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Konjunktur: Nebel in der Hauptstadt

Die Berliner Kammern scheuen Prognosen, sind aber besorgt: Gastgewerbe, Industrie und Handwerk klagen über die Krise. Jetzt wird gefordert: "Vorfahrt für die Wirtschaft!"

BERLIN - Auf eine Prognose der Konjunktur und des Arbeitsmarkts in Berlin will sich die Industrie- und Handelskammer (IHK) nicht festlegen lassen. „Wir stehen alle vor einer Nebelwand“, sagte Geschäftsführer Jan Eder bei einem Presseabend. Mit etwas Glück werde die Wirtschaft der Hauptstadt aber etwas langsamer schrumpfen als in ganz Deutschland, weil sie weniger an der Industrie hänge. Trotzdem stehe bis zum Herbst ein kräftiger Anstieg der Arbeitslosenzahlen bevor.

Auffällig sei vor allem die zunehmend schlechte Lage im Gastgewerbe, bisher ein Motor der Berliner Wirtschaft. Eder sprach sogar von einem Erdbeben. Denn laut einer Befragung, an der 537 Unternehmen aller Branchen teilgenommen haben, wird das Gastgewerbe Spitzenreiter beim Stellenabbau sein und auch die Investitionen am stärksten zurückfahren. Die Lage und die weitere Entwicklung beurteilt die Branche erheblich schlechter als zu Jahresbeginn.

Die Industrie geht in die gleiche Richtung, während sich die Stimmung im Baugewerbe – auch dank der Konjunkturpakete – aufgehellt hat. Erstmals seit vier Jahren beurteilen die IHK-Mitglieder insgesamt die aktuelle Lage im Saldo negativ. Die Geschäftserwartungen haben sich aber im Schnitt leicht verbessert.

Im Handwerk hat die negative Einschätzung der Lage zugenommen, und was die Erwartungen angeht, war es das schlechteste Frühjahr seit 1993. Allerdings sieht die Handwerkskammer nicht ganz so schwarz: „Die gefühlte Krise ist im Handwerk stärker als die faktische“, sagte Geschäftsführer Jürgen Wittke.

Aus dieser Lage leiten die Kammern zahlreiche Forderungen ab – von der Senkung der Gewerbesteuer bis zur Aussetzung der Umweltzone – und erinnern an ihre Wahlprüfsteine von 2006, die sie nur zu einem geringen Teil verwirklicht sehen. Vor allem die Schulpolitik, den gemeinsamen Landesentwicklungsplan für Berlin und Brandenburg sowie die Fortschritte am Großflughafen BBI loben die Kammern. Sehr besorgt sind sie dagegen, dass bisher nahezu keine Aufträge aus dem Konjunkturpaket II vergeben worden sind. „Der konjunkturelle Effekt tritt erst ein, wenn die Rechnung bezahlt wurde“, warnt Wittke. Den Investitionsbedarf im Berliner Straßennetz beziffert die IHK auf 400 Millionen Euro.

„Jetzt muss es wirklich Vorfahrt für die Wirtschaft geben“, forderte Handwerkspräsident Stephan Schwarz. In der Berliner Regierung hätten die Senatoren für Finanzen und Bildung, Ulrich Nußbaum und Jürgen Zöllner, das größte Verständnis für die Nöte der Unternehmen, heißt es übereinstimmend bei den Kammern. Und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit? „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte IHK-Präsident Eric Schweitzer.

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