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© Kitty Kleist-Heinrich

Krisenmanagement: Herlitz heftet Vergangenheit ab

Berlins Büroartikelhersteller räumt Fehler ein, beruft einen neuen Vorstand und reduziert sein Sortiment.

Berlin - Ein Vorstandschef, der von „teils erheblichen Qualitätsmängeln bei den ausgelieferten Produkten“ spricht und Kleinaktionäre, denen beim Wort „Russland“ der Puls anschwillt: Jahreshauptversammlung bei der Herlitz AG, dem Berliner Büroartikelhersteller, gegründet 1904. 2002 hatte das Unternehmen Insolvenz angemeldet und bewegt sich seitdem im Zickzack rein und raus aus der Krise. Derzeit geht es leicht bergauf.

„Selbstkritisch müssen wir sagen, dass sich die Halbwertzeit unserer Vorstände verkürzt“, sagte Aufsichtsratschef Georg C. Domizlaff am Mittwoch im Ludwig Erhard Haus zur Begrüßung. In den vergangenen sieben Jahren hatte Herlitz allein vier Chefs. Auch der Aktuelle, Jan von Schuckmann, begann seine Rede mit einer Personalie. Er kündigte an, das Markus Oestmann ab dem 1. September Marketing und Vertrieb bei Herlitz verantworten soll. Er löst Martin Hoffmann ab, der zum 31. Mai ausgeschieden ist.

Schuckmann stellte fest, dass der Jahresabschluss 2007 „in den wesentlichen finanziellen Eckwerten keine positive Entwicklung gegenüber dem Vorjahr aufweist“. Bereits Anfang April hatte das Unternehmen mitgeteilt, dass der Umsatz zwar erstmals seit zwölf Jahren wieder gewachsen ist – um 0,6 Prozent auf 310,5 Millionen Euro, dass sich der Konzernüberschuss jedoch von 600 000 Euro in 2006 zu einem Fehlbetrag von 3,6 Millionen Euro gewandelt hat.

Schuckmann sprach aber von einer Wende, die bereits im ersten Quartal 2008 zu erkennen sei. Die Rohertragsquote stieg um 2,4 Prozentpunkte auf 47,9 Prozent bei Umsatzerlösen von rund 67 Millionen Euro. Für 2008 kündigte er an, dass man das Sortiment, das derzeit noch 10 000 Artikel umfasst, weiter reduzieren will – auch auf die Gefahr hin, den einen oder anderen Auftrag zu verlieren. Herlitz leidet unter steigenden Herstellungs- und Rohstoffkosten, vor allem für Öl und Zellstoff. Diese sollen auch durch Preiserhöhungen, vor allem im Einzelhandel, kompensiert werden.

Das Unternehmen vollzieht zudem einen Strategiewechsel in der Personalpolitik. Herlitz konnte die Personalkosten seit 2006 um 2,6 auf 73,7 Millionen Euro senken. Doch der Einsatz von Fremdfirmen führte zu erheblichen Qualitätsmängeln der Ware. „Deshalb hat sich der Vorstand entschieden, in den Kernbereichen wieder auf eigenes Personal zurückzugreifen“. Ein Raunen ging durch die Versammlung, als Schuckmann sagte, dass man im russischen Markt, wie Osteuropa insgesamt, besonders stark wachsen wolle. Mitte der 90er-Jahre hatte Herlitz dort eine Papierfabrik gekauft, was sich als finanzielles Desaster herausstellte.

Die Hoffnung ruht zudem auf einem Aktenordner, der mit patentierter Hebeltechnik praktischer zu bedienen sein soll. Mit ihm will Herlitz das Premium-Segment aufrollen. Nicht zuletzt dieses Produkt veranlasste Lars Labryga, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, dem Vorstand eine Teil-Entlastung auszusprechen. „Das Ding ist wirklich gut. Und ich würde sagen, wenn es nicht so wäre“, sagte er den Aktionären.

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