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Krise der Hypo Real Estate: Schwere Hypothek

Der Steuerzahler bürgt bereits mit 102 Milliarden Euro für die Pleitebank HRE. Jetzt sind erneut 40 Milliarden Euro nötig. Warum?

Die Sanierung der im Juni 2009 verstaatlichten Pleitebank Hypo Real Estate (HRE) gestaltet sich noch aufwendiger als gedacht. Schon seit dem Frühjahr 2009 hat der Bund über den vor zwei Jahren eingerichteten Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) für 102 Milliarden Euro ausstehende Schulden der HRE Bürgschaften übernommen. Nur so konnte die Bank auslaufende Kredite durch neue ersetzen und am Markt überleben.

Am vergangenen Freitag beschloss nun der von Bundes- und Landesregierungen besetzte Lenkungsausschuss der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), die den Soffin verwaltet, der HRE diesen Garantierahmen noch einmal für drei Monate um weitere 40 Milliarden Euro zu erhöhen – ein Vorgang, der auf breiten Protest bei allen Bundestagsfraktionen stieß.

Wie soll die HRE saniert werden?

Ursache für den hohen Garantiebedarf ist das riskante Geschäftsmodell der alten HRE. Dabei liehen die HRE-Manager auf kurze Frist Gelder im dreistelligen Milliardenbereich bei anderen Banken und investierten diese zu höheren Zinsen in lang laufende Immobilienkredite und Staatsanleihen. Als ein großer Teil dieser Anlagen während der Finanzkrise drastisch an Wert verlor, verfügte die Bank nicht mehr über genügend Sicherheiten, um für ihre eigenen fälligen Kredite neue zu bekommen. Um die Pleite abzuwenden, bürgte der Bund für den gesamten kurzfristigen Kreditbedarf der Bank.

Nun ist vorgesehen, dass die Bank bis Ende September mehr als die Hälfte ihres von Verlusten bedrohten Portfolios im Umfang von 210 Milliarden Euro an eine Bad Bank, eine „Abwicklungsanstalt“ unter dem Namen FMS-Wertmanagement, überträgt. Nur das übrige Geschäft mit vergleichsweise sicheren Anlagen soll bei der HRE verbleiben, die künftig unter dem Namen Deutsche Pfandbriefbank wieder Gewinne erwirtschaften und möglichst privatisiert werden soll.

Die FMS dagegen ist als Anstalt öffentlichen Rechts nicht an die Bilanzregeln von Banken gebunden. Sie kann sich als Staatsbetrieb das Geld zum Kauf der HRE-Altlasten so billig leihen wie der Bund und muss deren aktuellen Wertverlust am Markt nicht mit Eigenkapital ausgleichen. Stattdessen kann sie die Anlagen bis zum Ende der bis zu 20-jährigen Laufzeiten halten. Erst wenn die Schuldner dann tatsächlich Zinsen und Tilgung nicht bezahlen können, müssen die Verluste zulasten der Steuerzahler abgeschrieben werden.

Wofür wird die neue Bürgschaft benötigt?

Die Übertragung der unsicheren Anlagen auf die Abwicklungsanstalt ist jedoch höchst kompliziert. Mehr als 2000 Vertragspartner in gut 100 Staaten, denen die Papiere bisher als Sicherheit für ihre Kredite an die HRE dienen, müssen der Umbuchung zustimmen und ihre Pfandrechte abgeben. Dabei könne es geschehen, dass die HRE alte Kredite im Milliardenwert ablöst, während sie erst ein paar Tage später über die zugehörigen Sicherheiten wieder verfügen und sie der Anstalt überschreiben könne, erklärte die Sprecherin der FMSA. Um einen möglichen Engpass bei den liquiden Mitteln auszuschließen, seien daher noch einmal Bürgschaften für 20 Milliarden nötig geworden, auch wenn sie höchstens „für einige Tage“ benötigt werden. Gleichzeitig haben die Anlagen der HRE aber infolge der niedrigen Marktzinsen und der Krise in den überschuldeten Staaten der Eurozone noch weiter an Wert verloren, so dass es für die laufende Refinanzierung der HRE an Sicherheiten fehlt. Bis zur endgültigen Übertragung der Risikopapiere auf die staatliche Anstalt seien darum die weiteren 20 Milliarden Euro an Garantien nötig, erklärte die Sprecherin der FMSA. Nach Abschluss des komplexen Prozesses aber, so versichern die Verwalter des HRE-Erbes, sollen alle Garantien bis spätestens 2011 abgelöst werden. Die neue Pfandbriefbank solle sich dann „aus eigener Kraft refinanzieren“ und werde dann keine weiteren Bürgschaften benötigten, versprach ein Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Warum zeigen sich die Finanzpolitiker im Bundestag so überrascht?

Der Beschluss über die Ausweitung der Garantien für die HRE fiel, ohne dass der Haushaltsausschuss des Bundestages auch nur konsultiert wurde. Darum empörte sich der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg, über die „Nacht- und Nebelaktion“ und forderte umgehend Aufklärung. Auch Alexander Bonde, der für die Grünen die Aktionen der Bankenretter verfolgt, beklagte, „dass es vorab nicht die geringste Andeutung“ vonseiten der Verantwortlichen gegenüber dem Bundestag gegeben habe. Genauso sprach Carsten Schneider, finanzpolitischer Sprecher der SPD und Mitglied des eigens für die Überwachung des Soffin eingerichteten sogenannten Finanzmarktgremiums, von einer „grottenschlechten Informationspolitik“.

Schäuble hingegen verteidigte das Vorgehen. „Solche finanzmarktrelevanten Entscheidungen kann man nicht lange diskutieren und ankündigen“, sagte er am Montag. Sonst hätten spekulative Prozesse unabsehbare Folgen. Er selbst habe am Freitag auf eine rasche Entscheidung gedrungen, sagte Schäuble. Der Vorsitzende des Gremiums, der FDP-Abgeordnete Florian Toncar, berichtete, dass der zuständige Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen sehr wohl versucht habe, ihn vorab zu informieren, ihn aber nicht erreicht habe. Außerdem, so hielt Kirsten Bradtmöller, die Sprecherin der FMSA, den Kritikern entgegen, habe der Bundestag selbst dem Lenkungsausschuss des Soffin „genau diese Vollmachten übertragen“. Das neunköpfige Überwachungsgremium diene laut Gesetzeslage schließlich nur der nachträglichen Information. Tatsächlich hat der Bundestag auf seine Kontrollrechte bei der Einrichtung des Soffin seinerzeit freiwillig verzichtet. Bei einer für heute angesetzten Sondersitzung des Gremiums sollen nun Staatssekretär Asmussen und Anstaltschef Hannes Rehn Rede und Antwort stehen.

Wie viel wird die HRE-Sanierung die Steuerzahler kosten?

Bisher hat der Bund bereits 7,7 Milliarden Euro investiert, um die Altaktionäre der HRE auszuzahlen und der Bank frisches Kapital zu verschaffen. Weitere zwei Milliarden Kapitalhilfen sollen bis Ende des Jahres fließen. Ob und wann dieses Geld durch einen Verkauf der neuen Pfandbriefbank je zurückfließen wird, ist völlig offen. Die EU-Kommission, die das Sanierungskonzept noch genehmigen muss, hatte bereits im Januar „Zweifel an der Überlebensfähigkeit der HRE“ angemeldet. Diese Zweifel bestünden „auch unter Berücksichtigung des Umstrukturierungsplans“, schrieben die EU-Prüfer.

Wie hoch daneben die Verluste der Abwicklungsanstalt ausfallen werden, hängt vor allem von der Entwicklung in den Krisenstaaten der Eurozone ab. Insgesamt hält die HRE bisher Kredite von mehr als 80 Milliarden Euro in Irland, Griechenland, Italien, Spanien und Portugal, davon viele auch für die Finanzierung privater Immobilienprojekte. Prüfer der Bundesbank bescheinigten der HRE darum schon vor anderthalb Jahren „unrealisierte Verluste“ von 26 Milliarden Euro.

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