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Konjunktur: Weniger schlecht ist nicht gut genug

Die USA streiten über die Konjunkturaussichten und den Erfolg von Barack Obamas Konjunkturpaket.

Washington - Angesichts widersprüchlicher ökonomischer Daten streiten die politischen Lager in den USA über den Erfolg von Präsident Barack Obamas Konjunkturpaket und die Konjunkturaussichten. Der Kongress hatte Mitte Februar 787 Milliarden Dollar bewilligt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dennoch ist die Arbeitslosenrate im Mai auf 9,4 Prozent gestiegen – weit höher als die rund acht Prozent, die im Januar für diesen Zeitraum prognostiziert worden waren. Zugleich betont die Regierung aber in ihrer Bilanz von 100 Tagen Konjunkturpaket, der Abwärtstrend habe sich deutlich verlangsamt und es gebe jetzt Zeichen der Erholung. In den nächsten 100 Tagen will Obama die Investitionen beschleunigen und 600 000 Arbeitsplätze retten oder neu schaffen. In den ersten 100 Tagen seien 150 000 Jobs erhalten geblieben oder neu entstanden.

Die Republikaner halten dagegen, das sei eine sehr geringe Zahl im Vergleich zu den rund zwei Millionen Arbeitsplätzen, die seit Obamas Amtsantritt am 20. Januar verloren gingen.

Als volksnahes Beispiel für die Wirksamkeit des Programms benutzt Regierungssprecher Robert Gibbs gern die Fensterbauer. Dank der Steuererleichterungen, die das Konjukturpaket für die bessere Isolierung von Häusern auslobt, kauften viele Bürger neue Fenster. Das schaffe Jobs bei Herstellern und Handwerkern und helfe zudem, Energie zu sparen.

Die 787 Milliarden Dollar aus dem Konjunkturpaket verteilen sich auf 499 Milliarden Dollar Investitionen und 288 Milliarden Dollar Steuererleichterungen. Von der Summe soll nur ein Viertel in diesem Jahr wirksam werden, die Hälfte 2010 und das letzte Viertel 2011. Zu den großen Projekten zählen Infrastrukturmaßnahmen wie der Ausbau von Straßen, Flughäfen und dem Eisenbahnnetz sowie der Neubau von Hochgeschwindigkeitsstrecken, die in den USA bisher fehlen. Auch gibt die Bundesregierung den 50 Einzelstaaten direkte Hilfe zur Bezahlung von Lehrern und Polizisten, von denen einige angesichts großer Budgetprobleme sonst entlassen werden müssten.

Für die zweiten 100 Tage hat Obama zehn Bereiche besonderer Anstrengung definiert. Dazu zählen 2300 Bauprojekte in Militärobjekten, 200 Anlagen zur Abwasserklärung und Müllbeseitigung in ländlichen Gegenden, der technische Ausbau von 98 Regionalflughäfen sowie die Schaffung von 125 000 Sommerjobs für Jugendliche. Dieses letzte Projekt hat ein Vorbild in der Zeit der Großen Depression: Das „Civilian Conservation Corps“, das Franklin D. Roosevelt in den 30er Jahren half, die Massenarbeitslosigkeit zu reduzieren. Dennoch warnen auch Regierungsexperten, die Arbeitslosenrate werde in den kommenden Monaten über zehn Prozent steigen. „Wir befinden uns weiter mitten in einer tiefen Rezession“, stellen Obama und seine Fachleute fest. „Wir werden beträchtliche Zeit benötigen, uns daraus zu befreien.“ Es sei nicht so, dass die USA bereits in der Talsohle angelangt seien und es wieder aufwärts gehe. Aber der Niedergang verlangsame sich. Die Zahl der verloren gehenden Jobs habe sich in jedem der jüngsten Monate verringert. Die Zahl der Zwangsversteigerungen von Häusern nehme ab, in manchen Regionen belebe sich der Immobilienmarkt. Zehn große Banken, die seit Herbst 2008 68,3 Milliarden Dollar Überlebenshilfe aus dem Tarp (Troubled Asset Relief Program) erhalten hatten, haben das Geld in diesen Tagen zurückgezahlt. Sie mussten dafür Stresstests bestehen. Die Banken wollen diese Regierungsdarlehen so schnell wie möglich loswerden, weil mit ihnen Auflagen und Kontrollen verbunden sind. Die Regierung will sicherstellen, dass es nicht zu früh geschieht.

Auch Chryslers Auferstehung aus dem Konkursverfahren vergangene Woche ist ein Hoffnungszeichen. Seit Mitte März ist der Dow Jones um 35 Prozent gestiegen. Obamas schwerste Aufgabe ist es derzeit, die öffentliche Erwartung in realistischen Bahnen zu halten. Die Zustimmung zu seiner Wirtschaftspolitik ist von 59 Prozent im Februar auf nun 55 Prozent gesunken. Er muss mehr Optimismus und Zutrauen wecken. Überzogene Hoffnungen können aber in Enttäuschung umschlagen. „Weniger schlecht ist nicht gut genug“, gibt sein Sprecher derzeit als Parole aus.

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