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Wirtschaft: Korruption kostet die Kassen Milliarden

Transparency International legt Jahresbericht vor

Berlin – Durch Betrug und Korruption gehen dem deutschen Gesundheitssystem in jedem Jahr zweistellige Milliardensummen verloren. Nach Angaben von Transparency International (TI) stellen Ärzte den Krankenkassen Honorare für Leistungen in Rechnung, die sie gar nicht erbracht haben. Forscher manipulierten klinische Studien zu Gunsten der Pharmaindustrie, und Apotheker verkauften Medikamente, die zuvor als Spende in Entwicklungsländer geschickt und dann umverpackt reimportiert wurden.

„Die Strukturen des deutschen Systems leisten der Korruption Vorschub“, sagte Anke Martiny, Vorstandsmitglied von Transparency International Deutschland bei der Vorstellung des Jahrbuchs Korruption in Berlin. Das deutsche Gesundheitssystem sei das drittteuerste der Welt und benötige keine neuen Einnahmen durch höhere Beiträge oder Steuern. „Wenn wir die Einfallstore für Betrug und Korruption schließen, können wir durchaus mit dem bestehenden Budget auskommen“, sagte Martiny.

Besonders harte Kritik übte Transparency International an der Pharmaindustrie. „Heute werden keine Innovationen mehr produziert“, griff Pharmakologe Peter Schöhnhöfer die Hersteller an. In den letzten 16 Jahren seien mehr als 90 Prozent der neuen Substanzen Scheininnovationen gewesen. „Die Versicherten müssen dafür mehr zahlen, kriegen aber als Gegenleistung nichts Besseres“, sagte Schönhöfer. Über Sponsorengelder machten die Konzerne zudem Berufsverbände und wissenschaftliche Einrichtungen von sich abhängig. Selbsthilfegruppen erkrankter Menschen würden unterwandert und als Marketingagenten für die Produkte der Pharmaindustrie instrumentalisiert, sagte Schönhöfer, der auch das kritische „Arznei-Telegramm“ herausgibt. Als Beispiel nannte er Fernsehbeiträge im Rahmen der „Themenwoche Krebs“ der ARD, in denen Betroffene immer wieder ein Brustkrebsmedikament des Herstellers Roche gepriesen hätten, das für die Frühphase der Erkrankung in Deutschland gar nicht zugelassen sei. Schönhöfer forderte, alle Arten von Sponsoring und sonstiger Einflussnahme müssten offen gelegt werden.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sprach vom „Fehlverhalten einzelner Unternehmen“ und wies auf eine Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle hin, die über einen Verhaltenskodex die Zusammenarbeit von Unternehmen und Ärzten überprüfen soll. Bei den klinischen Studien gebe es bereits seit vergangenem Jahr mehr Transparenz. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wies die Kritik zurück. „Das sind alles nur Behauptungen, es fehlen die harten Fakten“, sagte ein KBV-Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Bei den niedergelassenen Ärzten würden in einem „sehr professionellen Prüfgeschäft“ jährlich 700 Millionen Abrechnungen kontrolliert. stek

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