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Wirtschaft: Kerkorian will von Daimler mehr als eine Milliarde

Prozessauftakt zur umstrittenen Fusion mit Chrysler

Wilmington (dpa). Der USInvestor Kirk Kerkorian ist bescheidener mit seinen Schadenersatzforderungen gegen den Autokonzern Daimler-Chrysler geworden. Er wolle mehr als eine Milliarde Dollar erklärte Kerkorians Anwalt Terry Christensen am Montag zum Auftakt des Prozesses um die Fusion von Daimler-Benz mit Chrysler 1998 vor einem US-Bundesgericht. Bei der Einreichung der Klage vor drei Jahren war ein Betrag von acht Milliarden Dollar genannt worden.

Der Milliarden-Prozess begann am Montag in Wilmington mit scharfzüngigen Plädoyers der Anwälte. Der frühere Chrysler-Großaktionär Kerkorian und seine Investment-Gesellschaft Tracinda werfen dem Management unter Führung von Vorstandschef Jürgen Schrempp vor, den Zusammenschluss zwischen Daimler-Benz und Chrysler 1998 fälschlicherweise als „Fusion unter Gleichen“ ausgegeben zu haben. Tatsächlich sei es eine Übernahme gewesen.

Nach der Schilderung von Tracinda-Anwalt Terry Christensen hatten clevere Daimler-Benz-Manager einen heimlichen Plan geschmiedet, um die Macht bei dem amerikanischen Autokonzern zu übernehmen. „Es war schlicht und einfach klassischer Betrug. Sie übernahmen die Kontrolle und haben nicht dafür gezahlt.“ Im Fall eines „Takeovers“ hätte Kerkorian, der fast 14 Prozent der Chrysler-Anteile hielt, einen höheren Aufschlag beim Tausch seiner Aktien erhalten als bei der gleichberechtigten Fusion, die offiziell umgesetzt wurde.

Daimler-Chrysler-Anwalt Jonathan Lerner attackierte die Darstellung der Gegenseite, Kerkorian sei als unschuldiger Investor hinters Licht geführt worden. „Tracinda wollte diesen Zusammenschluss um jeden Preis“, sagte Lerner. Der Investor habe gewusst, dass auf Grund der anfälligen Autokonjunktur die Aussichten für Chrysler als einzelnes Unternehmen ungünstig gewesen seien. Auf Medienberichte, dass die deutsche Seite in dem neuen Konzern ein stärkeres Gewicht erlangen werde, habe man gar nicht erst reagiert. „Tracinda war eine Fusion unter Gleichen immer gleichgültig.“ Erst als der Aktienkurs tiefer und tiefer sank, seien Kerkorians Helfer auf die Idee gekommen zu klagen.

Paragrafen und andere juristische Finessen kamen in den Erklärungen der Anwälte kaum vor. Statt dessen konfrontierten sie den Richter mit Video-Ausschnitten aus einem Interview Kerkorians und einer Tonband-Aufzeichnung Schrempps. Um zu demonstrieren, dass sich die Zahl der Amerikaner im Daimler-Chrysler-Vorstand seit der Fusion von acht auf einen verringert hat, ließ Christensen ein Schaubild mit deutschen und amerikanischen Fahnen aufstellen.

Richter Joseph Farnan hörte sich die Vorträge der Juristen mit gelassener Miene an. Er entscheidet den Fall allein, nachdem Tracinda in einer früheren Vereinbarung auf die sonst in den USA üblichen Geschworenen verzichtet hatte. Nach Einschätzung von Rechtsexperten wäre eine Jury anfälliger für emotionale Argumente. Am Montagnachmittag (Ortszeit) sollte das Kreuzverhör der Zeugen beginnen. Kerkorian wird wohl am Dienstag aussagen, Schrempp erst in der zweiten Prozesswoche.

Das Verfahren ist bis zum 17. Dezember angesetzt, ein Urteil wird im Frühjahr 2004 erwartet. Im Anschluss wären eine Berufung in zweiter Instanz, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde, und theoretisch auch der Gang zum obersten Gerichtshof möglich. Der Prozess gilt als einer der spektakulärsten in der Wirtschaftsgeschichte. Nicht völlig ausgeschlossen ist auch ein Vergleich. Mit früheren Chrysler-Kleinaktionären, die aus dem gleichen Grund wie Kerkorian klagten, hatte sich Daimler-Chrysler im Sommer auf die Zahlung 300 Millionen Dollar (252 Mio Euro) geeinigt.

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