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Wirtschaft: Kraftakt für Ostdeutschland

Lohnsteigerungen kaum zu tragen – Zugeständnisse der Arbeitnehmer bringen aber Ausgleich von einem Prozent

Berlin (alf). Die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst ist überwiegend begrüßt worden. Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften äußerten sich am Freitag weitgehend zufrieden. Kritische Töne kamen insbesondere aus Ostdeutschland, wo die öffentlichen Arbeitgeber in den kommenden Jahren nicht nur die normalen Tariferhöhungen, sondern auch noch die Schritte zur Angleichung an die westdeutschen Einkommen verkraften müssen. Bis 2007 beziehungsweise 2009 müssen im Osten die Löhne und Gehälter von derzeit 90 auf 100 Prozent des westdeutschen Niveaus angeglichen werden. „Das ist zum Teil nur schwer zu verkraften“, sagte Gerhard Kappius, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber (VKA). Nach Einschätzung des Deutschen Städte und Gemeindebundes wird es bei den freiwilligen Leistungen und Investitionen „zu Einsparungen kommen müssen“.

Mit dem Kompromiss seien die Arbeitgeber „bis an die äußerste Grenze des Vertretbaren gegangen“, sagte der Verhandlungsführer für die neuen Länder, Sachsens Finanzminister Horst Metz (CDU). Allerdings gäbe es einige Erfolge, die letztlich eine Zustimmung „trotz großer Bauchschmerzen“ ermöglicht habe. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) kritisierte den Abschluss als zu hoch und „unfair“ für die ostdeutschen Länder. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) schloss einen weiteren Stellenabbau in Folge des Tarifabschlusses nicht aus.

Gerhard Kappius von den Kommunalen Arbeitgebern räumte ein, dass die Mehrheit für die Tarifeinigung sowohl bei den Kommunen als auch bei den Ländern äußerst knapp gewesen sei. Dem Vernehmen nach stimmten die Verhandlungskommissionen mit der kleinstmöglichen Mehrheit zu. Kappius zeigte sich mit dem Abschluss insofern zufrieden, als dass „die Kompensation in großem Maße erreicht wurde“; mit Kompensation umschreiben die Arbeitgeber eine Kostensenkung als Ausgleich zur Lohnerhöhung. Das wiederum kritisierte Reinhard Bispinck, Tarifexperte bei der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung. „Ein beachtlicher Teil der Einkommenserhöhung wird von den Beschäftigten selbst bezahlt.“ Vor allem wirke sich die Halbierung der automatischen Entgelterhöhung in 2003 und 2004 so stark aus, dass bei manchem Beschäftigten diese Einbußen größer seien als die Lohnerhöhung.

Kappius zufolge bringt die Halbierung der Stufenautomatik eine Kostenentlastung um 0,2 Prozent. Allerdings hätten sich die Kommunen in diesem Punkt nicht durchsetzen können. „Wir wollten zweimal halbieren“, sagte Kappius dem Tagesspiegel. Die verspätete Gehaltsauszahlung – die Bediensteten bekommen ihr Geld nicht mehr Mitte, sondern erst am Ende des Monats – veranschlagt Kappius mit 0,15 Prozent; die Verschiebung ermögliche Verwaltungen und öffentlichen Betrieben den Verzicht auf Kassenkredite. Das Einfrieren des Weihnachtsgelds bringt Kappius zufolge 0,19 Prozent und der Verzicht auf einen freien Tag 0,45 Prozent. In der Summe kommt Kappius damit auf eine Entlastung von 0,99 Prozent. Zieht man das von der Entgelterhöhung ab, bleibt nicht viel mehr als der Inflationsausgleich übrig.

Kappius äußerte die Erwartung, dass auf Grund der „Prozessvereinbarung“ der Bundesangestelltentarif (BAT) grundlegend reformiert werde. Die Sparten Verwaltung, Krankenhäuser, Sparkassen, Entsorgungsbetriebe und Flughäfen sollen künftig „einen Maßanzug bekommen und nicht mehr mit der Einheitssoße des BAT überzogen werden“, sagte Kappius. Die Reform des Tarifrechts soll bis 2005 erfolgen. Der Landrat von Potsdam-Mittelmark und Verhandlungsführer der ostdeutschen Kommunen, Lothar Koch, sagte dem Tagesspiegel, „wir würden am liebsten eine Nullrunde habe, aber es gibt bestimmte Realitäten, die man berücksichtigen muss“.

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