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Topverdiener. Die Rockband U2 hat mit Sänger Bono 2009 laut US-Magazin "Billboard" 109 Millionen Dollar eingenommen.

© dapd

Musikbusiness: Konzerte: Größer, lauter, teurer

Mit Livekonzerten der Superstars wird in der Musikbranche noch prächtig verdient. Doch nicht jeder große Name ist heute ein Selbstläufer.

Die Bühne sieht aus wie ein Raumschiff und dürfte ähnlich viel gekostet haben: Eine gigantische Video-Wand auf einem Metallgestell, das einer riesigen Spinne aus Stahl gleicht. Zu ihren Füßen spielt die Rock-Band U2, bejubelt von 90 000 Fans. Sie sind im vergangenen Sommer ins Olympiastadion gekommen, um die Top- Stars zu feiern. Nur beim Veranstalter will keine Partystimmung aufkommen: Er hatte mit 100 000 Zuschauern kalkuliert.

Vielleicht waren es die hohen Ticketpreise, die die U2-Fans abgeschreckt haben. Zwischen 50 und 80 Euro Eintritt muss heute für große Konzerte gezahlt werden; bei Spitzenstars auch schon einmal 150 Euro. Die Schmerzgrenze ist erreicht, warnen einige in der Branche. „Die Preise dürfen nicht weiter steigen“, sagt Jens Michow, Präsident beim Bundesverband für Veranstaltungswirtschaft.

Aber womöglich müssen sie es doch: Denn die Shows der großen Künstler werden immer teurer, immer aufwendiger. Lichteffekte, Kostüme und Bühnenshows – jedes Konzert muss ein Event sein, ein Livespektakel. Größer, lauter, denkwürdiger. Kritiker sagen: Musik wird kommerzialisierter als sie es je war.

Zugleich teilt sich der Markt. Auf der einen Seite füllen die Superstars immer größere Hallen. Auf der anderen Seite sinken die Chancen kleinerer, unbekannter Bands, mit ihren Auftritten ein großes Publikum zu erreichen. Das erlebt auch Arthur Schock vom Indie-Label Audiolith, das vor allem Elektro-Bands unter Vertrag hat. „Immer mehr alternative und nichtkommerzielle Konzerträume wie der Schokoladen in Berlin werden zugemacht“, sagt er. Für Neulinge werde es deshalb – trotz der neuen Möglichkeiten zur Selbstvermarktung – schwieriger nach oben zu gelangen.

Musiker und Bands jedoch, die es einmal dorthin geschafft haben, können so ziemlich alles verlangen. Oft zahlen die Veranstalter Vorschüsse und gehen damit ein Millionenrisiko sein. Denn füllt sich eine Halle nicht wie erwartet, bleibt der Veranstalter auf den Kosten sitzen. Das ging zuletzt vielen so. Zum zweiten Mal in Folge sind 2009 in der Branche die Umsätze gesunken, wie der Bundesverband Veranstaltungswirtschaft mitteilte. 2,27 Milliarden Euro wurde im vergangenen Jahr mit Konzerten eingenommen – zwölf Prozent weniger als im Vorjahr, als das Minus schon bei sieben Prozent lag.

Jens Michow sieht einen Grund in der allgemeinen wirtschaftlichen Krise: Die Menschen blieben lieber zu Hause als ihr Geld für Konzerte auszugeben. 2010 habe sich der Markt aber etwas erholt. Von großen Namen lassen sich die Fans immer noch anlocken: Santana, Katy Perry oder Kylie Minogue werden auf ihren aktuellen Tourneen in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt Station machen. Dabei zieht es die Stars allerdings häufig nur noch in die großen Städte. Wer in Kassel, Leipzig oder Nürnberg lebt, muss reisen. Vor zehn Jahren seien die Stars noch in zehn deutschen Städten aufgetreten, sagt Michow. Heute muss der Umsatz bei weniger Konzerten eingespielt werden. Das kann das wirtschaftliche Risiko eingrenzen, aber jedes Event muss auch erfolgreich sein. Konzerte, so heißt es, müssten wie Musicals werden. Zum „König der Löwen“ in Hamburg kommen die Besucher schon jetzt von weit her. So ist der Musical-Markt der einzige, der trotz hoher Eintrittspreise in den vergangenen Jahren nicht gelitten hat.

Trotz sinkender Umsätze geht es der Konzertbranche verglichen mit anderen Bereichen der Unterhaltungsindustrie gut. Nur der Buchhandel verdient noch mehr Geld. Das ist ein Grund, warum auch die Plattenfirmen einen Teil vom Kuchen des Live-Entertainments abhaben wollen. Schon vor zehn Jahren überholten die Gesamterlöse aus Konzerten die Tonträgerumsätze. „Das Liveerlebnis ist nun mal unkopierbar“, sagt Florian Drücker, designierter Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie. Einige Plattenfirmen kooperieren mit Veranstaltern. Andere Musikkonzerne wie Warner Music schließen angeblich nur noch Verträge ab, bei denen die Künstler ihnen alle Rechte abtreten: vom Verwertungsrecht, dem CD-Vertrieb über die Konzerteinnahmen bis zum Merchandising. Diese sogenannten 360-Grad-Verträge sollen einen Teil der Verluste kompensieren, die die Plattenfirmen wegen illegaler Musik- Downloads und Privatkopien erlitten haben. Wie schmerzhaft diese Verluste für die Labels tatsächlich sind, ist allerdings umstritten. „Das Leiden der Tonträgerindustrie über sinkende CD-Umsätze ist ein Marketing-Trick, um die Einkaufspreise zu drücken“, glaubt Peter Schwenkow, Vorstandschef des Konzertveranstalters Deag (siehe Interview). Trotz sinkender Umsätze seien die Renditen im Tonträgergeschäft immer noch fantastisch. „Kein Konzertveranstalter weltweit erzielt auch nur die Hälfte davon.“ Für andere ist das gar nicht so wichtig: „Wir haben nicht angefangen, um möglichst viel Geld zu machen“, sagt Arthur Schock von Audiolith: „Dass man nicht jeden Schritt am Profit ausrichtet, macht doch den Charme von Musik aus.“

Laura Höflinger

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