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Ilka und Gloria Poethke und Gloria Pöthke vor ihrem Landen Lindenstraße 11 in Potsdam.

© Kai-Uwe Heinrich

Kleine Kette für Berliner Modelabels: Unikaterie - zwei Schwestern mit drei Läden

Vor neun Jahren eröffnete Ilka Poethke in der Kollwitzstraße die Unikaterie – ein Geschäft für Kleidung und Accessoires von lokalen Labels. Mittlerweile gibt es zwei Ableger. Und viele Überraschungen.

Shoppen am Ku’damm oder in der Friedrichstraße kann ermüdend sein. Überall die gleichen Läden; Ketten, die man zu allem Überdruss auch in Rom, Lissabon oder London findet. Ilka Poethke setzt sich mit ihrem kleinen Souterrain- Laden in der Kollwitzstraße von diesem Einerlei ab. In ihrer Unikaterie verkauft sie Produkte von Kreativen aus der Region, die Stücke sind – der Name verrät es – Unikate, handgemacht. Das Sortiment umfasst hauptsächlich Kleidung, Schmuck und Accessoires von gut 40 Handwerksbetrieben, vor allem Modedesignern. Darunter sind Label wie Stoffrausch, Made By Happy People, Costura oder Vivalelisa.

Ilka Poethke, gebürtig aus Brandenburg und nach einer Zwischenstation in Prenzlauer Berg wohnt sie nun wieder im Umland. Sie kam vor fast zehn Jahren auf die Idee, den Laden zu eröffnen. Sie hat Germanistik studiert, wollte aber „nie Lehrerin werden“, das Studium war ein Zugeständnis an die Mutter, die ihren Wunsch, Modezeichnerin zu werden, abblockte. Doch wie es so ist mit unterdrückten Leidenschaften – irgendwann treten sie mit umso mehr Wucht an die Oberfläche.

Die Schwester führt in Potsdam, die Tante in Leipzig

Bei Poethke war es soweit, als das Ladenlokal in der Kollwitzstraße plötzlich leer stand. Sie nutzte die Chance, die alte Leidenschaft mit ihrer „Begeisterung für’s Handwerk“ zu kombinieren – und gründete die Unikaterie. Die 46-Jährige schuf eine Plattform für „Künstler“, deren Ateliers meist zu versteckt sind, um von den Kunden gefunden zu werden. Eine Schatzkammer für Menschen, die den Mut haben, ausgefallene Schnitte sowie Farbe zu tragen und hohe Qualität und gute Verarbeitung schätzen. Mit dem gleichen Konzept und gemeinsam mit ihrer Schwester Gloria Poethke, 44, ging sie 2011 in Potsdam an den Start, 2013 eröffnete sie die Unikaterie in Leipzig, die ihre Tante führt.

Die Schwestern Ilka Poethke und Gloria Poethke in der Unikaterie-Filiale in Potsdam.
Die Schwestern Ilka Poethke und Gloria Poethke in der Unikaterie-Filiale in Potsdam.

© Kai-Uwe Heinrich

Alle drei Läden sind klein, der Berliner ist mit 90 Quadratmetern sogar noch der geräumigste. Man denkt also, da ist man schnell durch. Pustekuchen. Auf jedem Quadratzentimeter gibt es etwas Neues, etwas Ausgefallenes zu entdecken. Auf einem Rundständer hängen dicht an dicht Jacken und Mäntel in Giftgrün oder Puterrot, in einer Vitrine liegen schillernde Schmuckstücke, in der nächsten stapelt sich Niedliches für Kinder.

Etwa die Hälfte der Unikaterie-Kunden stammt aus der Gegend, es sind Leute, die Lust auf „verrückte Sachen“ haben und auf Bedienung, die den Namen verdient. Die andere Hälfte sind Touristen, vor allem Amerikaner und Skandinavier. Wenn Japaner kommen, interessieren sie sich meist für die Dinge, die kein Mensch braucht, aber dennoch jeden bereichern, zum Beispiel die Fotokameras aus Schichtholz des Designers Ronny Thielemann.

Rätsel um einen Penis aus Plüsch

„Schwere Werkzeuge für harte Jungs und taffe Mädchen“ nennt er seine originalgetreu nachgearbeiteten Produkte, darunter „Motor“-Sägen und Mixer. Thielemann hat offensichtlich Sinn für Humor, das passt zu den Unikaterie- Schwestern. Beim Gang durch den Laden bleibt Ilka Poethke vor einem großen Plüsch-Penis stehen. Sie muss lachen, als sie erzählt, wie ihre jüngste Tochter damit kuschelte.

Verkauft hat sie erst eines dieser Dinger. Aber das macht ihr nichts aus. Sie ordnet nicht alles der Ökonomie unter, was auch deutlich wird, als sie die Frage nach einer weiteren Expansion beantwortet. „Nein“, sagt Poethke. „Ich will keine Filialistin werden.“ Die Betriebswirtin Gloria Poethke pflichtet ihr bei. „Im Studium lernt man zwar, dass Wirtschaft immer wachsen muss, aber ich denke, dass man in seinem Schaffen auch andere Prioritäten setzen kann.“

Hätten die Designer das Ziel, jedes Jahr bessere Zahlen zu schreiben, müssten sie ihre Produktion ins billigere Ausland verlegen. Dann aber gäbe es das hier nicht mehr und „es würde etwas fehlen“.

Aus dem gleichen Grund sucht man auf der Webseite vergeblich einen Bestell-Knopf. Einzelstücke eignen sich nicht für den Massenverkauf. Die Webseite ist aber sowieso ein einziges Kuriosum. „Sie ist bewusst so räudig“, sagt Ilka Poethke. Wenn sie Zeit hat, stellt sie selbst geschossene Fotos ein, etwa das mit den beiden Damen in Grau. „Zwei ältere Unikate“ hat sie daruntergeschrieben.

In der Unikaterie gibt es nicht nur Mode, sondern auch traditionelles Blechspielzeug.
In der Unikaterie gibt es nicht nur Mode, sondern auch traditionelles Blechspielzeug.

© Manfred Thomas

Zwei Unikate im besten Alter – so könnte man die Poethke-Schwestern beschreiben. Beide haben nie eine Ausbildung zur Verkäuferin absolviert und keine Handelsfachschule besucht. Man muss ihnen aber nur zwei Minuten zusehen, dann wird es klar, dass Verkaufen ihre Berufung ist. Erst einmal ein Kompliment machen, dann einen Schal aus dem Regal holen und der Dame um den Hals legen, wieder etwas Bewunderndes einstreuen, dazwischen mit der Kundin reden, als sei sie die beste Freundin.

So etwas kann man nicht lernen. So etwas hat man im Blut. Ilka Poethke nickt, sie weiß um ihr Talent. „Manchmal bleiben die Leute drei Stunden, und wenn sie gehen, umarmen sie mich“, sagt sie. „Die Kunden bedanken sich, dass sie Geld ausgegeben haben.“

Es liegt wohl im Naturell der beiden Schwestern, sich mit Herz und Hirn um ihre Besucher zu kümmern. Aber es ist auch notwendig. „Man muss ein bisschen mehr tun als früher“, sagt Ilka Poethke. Das Geschäft sei schwieriger geworden. Deshalb hält sie auch immer wieder nach neuen „Künstlern“ Ausschau, sieht sich deren Werke an, fasst sie an, was ganz wichtig ist – und gibt ihnen bei Gefallen eine Chance.

So bleibt der Korb vor der Ladentür mit der Aufschrift „Heute frische Ware“ niemals leer, so werden auch die Stammkunden immer wieder zum Kaufen animiert. Und so muss die Unikaterie, anders als manch alteingesessener Nachbarbetrieb, nicht wegziehen. „Wir bleiben“, sagt die Unternehmerin energisch. Und fügt, etwas leiser, an, dass sie sich sogar ein zweites Geschäft in Berlin vorstellen kann.

Sabine Hölper

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