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Wirtschaft: Krankenhäuser schlecht auf Vogelgrippe vorbereitet

Studie erwartet für den Fall einer Pandemie Engpässe bei Intensiv- und Beatmungsbetten / Krankenhausverband weist Kritik zurück

Berlin - Deutschlands Krankenhäuser sind gegen eine Vogelgrippe-Pandemie nicht ausreichend gerüstet. Das ist das Ergebnis einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und der Admed-Unternehmensberatung, die dem Tagesspiegel vorliegt. Nur bei einer vergleichsweise schwachen Pandemie (siehe Kasten) seien genug Intensivbetten verfügbar, eine etwas stärkere Ausprägung „würde in der Hochphase zu deutlichen Engpässen in der Versorgung von Intensivpatienten führen“, heißt es in der Studie. Auch wenn alle Reserven mobilisiert würden, reiche eine Erkrankungsrate von 25 Prozent, um Engpässe bei den Intensivbetten auszulösen, und von gut 30 Prozent, um die Beatmungskapazitäten auszuschöpfen.

Die Behandlungskosten im Fall einer Pandemie beziffern die RWI-Forscher für Deutschland auf bis zu 8,3 Milliarden Euro in der schwersten Ausprägung. Vorübergehend könne es beim Wirtschaftswachstum zu Einbußen von 1,5 bis 5,0 Prozentpunkten kommen, schreiben die Forscher unter Bezug auf US-Schätzungen.

Etwa 12 000 Intensivbetten dürften im Falle einer Pandemie verfügbar sein, weitere 16 000 durch zusätzliche provisorische Lösungen, heißt es in der Studie. Etwa 7000 verfügbare Beatmungsbetten machen die Forscher aus, hinzu kommen weitere 16 000 mobile Beatmungsgeräte, die von Krankenhäusern und Herstellern vorgehalten werden. Die Forscher haben sechs Szenarien durchgerechnet: anhand von Daten aus den USA eine milde, mittlere und schwere Grippepandemie sowie die historischen Pandemien der Spanischen Grippe (1918/19), der Asiatischen Grippe (1957/58) sowie der Hongkong-Grippe (1968/69).

Nur bei dieser letzten Variante erweise sich die Zahl der Intensiv- und Beatmungsbetten auf jeden Fall als ausreichend. Bei den übrigen fünf Szenarien errechneten die Forscher zumindest zeitweilige Engpässe, im Falle einer schweren Pandemie – jeder zweite Deutsche erkrankt – sogar dramatische: 218 000 Intensivfälle und 174 000 Beatmungsfälle stehen 28 000 beziehungsweise 23 000 entsprechende Betten gegenüber. Die Zahl der verfügbaren „normalen“ Krankenhausbetten sei mit 350 000 dagegen ausreichend, meinen die Forscher.

Die Krankenhäuser weisen die Kritik zurück. „Mit bis zu 600 000 Klinikbetten in Deutschland haben wir genügend Kapazitäten, auch bei den Intensivbetten und Isolierstationen“, sagt Daniel Wosnitzka, Sprecher des Deutschen Krankenhausverbandes. Allerdings räumt er ein, dass eine Pandemie mit Hunderttausenden kranker Menschen „nie beherrschbar“ sei. Rüdiger Strehl, Geschäftsführer des Bundesverbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), bezweifelt die Kompetenz der RWI-Ökonomen. „Ob ein Institut, das normalerweise die Wirtschaftsentwicklung berechnet, die richtige Instanz ist für dieses Thema, weiß ich nicht.“ Ob die Klinik-Kapazitäten im Fall einer Pandemie ausreichten, könne seriös niemand vorhersagen. „Ich warne vor Panikmache“, sagte Strehl. Trotz der Gefahr der Pandemie empfehlen die RWI-Forscher, den Bettenabbau im Krankenhaussektor grundsätzlich weiter voranzutreiben. „Intensivbetten und Beatmungsplätze sollten davon jedoch ausgenommen werden. Tendenziell sollte ihre Zahl sogar erhöht werden.“

Als besonders wichtig heben die Forscher aber hervor, dass die Behörden sich auf die Gefahr vorbereiten. Vor dem Hintergrund der föderalen Organisation Deutschlands sei eine „zentrale Katastrophenstelle“ nötig, die sich um die Patientenverteilung kümmere. „Wir empfehlen daher die Erstellung eines detaillierten Notfallplans, die klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten, die Identifikation von Erstversorgungskrankenhäusern, die Regelung der Weiterversorgung und generell eine zentrale Patientenverteilung und -logistik.“ Da Deutschland relativ wenig von Naturkatastrophen betroffen sei, fehlten hier möglicherweise Bewusstsein und Erfahrung.

Diese Forderung unterstützen auch die Krankenhäuser. „Es wäre nicht unvernünftig, so einen Plan aufzustellen“, sagt VUD-Geschäftsführer Strehl. In Österreich gebe es so einen Plan bereits. Auch der Krankenhausverband hält viel von der Idee. Die Notfallplanung sei in Deutschland vor allem Ländersache, sagt Verbandssprecher Wosnitzka, die Federführung liege beim Robert-Koch-Institut. „Eine engere Koordinierung ist immer zu begrüßen“, sagte der Sprecher.

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