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Wirtschaft: Kornkraft statt Kernkraft

Bauernpräsident Sonnleitner wirbt auf der Grünen Woche für Bioenergie / Agrarexporte auf Rekordstand

Berlin - Zugedrehte Gashähne, endliche Ölreserven und abgeholzte Wälder – die Angst vor versiegenden Ressourcen verhilft der Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen zu einem Boom. So sei die Energiegewinnung aus Biomasse ein zentrales Thema der Landwirtschaft und damit auch auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin, sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner am Mittwoch zum Auftakt der Messe. Die größte Agrarschau weltweit wird am heutigen Donnerstag von Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Präsident José Manuel Barroso offiziell eröffnet, von Freitag an ist die Messe für das Publikum geöffnet.

Sonnleitner sagte, Bioenergie habe sich zu einem der größten Wachstumsmärkte unter den erneuerbaren Energien entwickelt. „Die Bioenergie hat einen Umsatzanteil von knapp 40 Prozent an den erneuerbaren Energieträgern.“ Jährlich würden 6,3 Milliarden Euro umgesetzt. Inzwischen seien in der Bioenergie-Branche 65 000 Arbeitsplätze entstanden. „Ich halte es für realistisch, dass sich diese Zahl bis 2010 verdoppelt“, sagte Sonnleitner.

Die deutschen Landwirte hätten den Wandel mitgemacht, meinte Sonnleitner. „Unsere Bauern sind heute neben Nahrungsmittelerzeugern und Landschaftspflegern längst Energiewirte.“ Ihr Programm hieße demnach heute „Kornkraft statt Kernkraft“. Die Fläche, auf der die Bauern in Deutschland Bioenergie und nachwachsende Rohstoffe anbauten, habe sich in den letzten fünf Jahren auf rund 1,6 Millionen Hektar verdoppelt. Das mache mittlerweile 13 Prozent der Ackerfläche in Deutschland aus. „Unsere Bauern werden aber zuallererst Nahrungsmittelproduzenten bleiben“, betonte Sonnleitner.

Mit mehr als 40 Milliarden Euro habe Deutschland im vergangenen Jahr ein neues Rekordergebnis beim Agrarexport erreicht, sagte er. Zugleich prägten Vielfalt und Internationalität das Angebot an den deutschen Ladentheken. Mit mehr als 47 Milliarden Euro sei Deutschland der weltweit zweitgrößte Agrarimporteur. Im Übrigen seien Nahrungsmittel seit Jahren „Inflationsbremse Nummer eins“, sagte Sonnleitner. Die Lebensmittelpreise seien seit dem Jahr 2000 um 7,5 Prozent gestiegen, die übrigen Lebenshaltungskosten dagegen um mehr als zehn Prozent. Im Ergebnis würden die Haushaltskassen der Verbraucher um jährlich knapp fünf Milliarden Euro entlastet.

Unterdessen warnte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) vor steigenden Preisen und einer Verödung der Landschaft angesichts der zunehmenden Nutzung deutscher Äcker für Biosprit-Rohstoffe. „Eine Turbolandwirtschaft, um den viel zu hohen Treibstoffbedarf im Verkehr zu stillen, ist eine Sackgasse“, sagte vzbv-Chefin Edda Müller. Die Bauern dürften die Fehler der klassischen Landwirtschaft nicht wiederholen. Sonst komme es erneut zu einer Industrialisierung.

Das wirtschaftliche Klima hat sich zuletzt in der deutschen Landwirtschaft deutlich verbessert, wie das neueste Konjunkturbarometer Agrar zeigt, das der Bauernverband am Mittwoch ebenfalls vorlegte. Der Index, der sich aus der Einschätzung der aktuellen und zukünftigen wirtschaftlichen Lage der Landwirte zusammensetzt, stieg zum Jahreswechsel 2006/2007 auf 26,6 Punkte. Im Quartal zuvor hatte dieser Wert noch bei 14,4 Punkten gelegen. „Erstmals seit der Einführung des Barometers gibt es mehr Optimisten als Pessimisten unter den befragten Landwirten“, sagte Bauernpräsident Sonnleitner.

Auch die Ernährungsindustrie ist dank guter Geschäftszahlen 2006 für dieses Jahr zuversichtlich. Der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), Jürgen Abraham, sagte, seine Branche blicke auf eines der erfolgreichsten Geschäftsjahre seit der Wiedervereinigung zurück. Der Gesamtumsatz habe 2006 nach BVE-Schätzungen 138,6 Milliarden Euro betragen. Das sei ein Plus von nominal 3,7 Prozent. Laut BVE setzten die Verbraucher wieder stärker auf Qualität. Der Umsatz von Bio-Lebensmitteln habe im vergangenen Jahr um 17 Prozent auf schätzungsweise 4,8 Milliarden Euro zugelegt. Für das laufende Jahr erwartet Abraham „große Exportzuwächse“. Dagegen geht er im Inland von einem stagnierenden Umsatz aus. „Mit einem Umsatzplus von zwei Prozent wäre ich schon zufrieden.“

Mehr Infos unter: www.tagesspiegel.de/gruenewoche

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