zum Hauptinhalt
Schön war die Zeit. Fluggäste der Air Berlin warten in Palma de Malloca auf ihren Rückflug - Archivbild von 2016.

© imago/Geisser

Konzernumbau mit Folgen: Viele Kunden von Air Berlin sind genervt

Der Umbau bei Air Berlin verursacht Trennungsschmerzen. Strecken sind abgegeben oder gestrichen, Fluggäste müssen manches Hindernis in Kauf nehmen. Und das Gepäck-Problem in Tegel ist weiterhin ungelöst.

Der seit Herbst betriebene Strategiewechsel bei Air Berlin vergrault Stammgäste. Einer heißt Rüdiger Jakesch. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes und bis 2001 Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Inneres reiste bisher rund zweimal im Jahr zum Hotel Sensimar Playa la Barrosa an der Costa de la Luz im Süden Spaniens. Die Anreise von Berlin-Tegel mit Air Berlin zum Flughafen Jerez de la Frontera war bequem für den 76-Jährigen. „Jetzt würde ich nur noch nach aufwändigem Umsteigen nach Andalusien kommen. Ich werde mir ein neues Urlaubsziel suchen“. Und eine neue Airline.

Deutschlands bisher zweitgrößte Fluggesellschaft hatte zum Beginn des Sommerflugplans fast alle Sonnenziele an ihre kleine österreichische Tochter Niki abgegeben, die damit aber überfordert ist, weil sie zu wenig Flieger und Crews hat, wie man in der Branche hört. Manche Direktflüge werden gar nicht mehr angeboten. Doch auch auf den Strecken, weiter ins Konzept von Air Berlin und den arabischen Partner Etihad passen, knirscht es, wie man in einschlägigen Internetforen lesen kann.

Immerhin gab's noch ein Schoko-Herz

Ein anderer Berliner Vielflieger der Airline berichtet dieser Redaktion zum Beispiel von Flug AB 8292 von Tegel nach Paris am Sonntag vor einer Woche. Erstmals sei die Maschine statt zum Flughafen Orly nach Roissy (Charles de Gaulle) gegangen. „Wir haben das auch gerade erst erfahren“, habe eine Stewardess erklärt. Die planmäßige Abflugzeit 8:35 Uhr war nicht zu halten, da man auf Transfer-Fluggäste wartete. Angekommen in einem als „Terminal 3“ deklarierten Behelfsbau, musste der Gast einen Kilometer zu Fuß gehen, dabei eine vierspurigen Straße queren bis er im Bahnhof anlange, von wo er den Regionalzug nach Paris nehmen konnte. Immerhin habe er noch das berühmte Schoko-Herz in die Hand gedrückt bekommen.

Verspätet, gestrichen, ausgefallen: Viele Passagiere empfinden Air Berlins Strategiewechsel offenbar als Abwicklung. Der Umstand, dass die Airline Transatlantikstrecken neu im Programm hat, hilft den Stammgästen kaum. Für Fluggäste an Air Berlins Stammsitz Berlin kommt ein spezielles Problem hinzu: Mit Wirkung zum Sonntag vor einer Woche hatte die Airline dem Serviceunternehmen Wisag, ihrem Bodendienstleister in Tegel, die Kündigung ausgesprochen. Seither betreut das Unternehmen Aeroground, eine Tochter des Münchener Flughafens, Air Berlins Maschinen und Passagiere in Berlin.

Aeroground übernahm auch einen Großteil der 300 Wisag-Mitarbeiter, die sich bisher für die Wisag um Checkin und Gepäck gekümmert haben. Trotzdem rumpelte es in der vergangenen Woche. Zahlreiche Flüge hoben nur verspätet ab. Ankommende Reisende mussten in Tegel teils Stunden aufs Gepäck warten.

Hoffen auf Besserung zum Start der Osterferien

Das gekündigte Unternehmen Wisag hat dem Konkurrenten Aeroground vergangene Woche noch bei der Abfertigung von rund 200 Jets geholfen. Damit sei ab diesem Montag aber Schluss, heißt es. Man habe kein Personal mehr dafür. Dass in der neuen Woche und zum Osterferienstart eine Woche darauf sich in Tegel das Gepäck-Chaos erneut verschärft, erwartet man bei Air Berlin nicht. „Die Aeroground muss ihre Performance weiter verbessern“, meint Unternehmenssprecher Ralf Kunkel. Zugleich glaube er, dass dies dem neuen Dienstleister auch gelingen werde. Schließlich hätten zum Wochenende rund 40 zusätzliche Kräfte den nötigen Sicherheitscheck bestanden und könnten nun kräftig mit anpacken.

Derweil lassen immer mehr Anleger die Aktie der Airline fallen: Kostete das Papier vor knapp einem Jahr immerhin noch 0,80 Euro, notierte es am Freitag nahe dem bisherigen Rekordtief von 0,53 Euro. Den seit Jahren anhaltenden Sinkflug des Kurses hat auch der neue Chef Thomas Winkelmann bisher nicht stoppen können. Der 57-jährige ehemalige Lufthansa-Manager war im Februar angetreten, um zu retten, was zu retten ist, und die Integration von Teilen der Air-Berlin-Flotte bei der Lufthansa-Tochter Eurowings zu organisieren. Das klappt dem Vernehmen nach ganz gut.

Lufthansa ist am Überleben der Air Berlin gelegen

Schwieriger wird es, die Air Berlin im Sinne des Großaktionärs Etihad aus den Arabischen Emiraten als höherklassige Geschäftsreiseairline zu etablieren. Air Berlin soll Etihads Fluggäste vom Drehkreuz in Abu Dhabi über Berlin-Tegel und Düsseldorf weiter befördern – in die USA zum Beispiel, wo die Araber selbst auf absehbare Zeit keine zusätzlichen Landegenehmigungen bekommen dürften. Und das am besten, ohne dass man der Lufthansa, die nun eng mit Etihad kooperiert, zu sehr ins Gehege kommt.

Ist die Air Berlin, oder was davon übrig ist, noch zu retten? Sowohl bei Lufthansa wie bei Air Berlin selbst gibt man sich auch hinter den Kulissen optimistisch. Als Beleg wird oft genannt: Lufthansa habe mit dem Segen von Etihad keinen abgehalfterten Manager auf den Chefposten bei Air Berlin entsandt, sondern einen Vertrauten von Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr. Man arbeite gemeinsam intensiv am Überleben. Das Kalkül ist wohl: Verschwände Air Berlin, würden Ryanair, Easyjet den deutschen Markt mit Kampfpreisen ruinieren – und den Arbeitsmarkt mit schlechten Bedingungen. Deshalb ziehen auch die Gewerkschaften mit und schlucken manchen Frust herunter.

Der Trennungsschmerz von der alten Air Berlin spiegelt sich auch in den Führungsgremien. Hans-Joachim Körber, der langjährige Chef des Verwaltungsrates („Board“), soll zum Sommer gehen, hört man. Und auch für Joachim Hunold, den Quasi-Gründer, ehemaligen Großaktionär und langjährigen operativen Chef der Air Berlin, dürfte es schwer werden, seinen Posten im Aufsichtsgremium zu behalten, heißt es. (mit BS, alf)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false