerk zwei Seiten einer Münze“, formulierte der Zentralverband nach der Einigung.

Zum kompletten Bild gehört auch, dass sich wegen der geringen Verdienstmöglichkeiten und des sinkenden Images immer weniger junge Menschen für eine Friseurlehre begeistern ließen. Im vergangenen Jahr fingen nur noch 11.033 Lehrlinge an, 7,5 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Preise steigen deutlich stärker als im Durchschnitt

Die Preise für Haarschnitte und weitere Dienstleistungen sind in der Folge des Mindestlohns bereits deutlich gestiegen und werden weiter klettern. Ein Männer-Haarschnitt für unter 20 Euro sei künftig nicht mehr machbar, ließ sich Michael Klier von der gleichnamigen Friseur-Kette aus Wolfsburg in der Diskussion vernehmen. Seine Kette hat 2013 die Preiserhöhungen offensiv kommuniziert und dafür bei den Kunden nicht nur Verständnis geerntet. „Da ist auch mancher vom Stuhl aufgestanden“, berichtet Unternehmenssprecher Rüdiger Schmitt.

Einer Branchenanalyse des Münchner Ifo-Instituts zufolge hat sich der Preisanstieg bei den Friseuren seit Mitte 2013 kräftig verschärft und betrug zu Jahresbeginn bereits 4,5 Prozent - deutlich über der allgemeinen Preissteigerungsrate von derzeit gut einem Prozent.

Konkurrenz aus Polen und von Kleinunternehmern

Die höheren Preise scheinen derzeit gut durchsetzbar: Die stabile Gesamtkonjunktur mit guter Beschäftigungslage und wachsender Kaufkraft lässt die Friseure auf weiter steigende Umsätze in diesem und im nächsten Jahr hoffen. Zuletzt war die Zahl der regelmäßigen Salonbesucher wieder auf knapp zwei Drittel gestiegen.

Doch das muss nicht immer so weitergehen, denn das Handwerk steht durchaus in einem harten Preiswettbewerb. Nicht nur in den Grenzgebieten Polens und Tschechiens sind die Preise für einen Männerschnitt weit von den 20 Euro Kliers entfernt. Kleinstsalons in den Großstädten und auf dem Land erledigen einen simplen Haarschnitt auch weit unter dieser Marke.

Branchenverband: Schwarzarbeit gehört zum Alltag

Mindestens 20.000 Friseursalons bundesweit zahlen keine Umsatzsteuer, weil sie gegenüber dem Finanzamt einen Jahresumsatz von weniger als 17.500 Euro erwarten. Wie viel Geld sie hinterher tatsächlich in der Kasse haben, kontrolliere niemand, beklagt der Verband.

Den Kostenvorteil von 19 Prozent könnten die kleinen Anbieter nahezu vollständig an die Kunden weitergeben. Vernachlässigte Altersvorsorge und Selbstausbeutung brächten für den Moment weiter Kostenvorteile.

Außerdem gehöre im Friseurhandwerk die Schwarzarbeit zum Alltag, beklagt der Verband. Einfach als Nachbarschaftshilfe zu tarnen, gilt das diskrete Geschäft nach Feierabend als unkontrollierbar. Bis zu zwei Milliarden Euro Umsatz gehe auf diese Weise den regulären Betrieben verloren. (dpa)

Christian Ebner

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