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Wirtschaft: Kinder an der Macht

Haufenweise Teddybären, ein Meter hohe Figuren aus Legosteinen, viele bunte und aufregende Spiele, Puppen und Bälle. Da bekommt die kleine Annalena, die an der Hand ihrer Mutter durch die vorweihnachtlich geschmückte Spielwarenabteilung läuft, ganz große Augen.

Haufenweise Teddybären, ein Meter hohe Figuren aus Legosteinen, viele bunte und aufregende Spiele, Puppen und Bälle. Da bekommt die kleine Annalena, die an der Hand ihrer Mutter durch die vorweihnachtlich geschmückte Spielwarenabteilung läuft, ganz große Augen. "Mama, kriege ich die?", fragt sie zögerlich, dann quängelig und schließlich greift sie nach einer bunten Puppe. Weil Mama dann immer noch nicht kaufen will, kullern Tränen über das kleine Gesicht.

Weinende Kinder in Spielwarenabteilungen sind zur Adventszeit keine Seltenheit. Dabei sind die Kleinen doch die Lieblinge der Geschäfte. "Sie sind eine sehr wichtige und interessante Kundengruppe", sagt ein Kaufhof-Sprecher. Die Kaufhäuser gäben sich große Mühe, um den Nachwuchs anzusprechen. Ein Rundgang durch die Geschäfte bestätigt das: Kaum eines, das die leuchtend bunten Spielwaren nicht ganz nah an der Rolltreppe platziert, um die Wege kurz zu halten. Kaum eines, das vor Weihnachten nicht die Schaufenster liebevoll mit märchenhaften Figuren dekoriert.

Kinder sind dankbare Kunden. Sie lassen sich von der farbenfrohen Glitzerwelt verführen, wollen die angepriesenen Waren am liebsten sofort haben. Denn Kinder kaufen noch wesentlich emotionaler als Erwachsene. Sie sind keine kritischen Kunden. "Der Kaufanreiz wirkt bei ihnen noch viel unmittelbarer", sagt Heiko Wicherhaus von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Doch die Zielgruppe heißt nicht "Kind", die Zielgruppe heißt "Eltern mit Kind". Der Nachwuchs wird angesprochen, um die Geldbörsen der Eltern zu öffnen. Denn die Marktmacht der unter 14-Jährigen liegt vor allem in ihrem Einfluss auf die Eltern. Rund 81 Prozent der sechs- bis 17-Jährigen beeinflusst einer Studie des Egmont Ehapa Verlags zufolge die Eltern beim Kauf von Süßwaren. 80 Prozent beispielsweise mischen sich ein, wenn es um Frühstücksprodukte geht. Und auch bei größeren Anschaffungen wie Fernseher oder Computer dürfen die Kids in aller Regel ein Wörtchen mitreden. Denn häufig haben sie mehr Ahnung von den Artikeln als ihre Eltern und werden dementsprechend ernst genommen.

Aber auch wenn der Nachwuchs nicht direkt am familiären Entscheidungsprozess beteiligt wird, weiß er seinen Einfluss geltend zu machen. "Sie schreien, quängeln, heulen und wälzen sich manchmal sogar auf dem Fußboden des Ladens, wenn sie etwas unbedingt haben wollen", sagt Gerlinde Unverzagt, Autorin des Buchs "Konsum-Kinder" und selbst Mutter von vier Kindern. "Das ist den Eltern oft so peinlich, dass sie doch kaufen."

Kinder schenken kreativ

"Von einem eigenen Kaufverhalten kann man bei Kindern unter 14 Jahren bisher nur eingeschränkt sprechen", sagt Verbraucherschützer Wicherhaus. Ihr Taschengeld geben sie größtenteils für Süßigkeiten im Schulkiosk aus. Und auch zur Weihnachtszeit wird nicht wesentlich mehr gekauft, denn Kinder schenken in der Regel kreativ: Sie basteln aus allem, was sie zu Hause, im Kindergarten oder in der Schule unter die Finger bekommen, oder sie malen beispielsweise Bilder.

Allerdings nimmt die Bedeutung der Kids als Konsumenten langsam aber sicher zu. Einer aktuellen Studie zufolge verfügen Kinder zwischen sechs und 17 Jahren mittlerweile über eine jährliche Kaufkraft von 20,35 Milliarden Mark. Tendenz steigend. Und sie fangen immmer früher an, das Geld auch selbstständig auszugeben.

Doch neben ihrem Einfluss auf die Eltern und ihrem eigenen Geld haben Kinder noch eine andere Eigenschaft, die sie zur Lieblingszielgruppe von Geschäften und Werbung machen. "Die kleinen Kunden von heute sind die großen Kunden von morgen", formuliert es ein Kaufhof-Sprecher. Doch was die Geschäfte als Chance begreifen, ärgert die Kritiker. "Den Kindern wird schon sehr früh ein extremes Markenbewusstsein eingepflanzt. In sie als Kundengruppe zu investieren ist sehr langfristig gedacht und unglaublich lohnend", sagt die Buchautorin Unverzagt. "Und das wissen die Werbeagenturen meistens besser als die Eltern." Schon Dreijährige können inzwischen Marken erkennen. Für Werbeagenturen gelten Kinder ab vier Jahren als Zielgruppe. "Was früher Produkte waren, sind heute Marken", sagt Verbraucherschützer Wichelmann und erwähnt das klassische Beispiel der Taschentücher, aus denen Tempos wurden.

Werber setzten auf die junge Zielgruppe, weil sich die Marken so über einen langen Zeitraum etablieren könnten. "Das klappt. In einer Studie haben 50 Prozent der an die 30-Jährigen bestätigt, dass sie noch immer die gleiche Marke nutzen wie mit 15." Aber auch aus einem Kind kann ein kritischer Kunde werden, glaubt Unverzagt. "Man kann ihnen erklären, was Werbung bezweckt."

Verbraucherschützer Wichelhaus empfiehlt Eltern, die mit ihren Kindern einkaufen gehen, vorher ganz klare Abmachungen zu treffen. Und speziell in den Vorweihnachtstagen sollten sie auf den altbekannten Wunschzettel zurückgreifen. "Lassen Sie sich die Wünsche vorher aufschreiben, und gehen Sie dann ohne Kind einkaufen. Es ist wirklich nicht sinnvoll, mit dem Kind durch die vollen Spielwarenabteilungen zu laufen". Bei einer solchen Reizüberflutung werden die Kinder einfach überfordert".

Hannah Wilhelm, Till Hoppe

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