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Kreatives Israel: Ein Land als Start-up

Die israelische Gründerszene ist vital wie kaum eine andere – und nimmt Berlin in den Blick.

Berlin - „Wir haben eine Plattform entwickelt, die aus Texten Videos macht“, sagt Zohar Dayan, Gründer von Wibbitz, einem Start-up aus Tel Aviv. „Ganz automatisch, in zehn bis 15 Sekunden.“ Die Zuhörer im Saal schauen ungläubig. Überhaupt ist es sehr erstaunlich, was die israelische Gründerszene zu bieten hat. Im vergangenen Jahr, berichtet der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman, seien 560 Start-ups entstanden. „Nirgendwo auf der Welt werden pro Kopf der Bevölkerung so viele Unternehmen gegründet wie bei uns.“ Und Hadas-Handelsman hat dafür auch eine Begründung: „In unserer Realität plant man nicht voraus, man muss improvisieren.“

Eine Handvoll Start-ups aus Israel war gerade zu Besuch in Berlin, um sich hier vorzustellen und Kontakte zu potenziellen Kunden zu knüpfen. Denn auch in Israel hat man wahrgenommen, dass sich das Gründungsgeschehen in Berlin belebt hat. „Wir möchten unsere Aktivitäten hier ausbauen und und eine größere Rolle in der Berliner Szene spielen“, sagt der Botschafter. „Unser Land ist selbst ein Start-up“, ergänzt Uri Adoni, Partner der Risikokapitalgesellschaft Jerusalem Venture Partners (JVP). Obwohl Israel nur knapp acht Millionen Einwohner hat, gebe es dort 4000 Start-ups, das heißt: pro 2000 Einwohner eine Neugründung. In Israel werde pro Kopf zweieinhalb Mal so viel Risikokapital aufgebracht wie etwa in den USA und 30 Mal mehr als in Europa. Allein JVP hat nach eigenen Angaben zusammengenommen bereits Transaktionen im Volumen von 17 Milliarden Dollar getätigt.

Gestützt werde die lebendige Gründerszene vom gut entwickelten Markt für Risikokapital, meint Adoni. Nach Angaben des israelischen Marktforschers IVC Research Center sammelten High-Tech-Firmen im vergangenen Jahr 1,9 Milliarden Dollar Risikokapital ein. Zum Vergleich: In Deutschland ging die Risikokapitalfinanzierung von 717 Millionen auf 521 Millionen Euro zurück. 700 bis 800 Start-ups schauen Adoni und seine Partner bei JVP sich pro Jahr an. „In ein Prozent davon investieren wir“, sagt er.

Bei Wibbitz mit seiner Text-zuVideo-Technologie ist JVP allerdings nicht zum Zuge gekommen. Hier hat einer der reichsten Männer der Welt, Li Ka-shing aus Hongkong, investiert. Zohar Dayan zeigt auf einem Tablet anhand eines Internetartikels über die britische Sängerin Adele, wie die Technik funktioniert: Die Software analysiert den Inhalt des Textes, sucht dazu Inhalte wie Bilder und Grafiken, visualisiert einige Textpassagen und eine Stimme fasst dabei die wichtigsten Inhalte des Textes zusammen. Das alles, so verspricht Dayan, soll in nur wenigen Sekunden passieren – ganz automatisch. „Die Software versteht, was wichtig ist“, behauptet er.

Dahinter stehe das Konzept des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP). 50 000 kleinere Webseiten setzten die Wibbitz-Technik bereits ein. 17 Millionen Videos würden jeden Monat angeschaut. Für die Medienkonzerne sei das eine ganz neue Art, ihre Inhalte zu vermarkten, sagt Dayan. „Stellen Sie sich vor, Sie müssen nur auf Play drücken.“ Bisher versteht die Software nur englische Texte. In sechs Monaten soll es dann auch möglich sein, aus deutschen Texte von Webseiten automatisch Videos zu erstellen.

Für Medienkonzerne und Betreiber von Webseiten konnte der israelische Botschafter noch andere Start-ups mit interessanten Produkten präsentieren: Tok etwa, die eine Software entwickelt haben, mit der man Nachrichten und die zugehörigen Kommentare besser verbinden und den Überblick über den Stand der Diskussionen über verschiedene Plattformen hinweg behalten kann. Oder Zuznow: Die Firma macht aus jeder Webseite – ganz automatisch – eine für die mobile Nutzung optimierte Seite, was in Zeiten, in denen immer mehr Menschen mit dem Smartphone ins Netz gehen, unerlässlich ist. Übrigens, so berichtete Botschafter Hadas-Handelsman nicht ohne Stolz, sei die moderne Mobilfunktechnik vor vielen Jahren zuerst in der israelischen Niederlassung von Motorola entwickelt worden. Corinna Visser

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