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Die Pläne der EZB, Anleihen von überschuldeten Staaten in unbegrenztem Umfang aufzukaufen könnte das ESM-Hilfsprogramm der Partnerländer untergraben. Denn über die Zentralbank kommen die Schuldenstaaten dann leichter an Geld - und umgehen die möglichen Sparauflagen einer Troika.

© dpa

ESM-Auflagen umgehbar: Krisenländer kommen bei der EZB einfacher an Geld

Die EZB will Anleihen überschuldeter Euro-Staaten in unbegrenztem Umfang kaufen - und das, ohne dass sich die Schuldner auf einen harten Sparkurs verpflichten müssen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kann deutlich einfacher Anleihen überschuldeter Euro-Staaten ankaufen, als es zunächst den Anschein hatte. Das zeigte sich kurz vor dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Euro-Rettungsfonds ESM am heutigen Mittwoch, bei dem das Gericht "Ja, aber" zur Euro-Rettung sagte. Ein Antrag des CSU-Politikers Peter Gauweiler, diese Entscheidung wegen des neuen EZB-Kurses zu verschieben, verwarf das Bundesverfassungsgericht am Dienstag.

EZB-Präsident Mario Draghi hatte erklärt, dass die Staaten, deren Anleihen die Zentralbank kaufe, sich vorher einem strikten Sparprogramm des ESM unterwerfen müssten. Doch tatsächlich reicht die Beantragung einer vorsorglichen Kreditlinie, genannt ECCL, mit geringeren Auflagen aus, wie die Bundesbank klarstellte. So hatte es Draghi zwar nicht gesagt, aber eine EZB- Pressemitteilung hält diesen Weg ebenfalls fest. Der springende Punkt: Für einen solchen Antrag beim ESM ist lediglich eine Absichtserklärung notwendig, sich an die Haushaltsvorgaben der Europäischen Kommission halten zu wollen. Zwar müssen alle Euro-Staaten der Gewährung dieser Kreditlinie zustimmen, und damit ist in Deutschland der Bundestag am Zug. Doch sobald das erfolgt ist, kann die EZB Anleihen des jeweiligen Landes mit dann niedrigeren Zinsen in unbegrenztem Umfang kaufen – auch wenn die Kreditlinie gar nicht angetastet wurde. Das kann dazu führen, dass die EZB letztlich Aufgaben des ESM übernimmt. Denn für einen Staat, der eine Kreditlinie beantragt hat, kann es sich lohnen, diese nicht anzutasten, sondern auf die EZB zu warten. So würden die Risiken mittelbar auf alle Euro-Staaten umgelegt.

Video: Geteiltes Echo auf EZB-Entscheidung

Eine Troika, die über die Umsetzung der Absichtserklärung wacht, gibt es nicht. Nach Einschätzung des Grünen-Finanzexperten Gerhard Schick sind die Auflagen für die Kreditlinie „grundsätzlich niedriger“ als bei einem vollen ESM-Programm, wie er „Handelsblatt Online“ sagte. Offenbar reichen eher allgemeine Kriterien aus, während das volle ESM-Programm konkrete Auflagen vorsieht.

So passen auch die Äußerungen des spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy ins Bild. „Ich könnte es nicht akzeptieren, dass uns gesagt wird, in welchen konkreten Bereichen wir kürzen oder nicht kürzen müssen“, sagte er. Deutlich ist nun: Das muss er gar nicht. Eine allgemein gehaltene Absichtserklärung reicht aus.

Nach Rajoys Worten ist offen, ob Spanien Finanzhilfen beantragt. „Die EZB hat ein Fenster geöffnet. Sie hat einen wichtigen Schritt getan“, fügte er hinzu. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte im derzeit 22-köpfigen EZB-Rat als Einziger gegen diesen Kurs votiert. Offenbar forderte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, der andere Deutsche in dem Gremium, vergeblich, aus der Kreditlinie müsse Geld geflossen sein, bevor die EZB Anleihen ankaufen könne.

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