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Wirtschaft: Kerkorian gegen Schrempp vor Gericht

Beginn des Prozesses um Schadenersatz in Milliardenhöhe wegen der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler

Wilmingt on/Berlin (dpa/Tsp). Drei Jahre nach Einreichung der Klage beginnt an diesem Montag der MilliardenProzess des US-Investors Kirk Kerkorian gegen Daimler-Chrysler. Der frühere Chrysler-Großaktionär Kerkorian und seine Investmentgesellschaft Tracinda fordern von Daimler-Chrysler Schadenersatz in Milliardenhöhe, weil das Management den Zusammenschluss von Daimler-Benz mit Chrysler 1998 fälschlicherweise als „Fusion unter Gleichen“ ausgegeben habe. In Wirklichkeit sei es eine Übernahme gewesen. Vor einem Bundesgericht in Wilmington (US-Staat Delaware) nehmen nun die Anwälte beider Seiten ihre Zeugen ins Kreuzverhör. Dass Daimler-Chrysler ein deutsch geprägtes Unternehmen ist, muss nach Expertenmeinung kein Nachteil in dem Verfahren sein.

Der 86-jährige Kerkorian argumentiert, er hätte im Falle einer Übernahme einen höheren Preis beim Tausch seiner Aktien erhalten können. Daimler-Chrysler bezeichnet die Vorwürfe als haltlos; die wichtigen Gremien des neuen Unternehmens seien gleichberechtigt besetzt worden. Tracinda habe sogar auf den Zusammenschluss gedrängt, weil er ein gutes Geschäft für den Investor gewesen sei. Der Richter Joseph Farnan Jr., der über den Fall allein entscheidet, hatte einen Antrag Daimler-Chryslers, das Verfahren ohne mündliche Verhandlung zu beenden, abgelehnt.

Keine Geschworenen

Mit Spannung werden die Auftritte des Milliardärs Kerkorian, der seinen Reichtum vor allem Geschäften in Las Vegas verdankt, und des Daimler-Chrysler-Vorstandschefs Jürgen Schrempp erwartet. Schrempp gilt als Hauptverantwortlicher der „Eheschließung im Himmel“ zwischen Daimler-Benz und Chrysler im Jahr 1998. Kerkorian könnte bereits am ersten Verhandlungstag aussagen. Mit Schrempps Erscheinen wird für die zweite Verhandlungswoche gerechnet. Nach dem letzten Verhandlungstag (17. Dezember) erwartet Daimler-Chrysler ein Urteil nicht vor März 2004.

Spekulationen, das belastete deutsch-amerikanische Verhältnis könne das Gericht beeinflussen, hält der Experte Thomas Mahlich für übertrieben. „In einem Geschworenenprozess wäre das Risiko größer“, sagte der Leiter der deutschen Prozessabteilung bei der US-Anwaltskanzlei Jones Day auf Anfrage. „Die Automarke Mercedes-Benz löst dort positive Assoziationen aus.“ Mahlich widersprach dem Eindruck in Deutschland, die US-Rechtsprechung sei unberechenbar. Das Prozesssystem sei in den USA „klägerfreundlicher als bei uns.“ Der Richter greife selten in die mündliche Verhandlung ein, die Befragung der Zeugen übernähmen die Anwälte. „Die Autorität des Richters ist in den USA um ein Vielfaches höher als in einem deutschen Zivilprozess“, sagte Mahlich. Einen Vergleich hält Mahlich für unwahrscheinlich: „Dafür ist es jetzt relativ spät.“

In einer Auseinandersetzung mit Chrysler-Kleinaktionären, die aus dem gleichen Grund wie Kerkorian klagten, einigten sich die Parteien im Sommer auf einen Vergleich. Daimler-Chrysler zahlte 300 Millionen Dollar – die Forderung hatte bei 22 Milliarden Dollar gelegen – die zum großen Teil von einer Versicherung übernommen wurden. Der damalige Prozess war vor einen Geschworenengericht anberaumt worden. In Kerkorians Verfahren wurde ein entsprechender Antrag von Kerkorians Tracinda abgelehnt, was als Vorteil für Daimler-Chrysler gewertet wird, da ehrenamtliche Geschworene wesentlich unberechenbarer seien als ein Richter. Kerkorians Klage beläuft sich auf rund acht Milliarden Dollar und stützt sich auf ein Interview, das Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp vor drei Jahren der „Financial Times“ gab. In dem Gespräch ließ Schrempp durchblicken, dass er aus „psychologischen Gründen“ den Umweg einer Fusion wählte, um aus Chrysler anschließend nur eine Sparte des Konzerns zu machen.

Kerkorian hat eine bunte Karriere hinter sich. Er schlug sich als Boxer durch, trug Zeitungen aus und verkaufte Autos. Sein Vermögen machte er als Käufer und Verkäufer von Unternehmen. Das Hollywood-Studio Metro Goldwyn Mayer kaufte und verkaufte er gleich ein paar Mal. In Las Vegas zählte er zu den größten Investoren. Auch an Chrysler war er mehrmals beteiligt, der Anteil stieg auf bis zu 14 Prozent. Drei Jahre vor der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler versuchte er selbst, den drittgrößten US-Autohersteller zu übernehmen. Vergeblich.

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