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Frauen in Südafrika: Kleine Geschäfte – große Hoffnungen

Frauen sind in Südafrika am stärksten von Armut betroffen. Doch immer mehr von ihnen machen sich selbstständig und gründen kleine Firmen. Ihr Motto: Nicht aufgeben.

Johannesburg - Thandi Johnson verdient etwa 500 Euro im Monat, aber sie ist ihr eigener Chef und kann ihre drei Angestellten bezahlen. In ihrem 17 Quadratmeter großen Geschäft in der Maponya Mall in Soweto, eine Township von Johannesburg, verkauft sie Catering-Zubehör. Johnson ist eine der vielen Kleinunternehmerinnen in Südafrika, die es geschafft haben, dem informellen Markt zu entfliehen. Gerade hat sie ihr Geschäft um einen Ausstellungsstand auf dem Gang des Einkaufszentrums erweitert. „Es läuft so gut wie nie, weil mehr Kunden auf mein Geschäft aufmerksam werden“, sagt die 44-Jährige. Das war nicht immer so.

Südafrika ist eine wachsende Wirtschaftsnation geworden. Doch auch 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid gibt es immer noch ein großes Wohlstandsgefälle. Frauen sind am meisten von der Armut betroffen. Doch es gibt eine wachsende Gruppe mit enormem ökonomischen Potenzial: Das wachsende Heer selbstständiger Kleinunternehmerinnen, zu denen auch Johnson gehört. Sie sind überproportional unternehmerisch aktiv und von einem starken Verantwortungsbewusstsein für die Familie geprägt. In den Wirtschaftszentren, die nahe der Townships aufblühen, eröffnen sich ihnen neue Einkommensquellen.

Das Leben in die eigenen Hände nehmen zu können, ist ein Privileg. Um ihrer Familie ein besseres Leben zu ermöglichen, brauchen vor allem Frauen in Südafrika Geld. „Sie übernehmen in den meisten Fällen die Verantwortung in der Familie, selbst wenn ihre Ehemänner mehr Geld verdienen“, sagt Zini Godden, Projektleiterin von Inwent, einer internationalen Organisation für lokale Wirtschaftsförderung.

Auch wenn die südafrikanische Verfassung als vorbildlich in Sachen Geschlechtergerechtigkeit gilt, sieht die Realität der unterpriviligierten, nichtweißen Frauen oft anders aus. Die Männer versuchen, ihre traditionellen Vorstellungen von Macht über Frauen und Kinder auszuleben. Es sind auch die Folgen unterdrückter männlicher Identität während der Apartheid, die ein Ventil suchen. Doch die Verantwortung für die Familie bleibt am Ende bei den Frauen. Ein Grund dafür, warum viele mit einer informellen Beschäftigung ihr Geld verdienen.

In den südafrikanischen Townships gibt es, im Gegensatz zu anderen Weltregionen, kaum eine Unternehmertradition. Die restriktive Apartheidgesetzgebung, die derartige Aktivitäten weitgehend unterdrückte, wirkt bis heute nach. Mangelnde Kenntnisse und fehlender Unternehmergeist verhindern eine dynamische Entwicklung des sogenannten informellen Sektors, in dem etwa 20 Prozent der 13 Millionen arbeitenden Südafrikaner tätig sind. Der informelle Sektor ist eine Art Parallelökonomie, die nicht von der offiziellen Statistik erfasst wird. In den Industrieländern würde man Schattenwirtschaft dazu sagen oder Schwarzarbeit. In den meisten Entwicklungsländern gehören die Herstellung und der Verkauf von Produkten auf lokalen Märkten und einfache Dienstleistungen wie Schuheputzen oder Haareschneiden dazu. Beide Sektoren miteinander zu verbinden ist eines der Schlüsselelemente südafrikanischer und entwicklungspolitischer Wirtschaftsstrategien.

„Wichtig ist, dass die Frauen ein Netzwerk aufbauen, sich gegenseitig unterstützen und die richtige Adresse für eine entsprechende Beratung haben“, sagt Zini Godden. Die Stärkung von Frauen hat sich auch der im Jahr 2000 gegründete südafrikanische Unternehmerfrauen- und Lobbyverband „Business Woman Association“ (BWA) zum Ziel gesetzt. Thandi Johnson ist hier seit letztem Jahr Mitglied. An zehn Standpunkten im Land berät die BWA selbstständige Frauen. Denn die wirtschaftlichen Grundregeln sind für die meisten nicht selbstverständlich. „Wir verstehen uns als die Stimme der Geschäftsfrauen hier im Land“, sagt Busi Mkhabele, Koordinatorin der Zweigstelle in Soweto.

Regelmäßige Treffen, Mentoring, Beratung, Rückhalt und ein viermal im Jahr erscheinendes Magazin soll die Frauen über die Entwicklungen in ihrem Marktsegment auf dem Laufenden halten und bestärken. „Es ist wichtig zu lernen, wie man langfristig plant“, sagt Johnson. Auch die 44-Jährige hat einmal auf dem informellen Markt angefangen. Mit ihrem ersten Kind war sie zu Hause geblieben. Doch das Geld ihres Mannes reichte nicht aus. So beschloss sie vor drei Jahren, sich selbstständig zu machen. Weil ihre Idee, Zubehör für Großveranstaltungen wie Hochzeiten oder Trauerfeiern zu vertreiben, Erfolg hatte, verlagerte sie ihren Arbeitsplatz von zu Hause auf einen informellen Stand am Straßenrand in Soweto.

Am 9. Juni 2009 wurde er von einer Planierraupe der Regierung überrollt. Auf dem Platz sollte ein Fanpark für die Weltmeisterschaft entstehen. Johnson und 20 andere informelle Kleinunternehmerinnen verloren ihren Arbeitsplatz. Eine Entschädigung gab es bis heute nicht. Die BWA riet Johnson dazu, ihr Geschäft im Einkaufszentrum wiederzueröffnen. Weil ihr die Banken erst keinen Kredit geben wollten, lieh sie sich Geld bei Bekannten. Seit 2009 sind die Banken spürbar restriktiver geworden. Dies betrifft vor allem auch Hypotheken und Kredite für kleinere Unternehmen, wie die von Johnson. „Ich musste schnell reagieren, um meinen Kundenstamm nicht zu verlieren“, sagt die Geschäftsfrau. Das Risiko von 600 Euro Miete monatlich habe sie in Kauf genommen. Vier Monate später erhielt sie tatsächlich einen Kredit, den sie heute zurückzahlt.

Nicht aufgeben, das ist auch das Motto von BWA-Mitglied Jane Lebelo. Die 65-Jährige führt ein preisgekröntes Bed & Breakfast, das „Mookhos“ in Soweto. Auf dem Weg dorthin, musste sie auch Tiefschläge in Kauf nehmen. 2003 war ihr Hotel zum Teil niedergebrannt. Eine Versicherung besaß sie nicht. Durch das Netzwerk der BWA konnte sie sich einen Kundenstamm aufbauen, der ihr die Renovierung finanzierte. Heute beherbergt sie in ihrer Unterkunft Geschäftsleute und Kongressgäste für 45 Euro die Nacht im Doppelzimmer. Sie habe sich geehrt gefühlt, als sie zu einer offiziellen Fifa-Unterkunft ernannt worden sei, sagt Lebelo. Auch wenn der Fußballverband am Ende sein Kontingent zurückgezogen und sie nur neun Fangäste beherbergt habe: „Ich habe verdammt viel Glück gehabt – und dabei umso mehr gelernt.“

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