zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Länger arbeiten für die Würde

Die Deutschen müssen später in Rente gehen Von Gert. G. Wagner

Die „RürupKommission" wird für ihren Vorschlag, die Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung anzuheben, viel gescholten. Viele halten das für unrealistisch, anderen geht die Empfehlung, die „Regelaltersgrenze" von 65 auf 67 Jahre zu erhöhen, nicht weit genug. Wo die „optimale" Altersgrenze liegt, weiß niemand. Zu viele Ziele sind zu berücksichtigen. Die Finanzierbarkeit der Rentenversicherung ist nur eine von vielen Zieldimensionen. Zum ersten geht es um ein würdiges Altern - die Altersgrenze so festzulegen wie das Kanzler Bismarck tat, ist offenkundig unsinnig: Die meisten Menschen erreichten vor über 100 Jahren die Altersgrenze von 70 Jahren gar nicht. Dadurch war die Rente auch leicht von den Arbeitgebern finanzierbar.

Zum zweiten soll das Alter aber auch sinnstiftend sein. Das heißt, ein frühzeitig erzwungener Ruhestand ist in einer von Arbeit konstituierten Gesellschaft menschenunwürdig. Zumal ein früher Ruhestand – sollen die Jungen nicht übermäßig mit Beiträgen belastet werden – unvermeidbar mit einem niedrigeren Rentenniveau erkauft werden muss. Dadurch werden auch die Konsummöglichkeiten geschmälert, die die Freizeit im Alter interessant gestalten können. Zentral ist aber die Sinnstiftung durch Arbeit: Angesichts einer steigenden Lebenserwartung im Alter fordern Gerontologen seit langem eine verlängerte Lebensarbeitszeit. Diese solle aber flexibel ausgestaltet sein.

In der „Rürup-Kommission" kamen wir zu einem anderen Ergebnis. Denn Flexibilität beim Rentenzugang ist für alte Arbeitnehmer, die gefragte Qualifikationen vorzuweisen haben, eine große Chance – aber für Arbeitnehmer, deren Qualifikation nur noch wenig gefragt ist, eine große Gefahr, mit einer flexiblen, sprich niedrigen Rente aus dem Erwerbsleben gedrängt zu werden. Deswegen hat sich die Rürup-Kommission entschlossen, in ihrer Empfehlung die untere Grenze für eine Altersrente nicht bei 62 Jahren zu belassen und nur die Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre zu schieben, sondern das gegenwärtig nur drei Jahre breite Fenster für eine frühe Altersrente komplett – um zwei Jahre – nach oben zu verschieben. Dadurch werden Ältere, deren Qualifikationen künftig weniger gefragt sind, geschützt. Gleichzeitig wird dadurch signalisiert, dass man sich auf ein Erwerbsleben bis normalerweise 64 Jahre einstellen sollte.

Ein höheres Rentenzugangsalter schafft in der Arbeitswelt aber ein Problem eigener Art. Wenn es nicht zu signifikanter Zuwanderung Jüngerer kommt, nimmt der Anteil der älteren Erwerbstätigen enorm zu. Das dürfte – gerade in dynamischen Branchen – nicht der Innovationskraft und der Produktivität dienen. Das heißt: Je höher das Rentenzugangsalter steigen wird, umso größer dürfte der Wunsch nach Zuwanderung jüngerer Arbeitskräfte werden. Damit diese finanzierbar sind, ist eine entsprechend hohe Nachfrage, das heißt Wirtschaftswachstum notwendig.

Professor Gert G. Wagner (Foto: promo) lehrt Volkswirtschaft an der TU Berlin und ist am DIW Forschungsdirektor für „Soziales Risikomanagement". Er war Mitglied der „Rürup-Kommission" und ist Mitglied im Zuwanderungsrat.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false