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Wirtschaft: Kritische Rekonstruktion

Gewerkschaftstag der IG Metall sucht Ausweg aus der Krise

Frankfurt (Main) (alf). Mit Appellen an die gewerkschaftliche Geschlossenheit und Solidarität begann am Freitag der Gewerkschaftstag der IG Metall in Frankfurt (Main). Der designierte erste Vorsitzende der Gewerkschaft, Jürgen Peters, sagte zu Beginn des dreitägigen Kongresses, die IG Metall befinde sich „in einer der schwersten Phasen in ihrer Geschichte“, weil nach der Streikniederlage in Ostdeutschland Kontroversen „nicht sachgerecht und solidarisch“ ausgetragen worden seien. Der Gewerkschaftstag war auf Grund der Schlappe und der anschließenden Führungskrise vorgezogen worden. Im Mittelpunkt des Kongresses steht neben der Diskussion über die Streikniederlage die Wahl des neuen Vorstands. Als erster Vorsitzender soll am Sonntag Peters und als zweiter Vorsitzender der Stuttgarter IG MetallChef Berthold Huber gewählt werden.

Unter den Gästen des Gewerkschaftstages befanden sich am Freitag auch die früheren Vorsitzenden der IG Metall, Hans Meyer, Franz Steinkühler und Klaus Zwickel. Zwickel war im Juli zurückgetreten, nachdem er seinen designierten Nachfolger Peters seinerseits nicht zu einem Verzicht auf die Kandidatur bewegen konnte. Peters räumte in seinem Referat vor den Delegierten Fehler im Verlauf der Tarifbewegung Ost ein. Die Zahl der streikfähigen Betriebe im Osten sei überschätzt worden, die Kommunikation sei mangelhaft gewesen und schließlich habe die gewerkschaftliche Geschlossenheit gefehlt. „Unsere Gegner waren zu Beginn der Tarifbewegung gespalten und am Ende geschlossen“, sagte Peters. Bei der IG Metall sei es umgekehrt gewesen. Peters appellierte an die knapp 600 Delegierten, den Gewerkschaftstag zu nutzen, „um Gräben zu überwinden und Geschlossenheit zu zeigen“.

Ähnlich äußerte sich der Streikführer und IG-Metall-Chef in Ostdeutschland, Hasso Düvel. Er erwarte eine „kritische und solidarische“ Diskussion über die Niederlage, sagte Düvel am Rande des Kongresses. Im Kern stehe dabei die Frage, „warum der Streik nicht zu Ende gebracht wurde“. Die Möglichkeit, in weiteren Betrieben per Haustarif einen Stufenplan zur 35-Stunden-Woche zu erreichen, sei nicht genutzt worden. Stattdessen wollen die Metall-Arbeitgeber in Ostdeutschland nun die 38-Stunden-Woche bis 2008 festschreiben. Düvel, mit dessen Ausscheiden als Bezirksleiter von Berlin, Brandenburg und Sachsen spätestens Anfang 2004 gerechnet wird, betonte, dass die Aufarbeitung noch viel Zeit in Anspruch nehmen werde. Als Hauptursachen für das Scheitern nannte er die sich beschleunigende wirtschaftliche Talfahrt sowie die sozialpolitische Debatte um die Agenda 2010.

Auf Letztere hatte es auch Peters abgesehen. Das Reformprojekt der Bundesregierung bringe weder Wachstum noch Beschäftigung und belaste die sozial Schwachen. Schon vorher hatte er öffentliche Proteste gegen die Agenda 2010 angekündigt. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, will das verhindern. „Ich bin dagegen, dass wir wie bei einem Pawlowschen Reflex sagen: Da ist eine Gefahr, und da müssen wir jetzt draufhauen“, sagte Sommer. Die Gewerkschaften hätten Interessen zu vertreten, sie seien aber „nicht die APO der Nation“. Vielmehr solle mit jeder Kritik auch eine Alternative vorgelegt werden.

Das tat Peters bei den Vorschlägen der Rürup-Kommission, die er als „simplen Sozialabbau“ bezeichnete. Er schlug eine Vermögensteuer vor, mit der 20 Milliarden Euro für ein Konjunkturprogramm aufgebracht werden könnten. „Warum sollten wir auf das Geld der Reichen verzichten?“, fragte Peters.

Dabei ist die IG Metall selbst noch immer eine wohlhabende Organisation. Hauptkassierer Bertin Eichler wies in seinem Rechenschaftsbericht darauf hin, dass die Gewerkschaft seit vielen Jahren 15 Prozent der Beitragseinnahmen der Streikkasse zuführt. Das Vermögen der Gewerkschaft wird auf gut 1,5 Milliarden Euro veranschlagt. Allerdings sinken die Beitragseinnahmen: In diesem Jahr nimmt die IG Metall voraussichtlich 440 Millionen Euro von ihren knapp 2,6 Millionen Mitgliedern ein, das sind 6,7 Millionen Euro weniger als im vergangenen Jahr.

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