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Verheugen

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Klimaschutz: Eklat um Brüsseler CO2-Pläne

Die Autobranche soll von 2012 an gezwungen werden, den CO2-Ausstoß bei Neuwagen drastisch zu vermindern. Die EU-Kommission hat entsprechende Pläne auf den Weg gebracht - gegen den Widerstand des deutschen Industriekommissars Verheugen.

Die auch in der Kommission umstrittenen Vorschläge führten zu einem Eklat: Umweltkommissar Stavros Dimas präsentierte den Klimaplan, der nun zur Entscheidung an die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament geht, allein. Der in die Vorarbeiten eng eingebundene Verheugen blieb der Pressekonferenz demonstrativ fern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, der Vorstoß von Kommissionspräsident José Manuel Barroso gehe zu Lasten Deutschlands und der deutschen Industrie. "Daher sind wir nicht zufrieden." Der eingeschlagene Weg der Kommission sei nicht sinnvoll. Die Hersteller und der Verband der Automobilindustrie (VDA) schlugen Alarm.

Regierungssprecher Thomas Steg ergänzte, dass die deutschen Hersteller schwerer Autos es nicht schafften, die EU-Vorgaben zu erfüllen. Der Vorschlag halte sich nicht an bisherige Absprachen. Über das Thema werde nun in Brüssel zu reden sein, sagte Steg. "Für die Bundesregierung ist dieses Verhalten der EU-Kommission nicht erklärlich."

Gabriel: Deutsche Hersteller diskriminiert

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht deutsche Hersteller, die in den gehobenen Klasse Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß anbieten, diskriminiert. "Der Richtlinienvorschlag der EU zum CO2-Ausstoß hat nichts mit Klimaschutz zu tun, sondern ist ein Wettbewerbskrieg gegen die deutschen Autohersteller", sagte er. Der Vorschlag bevorzuge hingegen italienische und französische Autobauer.

Geht es nach der Kommission, müssen alle Anbieter in der EU den Ausstoß des klimaschädlichen CO2 bei ihren Flotten deutlich drücken: Neuwagen sollen demnach von 2012 an höchstens noch 120 Gramm CO2 je Kilometer in die Luft blasen. Dabei sollen bessere Motoren und andere moderne Techniken, aber auch bessere Verkehrsführung und moderne Reifen zum Zuge kommen. Kohlendioxid (CO2) ist ein gefährliches Treibhausgas, das maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich ist.

Vor allem Hersteller großer Autos sollen beim Klimaschutz deutlich stärker in die Pflicht genommen werden als Kleinwagen- und Mittelklasse-Hersteller. Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass ein Fahrzeug mit dem doppelten Gewicht eines Kleinwagens nur 60 Prozent mehr CO2 ausstoßen darf. Ziel ist es, dass Neuwagen bis 2012 in der EU knapp ein Fünftel (19 Prozent) weniger CO2 ausstoßen als heute. Herstellern soll es im Konzernverbund erlaubt sein, gemeinsam den CO2-Ausstoß ihrer Flotten zu drücken.

Milliardenstrafen drohen

Schaffen die Hersteller die Auflagen nicht, müssen sie nach dem Willen der Kommission gestaffelt von 2012 an bis 2015 jährlich steigende Strafen zahlen. Nach 2015 bleibt das Niveau gleich. Das könnte für die deutschen Hersteller mit ihrer großen Wagen der gehobenen Klasse teuer werden. Die Kommission will die Bußen auf der Basis eines Durchschnittsfahrzeugs eines Herstellers berechnen. Für jedes Gramm pro Kilometer über dem Limit wird ein Betrag festgesetzt - 2012 sollen dies 20 Euro sein, 2015 bereits 95 Euro. Diese Strafen sind pro verkauftes Auto zu bezahlen.

Barroso sagte: "Der Vorschlag zeigt, dass die EU sich in der Pflicht sieht, bei der Verringerung des CO2-Ausstoßes weltweit führend zu sein." Dimas ergänzte, diese Gesetzgebung werde Europas Autoindustrie anspornen, in neue umweltfreundliche Technologien zu investieren. Barrosos Sprecher teilte mit, dass alle Mitgliedstaaten dem Ziel der CO2-Verminderung bei Neuwagen zugestimmt hätten. Der Vorschlag Brüssels benachteilige in keiner Weise die Autoindustrie eines bestimmten Mitgliedslandes, sondern sei ausgewogen.

Verheugen steht mit seiner Ablehnung nicht allein

Nicht nur Verheugen, sondern auch der italienische Justizkommissar Franco Frattini und der französische Verkehrskommissar Jacques Barrot lehnten dem Vernehmen nach die Vorschläge ab. Vorschläge des deutschen Industriekommissars, der Industrie weniger strikte Übergangsregelungen aufzuerlegen, habe Dimas mit Unterstützung Barrosos nicht akzeptiert.

Bei den Herstellern trafen die Pläne aus Brüssel auf scharfe Ablehnung. So sprach Europas größter Autobauer VW von "inakzeptablen Belastungen". Die Kommission ziele weit über ein gesamtwirtschaftlich sinnvolles Ziel hinaus, hieß es in Wolfsburg. Der Branchenverband VDA forderte "drastische" Nachbesserungen. "Mit dem heutigen Vorschlag ist weder dem Klimaschutz noch der wirtschaftlichen Vernunft gedient", sagte der VDA-Präsident Matthias Wissmann. Bundesregierung, Gewerkschaften und Industrie seien sich in dieser Einschätzung einig. "Ein solcher Vorschlag wird das EU-Parlament und den Ministerrat nicht überstehen." (smz/dpa)

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