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Wirtschaft: Kontroverse über "Blauen Brief" an Deutschland

Im Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) zeichnet sich eine Mehrheit gegen einen "blauen Brief" an Deutschland ab. Der Ecofin-Rat hat in dieser Frage das letzte Wort.

Im Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) zeichnet sich eine Mehrheit gegen einen "blauen Brief" an Deutschland ab. Der Ecofin-Rat hat in dieser Frage das letzte Wort. Währungskommissar Pedro Solbes will Deutschland wegen des steigenden Haushaltsdefizites förmlich verwarnen. Am heutigen Mittwoch soll dies der Kommission als Empfehlung vorgeschlagen werden. Zwar sollen nicht alle Kommissare dafür sein; doch gilt eine Empfehlung an den Ecofin-Rat als wahrscheinlich. Der Ecofin-Rat kommt am 12. Februar zusammen. Eine Frühwarnung müsste von den Ecofin-Ministern mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums hieß es am Dienstag, dies sei unwahrscheinlich. Eine Mehrheit der Minister kritisiere das Frühwarnsystem und sei dementsprechend auch gegen einen "blauen Brief" an Deutschland. Für ein Veto reichen in der Regel die Stimmen von zwei großen EU-Ländern und einem kleineren Land.

Für Deutschland rechnet die Kommission in diesem Jahr mit einem Haushaltsdefizit von 2,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Im vergangenen Jahr waren es 1,3 Prozent. Im Vertrag von Maastricht ist vorgesehen, dass die Marke von drei Prozent nicht überschritten werden darf. Dahinter steht der Gedanke, dass das Vertrauen in die junge europäische Gemeinschaftswährung in besonderem Maße mit dem Vertrauen der Märkte in eine dauerhafte solide Haushaltspolitik verbunden ist. Deshalb wurde auf dem EU-Gipfel 1997 in Amsterdam auf Vorschlag von Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel der Stabilitäts- und Wachstumspakt beschlossen. Der Stabilitätspakt bietet die Möglichkeit zur Abmahnung, um übermäßige Etatdefizite zu vermeiden und zum Sanktionsverfahren bei übermäßigen Defiziten (siehe Lexikon ).

Bundesfinanzminister Hans Eichel hatte gegenüber Solbes unlängst erklärt, er sehe keinen Sinn in einer Frühwarnung, wenn damit nicht auch konkrete Empfehlungen für einen anderen haushaltspolitischen Kurs der Bundesregierung verbunden seien. Auch die EU-Kommission führt die Verschlechterung der Haushaltslage in Deutschland nicht auf die zu Grunde liegende Wirtschafts- und Haushaltspolitik zurück, sondern auf die Weltkonjunktur. Doch Solbes will den Regeln des Stabilitätspaktes konsequent gerecht werden und glaubwürdig bleiben. Die Wirtschafts- und Währungsunion könne nur so funktionieren, hieß es in Brüssel. Vor allem will er den Eindruck vermeiden, die EU-Kommission würde auf die Größe eines Landes oder gar auf taktische Überlegungen in Wahljahren Rücksicht nehmen.

mo

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