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Wirtschaft: Krumme Touren am Arbeitsplatz

DÜSSELDORF .Die Sache lief wie geschmiert.

DÜSSELDORF .Die Sache lief wie geschmiert.Jeden Tag schleuste Heinz P.in seiner Arbeitstasche diverse Einzelteile von Elektrohausgeräten aus dem Unternehmen.Im heimischen Hobbykeller schraubte er sie zusammen, ehe er sie an befreundete Trödelhändler vertickte.Alle spielten mit: der Werkmeister, der Pförtner und Kollegen in der Produktion, die einwandfreie Teile als Ausschuß deklarierten.

Das ging jahrelang so.Tausende Markengeräte wurden unter Ladenpreis verscherbelt - bis der Hersteller nach Hinweisen aus dem Fachhandel dem Mitarbeiter mit Privatdetektiven auf die Schliche kam.Der Betrüger war bei einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht bereit, 185 000 DM Schadensersatz zu zahlen."Der tatsächliche Schaden lag um ein Vielfaches höher", weiß Manfred Lotze, Chef der Detektei Kocks GmbH.

Die kriminellen Machenschaften beim Hausgerätehersteller sind kein Einzelfall.Der Arbeitsplatz ist in Deutschland ein beliebter Tatort.Diebstahl, Betrug, Unterschlagung, Spionage und Sabotage finden überall statt: in Großunternehmen, bei Mittelständlern, in Kleinfirmen und in allen Branchen.

"Die Gesamtschäden durch Mitarbeiterdelikte nehmen deutlich zu", bestätigt Dr.Axel von Heyden von der Hermes Kreditversicherungs-AG, Hamburg.Der Spezialist für Vertrauensschaden-Versicherungen schätzt die Schäden allein durch Veruntreuung, Betrug und Unterschlagung für die deutsche Wirtschaft auf jährlich über fünf Mrd.DM.Hinzu kommen Tausende Diebstähle.Die meisten Unternehmen halten die Vorfälle geheim, um ihr Image nicht zu gefährden.Rund 60 Prozent der Mitarbeiterdelikte werden außergerichtlich geregelt.

Das gelingt aber nicht immer.Beispiel Opel: Der Autohersteller sorgte für Schlagzeilen, als bekannt wurde, daß der Leiter des Ersatzteillagers in Bochum, Werner Rasche, von Zulieferfirmen Schmiergelder in Millionenhöhe erhielt.Er wurde vom Landgericht zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

Quer durch alle Hierarchiestufen nimmt in deutschen Firmen offensichtlich die Loyalität zum Arbeitgeber ab.John macht dafür komplexere Arbeitsabläufe und die Folgen des Lean Managements verantwortlich: "Die Manager haben die Unternehmen unter Kostengesichtspunkten verschlankt.Dabei sind Sicherheitsaspekte in den Hintergrund geraten." Die Folge: "Viele Firmen sind verwundbarer geworden."

Das will Wolfgang Hoffmann - zumindest für Großunternehmen - so nicht stehen lassen.Der Chef der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e.V.(ASW), Bonn, versichert, daß "die großen Aktiengesellschaften das Thema Sicherheit sehr ernst nehmen".Trotz der Sparzwänge sei es ihnen möglich, durch die Zusammenarbeit von Werkschutz, Revision und elektronischen Sicherungssystemen einen "wirksamen Präventionsschirm aufzubauen".Aber bei kleineren Firmen sieht Hoffmann, zugleich Direktor für Unternehmensschutz des Chemieriesen Bayer, noch Nachholbedarf.

Dennoch: Auch viele Großfirmen nehmen zur Zeit ihr gesamtes Sicherheitssystem kritisch unter die Lupe.Auslöser ist das seit Mai 1998 geltende Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG).Es nimmt den Vorstand und insbesondere den Aufsichtsrat stärker als bisher in die Verantwortung, für ein geeignetes Überwachungssystem und für Risikomanagement zu sorgen.

Währenddessen bemüht sich die Wirtschaft, ihren Mitarbeitern genauer auf die Finger zu schauen.Opel in Rüsselsheim setzt einen Ermittlungsdienst ein, Bosch Stuttgart läßt die Werksicherheit fahnden.Und Karstadt in Essen versucht, mit Hausdetektiven und einer elektronischen Ausgangskontrolle seine "Inventurdifferenzen" zu verringern.Um es nicht soweit kommen zu lassen, hat der Baukonzern Hochtief vorgesorgt.Ist ein Angestellter im Zweifel, ob er ein Geschenk annehmen darf, wählt er die Nummer der internen Ethik-Hotline.Doch Vertrauen auf Ethik ist vielen Unternehmen schon lange nicht mehr genug: Sie schließen bei Hermes Versicherungen gegen Mitarbeiterdelikte an.

GEORG WEISHAUPT (HB)

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